Kölner Improtheater-SzeneMehr als nur Comedy

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Köln – Sie düsen auf der Bühne im „Gefühlsauto“ durch die Gegend oder wechseln auf Zuruf von traurig zu ängstlich zu verliebt. Eine Szene im Waschsalon wiederholen sie als Heimatfilm oder Horrorschocker.

Sie proben und spielen in Bürgerhäusern, Kneipen, „richtigen“ Theatern und auf Privat- oder Betriebsfeiern. Die Kölner Improtheater-Szene blüht, wer „Improtheater Köln“ in Suchmaschinen eintippt, findet ohne Mühe über ein Dutzend Gruppen – Profis, Semiprofis, Amateure – aber auch Menschen, die diese Theaterform über die Game-und Comedy-Show hinaus weiterentwickeln wollen – wie die „Kölner Impro-Welt-Initiative“.

Ein Sonntagabend im „Gasthaus im Viertel“: Jim Libby, Improspieler der „English Lovers“ aus Wien, jagt seine Mitspieler auf der Bühne durch verschiedene Welten. Ein Kollege, den er im Publikum entdeckt hat, darf auf der Bühne mal eben ein Lied frei improvisieren. Die Szenen sind länger, auch lyrische und ernste Töne sind zu hören.

Wie funktioniert Improvisationstheater?

Beim Improvisationstheater entwickeln die Spieler nach Vorgaben des Publikums (Ort, Handlung, Beziehung) oder nach festgelegten Spielregeln kurze Szenen. Klassiker sind das „ABC-Spiel“, bei dem jeder gesprochene Satz mit dem nächsten Buchstaben des Alphabets beginnt, oder der Genre-Replay, bei dem eine Szene in unterschiedlichen Genres wiederholt wird.

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wurde Improtheater vor allem in englischsprachigen Ländern professionalisiert. Populär wurde es in Deutschland durch die Sat1-Serie „Schillerstraße“. Häufig dominieren reine Comedy-Elemente.

Impro-Profis aus aller Welt für ein Experimentier-Wochenende nach Köln zu holen, ist das Anliegen der „Kölner Impro-Welt-Initiative“ (KiWi) von Ben Hartwig, Florian Bracht und Michaela Egbers und die monatliche Impro-Show in der Nippeser Kneipe bildet den krönenden Abschluss. Die Liste der Profis aus Australien, Wien, Italien und Amsterdam, die das Trio bereits für Workshops und Impro-Shows nach Köln geholt hat, lässt den Namen nicht mehr größenwahnsinnig erscheinen.

„Wir wollten mehr als die übliche Game-Show“, betont Florian Bracht, im bürgerlichen Leben Lektor für Schulbücher und Mathematik-Dozent. Das Trio kennt sich aus der Impro-Gruppe „Taubenhaucher“ und veranstaltet das Mini-Festival seit 2013. Die Gastspieler geben einen Workshop für alle Interessierten, es folgt intensives Spielen und Austauschen mit den „KiWis“, die Abschluss-Show ist eine Wundertüte, denn das Publikum weiß nie, was ihm geboten wird. „Wir sehen uns als Formatschmiede“, betont Hartwig, eigentlich Biologe und Mitglied im Impro-Ensemble „Springmaus“.

„Viele Formate, die wir neu entwickelt haben, nehmen unsere Gäste anschließend mit“, weiß Michaela Egbers, im Hauptberuf Gymnasiallehrerin. „Kunst“ ist eines davon: Das Publikum entwirft ein fiktives, unsichtbares Kunstwerk, an dem sich die Handlung entwickelt. Im Format „Hotel des Todes“, ebenfalls von „KiWi“ entwickelt, muss jeder Spieler in den ersten zehn Minuten zwei starke Charaktere entwickeln – dies ist nötig, weil einer davon anschließend stirbt.

„Wir lassen unsere Charaktere auch mal leiden“, erläutert Bracht. Angst, ihr Publikum zu überfordern, haben sie nicht: „Wenn wir spielen, was wir gut finden, findet das Publikum das auch gut“, weiß Egbers. „Das Publikum kann man erziehen“. Außerdem gibt es bisher eine hohe Dichte an Impro-Spielern im Publikum, die alle hungrig auf Neues sind.

Die nächste Kiwi-Impro-Show findet am Sonntag, 6. März um 19 Uhr (Einlass 18.30 Uhr) im „Gasthaus im Viertel“ (Holbeinstraße 35) statt, Gastspieler ist Axel Moustache aus Bukarest.

www.kiwi-theater.de

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