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Kölner Forscher erklärenWarum in Himbeer-Joghurt manchmal gar keine Himbeere drin ist

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In den Fermentationsanlagen wird aus den Zutaten nach und nach das natürliche Himbeer-Aroma. Nicolai Assenmacher (l.) und Dr. Peter Welters planen bereits weitere Produkte.

In den Fermentationsanlagen wird aus den Zutaten nach und nach das natürliche Himbeer-Aroma. Nicolai Assenmacher (l.) und Dr. Peter Welters planen bereits weitere Produkte.

  • Phytowelt stellt mit Zucker, Pappeln und Bakterien natürliche Aromastoffe her.
  • Das Unternehmen sorgt dafür, dass für die Herstellung nicht mal richtige Früchte verwendet werden müssen.
  • So steckt in Himbeer-Joghurt oft nicht mal eine Himbeere.

Köln – Das „Süppchen“ in dem Glaskolben muss noch ein bisschen geschüttelt und gerührt werden. Die Hauptzutaten: Haushaltszucker und Darmbakterien. Die Darmbakterien Escherichia coli stellen gerade Carotinoide her, deswegen ist die Flüssigkeit auch karottenorange. Wenn der Glaskolben zu eng wird, kommt die Bakterienkultur in den nächsten Fermenter – also in den nächsten Behälter, in dem sich der Prozess fortsetzt.

„Die Bakterien wachsen wahnsinnig schnell“, erklärt Dr. Peter Welters (60), Geschäftsführer von Phytowelt. Nach drei Tagen gedeihen sie schon in einem 150-Liter-Kessel „und sind bereit zur Ernte“, sagt Nicolai Assenmacher (27), Agrarbiologe und Produktmanager des Unternehmens am Biocampus Cologne. Am Ende des gesamten Vorgangs steht eine glasklare Flüssigkeit – ein konzentriertes, natürliches Himbeer-Aroma.

Natürliche Stoffe werden reproduziert

„Wir können genau den Stoff herstellen, der auch in der Natur vorkommt“, sagt Peter Welters. Und das ganz ohne Himbeeren. „Der Aromastoff ist in den Früchten nur in geringer Konzentration vorhanden“, erklärt er. „Für ein einziges Gramm werden 111 Tonnen Himbeeren und 20 Hektar Land benötigt.“ Phytowelt reiche dafür der Zucker aus einer einzigen Zuckerrübe. „So können Ressourcen, Arbeit und Kosten eingespart werden.“

Angebaute Himbeeren stehen als Nahrungsmittel zur Verfügung, während der hergestellte Aromastoff zum Beispiel in Parfüms verwendet werden kann. Oder im Himbeer-Joghurt. Das Verfahren funktioniert auch mit Veilchenduft. Es handelt sich um dasselbe Molekül, das Menschen sowohl mit dem Duft von Himbeeren als auch mit dem von Veilchen verbinden, erklärt Nicolai Assenmacher. Weitere Aromastoffe sind in Planung, es bestehen Kooperationen mit Rohstofflieferanten und Chemie-Unternehmen.

Peter Welters hat Phytowelt vor 21 Jahren in Nettetal am Niederrhein gegründet, nachdem er am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung promoviert hatte. Nach einer Fusion mit einem anderen Unternehmen gibt es seit 2006 den zweiten Standort am Biocampus Cologne in Bocklemünd. Auf dem Gelände sind auch die verschiedenen Labors und die Fermentationsanlage untergebracht. In Nettetal befinden sich die Verwaltung und das „Mutterquartier für Pappeln“. Das sind die Pflanzen, deren Nachkommen und Ableger in Köln auf einem Nachbargelände stehen. Sie dienen künftig als Biomasse.

Die mehr als 3000 Bäumchen sind sorgfältig in Reihen gesetzt und mit Schildern versehen, die ihr Alter angeben. Manche haben größere Blätter oder einen dickeren Stamm. „Hier wachsen Pappeln mit unterschiedlichen Eigenschaften“, sagt Nicolai Assenmacher. Sie werden nach einem gentechnik-freien Verfahren miteinander gekreuzt, um neue Sorten zu züchten. Das Holz der schnell wachsenden Bäume wird nach einigen Jahren geerntet – also abgeschnitten, gehäckselt und ausgekocht. Mit Hilfe von Enzymen wird Zucker gewonnen, der dann an die Aroma-Bakterien verfüttert wird.

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So könnten auch andere Aromastoffe entstehen. „Unser Ziel ist es, den Kunden Rohstoffe aus Pflanzen verfügbar zu machen, die bis jetzt noch nicht verfügbar waren“, sagt Peter Welters. Etwa 30 Leute arbeiten bei Phytowelt: Biotechnologen, Verfahrenstechniker, Ingenieure, technische Angestellte – und auch zwei Gärtner, die auf dem Pappelfeld regelmäßig nach dem Rechten schauen.

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