Kölner Bühnen-SanierungElfeinhalb statt drei Jahre und bis zu 391 Millionen mehr

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Die Kölner Oper.

Die Kölner Oper.

Köln – Die Stadt Köln hat am Dienstagmittag mitgeteilt, dass die Sanierung der Kölner Bühnen am Offenbachplatz zwischen 617,6 und 643,9 Millionen Euro kosten wird (die Rundschau berichtete am Montagabend vorab exklusiv). Wie viel Geld letztlich wirklich benötigt wird, hängt davon ab, wie viele Risiken, etwa Firmeninsolvenzen, eintreten und mehr Geld kosten.

Es geht um die 2012 begonnene Sanierung der denkmalgeschützten Oper und Schauspielhaus sowie den Neubau von Kleinem Haus und Kinderoper. Die neuen Summen sind 63,5 bis 72,9 Millionen Euro mehr, als Sanierungschef Berns Streitberger bei der vorigen großen Pressekonferenz im Juni 2019 genannt hatte, damals waren es 554 und 571 Millionen Euro. Statt drittes Quartal 2023 soll die Sanierung nun zwischen Januar und März 2024 beendet sein, wann die Häuser öffnen, ist weiter offen, die Stadt peilt aber die Spielzeit 2024/2025 an. Verzögerung und Verteuerung liegen unter anderem an der längeren Planung und den teureren Firmen.

Reker: Köln braucht Oper und Schauspiel

Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) sagte am Dienstag: „Ich bin mir sehr darüber bewusst, dass solche Summen, wie sie hier besprochen werden, immer wieder die Frage aufwerfen, die sich schon viele seit einiger Zeit stellen: Brauchen wir überhaupt eine solche Oper, ein solches Schauspielhaus? Kommen wir nicht mit dem Interim zurecht? Das ist doch nur für eine kleine Elite. Ich sage ihnen voller Überzeugung: Köln braucht Oper und Schauspiel.“

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Ursprünglich geplant waren im Jahr 2012 mal geschätzte Kosten von 253 Millionen Euro, zuletzt waren es im November zwischen 579 und 612 Millionen Euro. Doch Mitte 2015 musste die geplante Eröffnung am 7. November abgesagt werden, weil auf der Baustelle durch den Zeitdruck Chaos herrschte und vor allem die Haustechnik wie etwa der Brandschutz etliche Mängel aufwies. In den alten Gebäuden ist sehr wenig Platz für moderne Technik.

Die Stadt hatte den Haustechnik-Planern Deerns gekündigt und Innius als Nachfolger geholt. Reker sagte am Dienstag: „Das war ein Desaster aus Fehlplanungen und Mängeln, aus gestiegenen Kosten und geplatzten Terminen, vor allem aus geplatzten Träumen. Es war ein Desaster für die Kulturstadt Köln.“

Erst jetzt liegen verlässliche Pläne vor

Die Stadt stellte das Projekt mehr oder weniger komplett neu auf, erst jetzt, mehr als fünf Jahre nach der geplatzten Eröffnung, liegen laut Sanierungschef Bernd Streitberger verlässliche Pläne für die Haustechnik vor – doch auch Innius hatte dabei Probleme. Streitberger sagte: „In der Tat war das manchmal nervenaufreibend. Aber wir haben uns da durch gekämpft. Wir haben eine exzellente Planung, kann ich heute sagen. Und wir haben eine Planung in der Tiefe und Breite, wie sie dieses Haus noch nie gesehen hat, das kann man, glaube ich, ganz klar sagen.“

Auf die Frage, ob die Firmen die Pläne auch wirklich umsetzen können, sagte Streitberger: „Ich kann das nicht garantieren, aber wir sind in der Planung natürlich viel weiter, haben viel mehr Erkenntnisse und haben die Firmen unter Vertrag. Wenn wir die nicht hätten, wären wir ziemlich unsicher unterwegs. Wir sind sehr, sehr sicher unterwegs. Das Ziel ist gesetzt, es ist auch nicht überehrgeizig, wir haben da nicht Zeit zusammengestrichen. Ich bin mir sehr sicher, dass wir das erreichen werden.“ Er werde aber auch in den nächsten Jahren Pressekonferenzen geben und über den Verlauf berichten.

