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Kölner KreisverbandGrüne feiern 40-jähriges Bestehen

Lesezeit 6 Minuten
40 Jahre Gruene in Koeln

Gerd Brust, Gundi Haep und Manfred Waddey (von links)

  • Der Kölner Kreisverband der Grünen feiert sein 40-jähriges Bestehen.
  • Die Rundschau hat anlässlich dessen mit drei Akteuren der ersten Stunde über die Anfänge der Partei in Köln gesprochen.
  • Darunter auch Gundi Haep und Manfred Waddey, die schon beim Rundschau-Interview 1984 dabei waren.

Köln – Industrie und Auto raus aus Köln!“ Unter dieser Schlagzeile veröffentlichte die Rundschau im Sommer 1984 ein Gespräch mit fünf Ratskandidaten der Grünen. Wenig später eroberte die Ökopartei bei der Kommunalwahl erstmals Sitze im Stadtrat, sprang mit 10,8 Prozent locker über die Fünfprozenthürde und holte zehn Mandate. Der Kölner Kreisverband hatte sich fünf Jahre zuvor gegründet. Damals galten die Grünen vielen als Bürgerschreck, ihre Ideen wirkten auf konservative Kreise verstörend. Heute schwimmt die Partei auf einer breiten Welle der Zustimmung, bei der Europawahl im Mai wurde sie mit 32,9 Prozent stärkste Kraft in Köln.

Anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Kölner Kreisverbands, das die Grünen im Dezember feiern, hat die Rundschau mit drei Akteuren der ersten Stunde über die Anfänge der Partei in Köln gesprochen. Darunter Gundi Haep und Manfred Waddey, die beim Rundschau-Interview 1984 dabei waren.

„Bis spät in die Nacht diskutiert“

„Wir hatten mindestens einmal im Monat Mitgliederversammlung im Naturfreundehaus in der Franz-Hitze-Straße. Um 19 Uhr ging es los, dann wurde bis spät in die Nacht diskutiert“, erinnert sich Manfred Waddey (68), langjähriges Ratsmitglied und früher verkehrspolitischer Sprecher der Grünen. „Der Raum war eng und meist überfüllt. Zwei Drittel der Leute rauchten, die meisten ohne Filter. Im Sommer war es in dem Raum sehr heiß, im Winter noch heißer. Das lag an dem großen Bollerofen, der mit Braunkohle befeuert wurde.“

Was heute undenkbar wäre, stellten vor 40 Jahren selbst die Grünen nicht in Frage. „Klütten waren damals nun mal das Heizmaterial der armen Leute“, sagt Gerd Brust (67), Ratsmitglied und umweltpolitischer Sprecher der Grünen. Er war zu dieser Zeit sogar in der Brikettfabrik Knapsack beschäftigt.

Nach der Sitzung ging es in diverse Kneipen

„Jeder durfte reden, so lange er wollte. Deshalb zogen sich die Diskussionen zwischen Fundis und Realos ewig in die Länge. Nach der Sitzung ging man in diverse Kneipen wie die ,Umleitung ’ oder zum Griechen auf der Krefelder Straße und setzte dort die Debatten fort“, erzählt Gundi Haep (58). Bei der Kommunalwahl 1984 stand sie auf Listenplatz 2 ihrer Partei. Nach dem Erfolg der Grünen zog sie mit 23 Jahren als eines der jüngsten Mitglieder in den Stadtrat ein. „Ich war Anfang der 80er-Jahre mathematisch-technische Assistentin bei Bayer und habe bei den alternativen Betriebsräten mitgemacht. Das war die Zeit, als die Chemieindustrie noch Dünnsäure in der Nordsee verklappte. Ich wollte mich politisch engagieren, und eine Freundin nahm mich mit zu den Grünen. Am 1. Mai 1982 wurde ich Mitglied. Gemeinsam mit Marianne Hürten habe ich die erste grüne Frauengruppe in Köln aufgemacht.“

Auch Manfred Waddey arbeitete damals für einen Chemiekonzern. „Bei Degussa in Wesseling, das heute Evonik heißt, war ich in der Abteilung Umweltschutz beschäftigt – sozusagen in der Höhle des Löwen. Als ich mich für die Grünen um einen Sitz im Stadtrat bewarb, war das ein Schock für meine Vorgesetzten.“ Er sei sogar Thema einer Vorstandssitzung gewesen, berichtet Waddey. „Am Ende entschieden die Chefs, nichts zu unternehmen. Ich hatte Glück. Mein Arbeitgeber hat meine ehrenamtliche Tätigkeit als Politiker unterstützt. Damit tun sich viele Firmen heute noch schwer.“

Chaotische Parteiarbeit

In den Anfangsjahren sei die Parteiarbeit ziemlich chaotisch abgelaufen, erinnert sich Waddey. „Wir hatten heftige Flügelkämpfe. Allein im linken Flügel gab es drei verschiedene Lager, die sich auch untereinander bekriegten.“ Die strikte Trennung von Amt und Mandat habe dazu geführt, „dass die Ratsfraktion irgendwann begann, Realpolitik zu machen, während sich der Parteivorstand als Hüter der reinen Lehre sah“. Wobei es einen Vorstand in dem Sinne damals gar nicht gab. Waddey: „Das Leitungsgremium der Partei nannte sich SprecherInnenrat und bestand aus 20 Leuten. Es galt das Prinzip: „Wer nichts zu sagen hat, ist selber schuld.“ Wer das größte Sitzfleisch hatte und die lauteste Stimme, der hatte die Macht.“ Auch mit der Organisation haperte es. „Als ich 1989 Kassierer wurde, stellte ich fest, dass wir zwar mehr als 600 Mitglieder hatten, aber nur 250 ihre Beiträge bezahlten“, so Waddey.

Hervorgegangen waren die Grünen aus der Umwelt- und Friedensbewegung sowie verschiedensten Gruppierungen des linken Lagers. Gerd Brust, der die Gründungsurkunde des grünen Kreisverbands Köln am 19. Dezember 1979 mitunterzeichnet hat, war vorher im Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) aktiv. „Ich bin 1977 dort ausgetreten und habe mich ab 1979 in der Kölner Alternative/Bunte Liste engagiert.“ Für die Kommunalwahl 1984 erstellte Brust in Heimarbeit die Programm-Broschüren, die natürlich auf Recyclingpapier gedruckt wurden. „Ich habe mir einen von unten beleuchteten Glastisch gebaut und die Texte und Bilder mit Prittstift auf die Seiten geklebt.“ Schon damals war soziale Ungerechtigkeit ein großes Thema. Die Grünen kritisierten etwa hohe Ausgaben für den Bau des Museum Ludwig bei gleichzeitiger Kürzung der Sozialleistungen.

Politikbetrieb aufgemischt

Der Einzug der Grünen in den Stadtrat 1984 mischte den Politikbetrieb gehörig auf. „Wir marschierten gerne mal mit den Plakaten in den Rat ein und fielen immer wieder mit Aktionen auf“, so Gundi Haep. Als für den U-Bahn-Bau auf den Ringen Bäume gefällt werden sollten, protestierten die Grünen mit einer Kettensäge im Ratssaal. Haep: „Richard Plöthner ging zum Rednerpult und warf den Motor an. Die Kette hatte er aus Sicherheitsgründen zu Hause gelassen, aber das Ding machte einen Höllenlärm. Dann brüllte er in Anspielung auf den Film »Jede Menge Kohle« von Adolf Winkelmann: „Es kommt der Tag, da will die Säge sägen.“ Oberbürgermeister Norbert Burger (SPD) verwies Plöthner des Saales.“

Gingen die regierende SPD und die CDU anfangs noch komplett auf Distanz zu den Grünen, bildeten sich später doch erste Bündnisse. Zum Beispiel bei der Alten Feuerwache. „Wir haben Ende der 80er-Jahre gemeinsam mit der CDU beschlossen, dass daraus ein Bürgerzentrum in Selbstverwaltung wird – was es bis heute ist. Die SPD hingegen wollte das Haus in städtischer Hand halten. Die waren stinksauer“, erzählt Haep. Üblicherweise hätten SPD und CDU damals alle wichtigen Beschlüsse gemeinsam gefasst. „Das lief meistens so, dass die SPD sich in der Sache durchsetzte und die CDU dafür einen Posten bekam.“

Erste Erfolge im Rat

Doch nun wirbelten die Grünen das etablierte Parteigefüge durcheinander. „Wir haben bald erste Erfolge im Rat erzielt“, betont Brust. Dazu gehöre etwa der Beschluss 1985, endgültig auf den Bau einer Stadtautobahn durch den Inneren Grüngürtel zu verzichten. Oder die Einführung eines Energiemanagements für städtische Schulen und Verwaltungsgebäude – die seitdem rund 20 Prozent weniger Energie verbrauchen.

„Viele Themen, die die Grünen angestoßen haben, sind heute topaktuell – wie Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz, Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs und Radverkehrs, Steigerung der Lebensqualität in der Stadt durch weniger Autoverkehr, Atomausstieg, aber auch die Stärkung der Rechte von Frauen und Minderheiten“, bilanziert Haep nicht ohne Stolz. „Wir haben am Ende doch einiges erreicht.“

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