Ab März/April wird der Baubetrieb hochgefahren

Die Firmen zur Umsetzung der Pläne hat Streitberger gefunden, das galt als schwierig. Das hat aber 15 Millionen Euro mehr gekostet als geplant. Die Firmen können nun anfangen zu arbeiten. Ab März/April wird der Baubetrieb wieder hochgefahren, ab Mitte des Jahres soll mit voller Kraft gebaut werden.

Streitberger geht davon aus, die Bühnen zwischen Januar und März 2024 an die verantwortlichen Intendanten zu übergeben. Das wären elfeinhalb statt drei Jahre für die Sanierung. Zum Vergleich: Der Bau der Hamburger Elbphilharmonie hat rund zehn Jahre gedauert, die Bühnen-Verantwortlichen betonen aber immer wieder, dass man die beiden Projekte nicht vergleichen könne, weil sie sehr unterschiedlich seien.

Oberbürgermeisterin Reker hat am Dienstag angekündigt, nicht dieselben Fehler wie 2015 machen zu wollen, also komme was wolle an einem Eröffnungstermin festhalten zu wollen. Reker sagte: „Wir stehen nicht unter Zeitdruck, die Interimsverträge (für Depot und Schauspiel, Anmerkung der Redkation) wären zu verlängern, wenn sie verlängert werden müssen.“ Reker gab die Vorbereitungszeit bis zu einer möglichen Eröffnung mit sechs Monaten an, damit wäre die Spielzeit 2024/2025 möglich.

Vorteil: Es gibt finale Pläne

Eine reguläre Spielzeit beginnt üblicherweise im September, es gibt Stand jetzt also einen Puffer von sechs bis acht Monaten. Ob er ausreicht, ist anhand der bisherigen Erfahrungen mit der Sanierung zumindest zweifelhaft, 2017 ging Streitberger von einer Fertigstellung zum Jahresende 2022 aus, im Juni 2019 dann vom zweiten Quartal 2023. Nichts davon hatte Bestand, je weiter die Planungen fortschritten. Und vier Jahre sind eine lange Zeit. Der Vorteil könnte sein: Nun liegen die finalen Pläne vor.

Zumal die Häuser nach der Fertigstellung noch eingerichtet werden müssen, etwa die Raumluft. Laut mehrerer Experten dauert das mehrere Monate. Die Bühnen weisen darauf hin, dass zumindest die Bühne selbst zu mehr als 90 Prozent fertig ist und ab Tag eins nach Bauende die Künstler proben können.

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Streitberger betonte, er selbst wolle die Sanierung als Chef beenden, er ist ja mittlerweile eigentlich im Rentenalter. Er sagte: „Solange mir der liebe Gott die Kraft und Freude an der Arbeit gibt, will ich das weitermachen, ich sage aber auch: Ich habe Strukturen geschaffen, die auch ohne mich funktionieren.“ Ein Stückweit wolle er das offen lassen, „aber im Augenblick gibt es kein Anzeichen dafür, dass ich das nicht zu Ende mache“.

Wie berichtet, muss die Stadt den Bau über 40 Jahre finanzieren, also über Kredite und Zinsen, die Kosten dafür liegen aktuell bei 260 Millionen Euro und damit 27 Millionen Euro günstiger als zuletzt prognostiziert. Zudem kosten die Interimsspielstätten von Oper (Staatenhaus) und Schauspiel (Depot) 113,5 Millionen Euro. Zusammen genommen kostet die Sanierung und ihre Begleitkosten also sehr wahrscheinlich mehr als eine Milliarde Euro. Zumal die Summe vermutlich noch steigt, weil die Interimskosten nur bis Ende 2022 berechnet sind, dann sind die Häuser am Offenbachplatz aber noch nicht beendet.  

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