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Kölner Stadtarchiv-ProzessStaatsanwalt fordert Bewährungsstrafen für drei Angeklagte

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Der Unglücksort: Am 3. März 2009 stürzte das Stadtarchiv am Waidmarkt und zwei Nachbarhäuser ein. Zwei Menschen starben unter den Trümmern.

Der Unglücksort: Am 3. März 2009 stürzte das Stadtarchiv am Waidmarkt und zwei Nachbarhäuser ein. Zwei Menschen starben unter den Trümmern.

Köln – Drei Verurteilungen mit Bewährungsstrafen und einen Freispruch hat Oberstaatsanwalt Torsten Elschenbroich am 45. Prozesstag zum Archiveinsturz in seinem Plädoyer gefordert. Von den vier Angeklagten, deren Schuld in diesem Prozess zu bemessen ist, sei allein die Bauüberwacherin der KVB frei zu sprechen – sie habe als Vorgesetze eines anderen Angeklagten zu wenige Hinweise auf dem Schreibtisch gehabt, um die tödliche Gefahr zu sehen.

Doch alle drei anderen Angeklagten – ein Bauüberwacher der KVB und zwei Bauleiter der mit dem U-Bahnbau am Waidmarkt beauftragten Firmen – hätten die entscheidende Information gehabt: Beim Bau der unterirdischen Baustelleneinfassung für ein Gleiswechselbauwerk zwischen Stadtarchiv und Friedrich-Wilhelm-Gymnasium sei ein Teil der Baukonstruktion beschädigt worden. Und diese Kenntnis habe zu Dokumentation, Kontrolle und Informationsweitergabe verpflichtet.

Aus Bauverträgen, Normen und Urteilen hatte Elschenbroich diese Pflichten herausgesucht, um die Kette von „Unterlassung, Untätigkeit und Sorglosigkeit“ auf der Baustelle bis ins kleinste zu belegen. Sieben Stunden benötigte er dazu vor der vor der 10. Großen Strafkammer und an manchen Stellen klang seine Stimme nicht nur wegen der Sprechdauer belegt und emotional betroffen.

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Etwa wenn es um die Gefahr für Leib und Leben von Arbeitern, Anwohnern, Passanten und Archivmitarbeitern ging. Diese Gefahr sei für die drei Männer schlicht absehbar gewesen. „Der Baufehler war seit 10. September 2005 zu erkennen“, betonte Elschenbroich – im März 2009 stürzte das Archiv ein.

Fehler hätte jederzeit in einer Kontrolle gefunden werden können

Für Elschenbroich ist klar, dass Polier und Baggerfahrer „vorsätzlich“ einen Teil der Baugrubensicherung, die vor allem das Grundwasser zurückhalten sollte, nicht vollständig herstellten. Sie hätten ein Hindernis nicht beseitigt und „aktiv darüber hinweggetäuscht“. Doch die beiden hätten zwei Dinge nicht vertuschen können: Die Stahlbewehrung in der Wand war um etliche Zentimeter versetzt eingebaut, und es war laut Protokoll zu wenig Beton eingefüllt worden. Jederzeit sei eine Nachprüfung möglich gewesen. Und dann wäre herausgekommen, dass auf 60 Zentimetern Breite und mehr als zwölf Metern Tiefe der Beton in der Wand fehlte.

Sand und Kies – der natürliche Boden vor dem Stadtarchiv – waren stehen geblieben waren. Den weiteren Hergang hatten die Gutachter eindeutig geklärt: Dieser Boden gab nach, als in der Baugrube die Erde so weit ausgehoben war, dass der Grundwasserdruck von außen eine Lücke in die Wand brach, wo nur der Kies war.

Das Gutachten des Hydrologen Matthias Pulsforth im Auftrag der Baufirmen nahm Elschenbroich komplett auseinander. Es basierte, wie er im Detail belegte, auf „falschen Annahmen und Spekulationen“. Den wahren Hergang verdeutlichte Elschenbroich – noch nie gesehen in einem Plädoyer – mit Bildern aus den Gutachten. Und der Bauüberwacher der KVB, der erst am 43. Verhandlungstag sein Schweigen brach?

Dem hielt Elschenbroich „Schutzbehauptungen“ zugute: „Ansonsten müsste man sich die Frage stellen, mit welchen dummdämlichen Erklärungen ein Bauleiter eine Bauüberwachung aufs Kreuz legen könnte.“ Die Pflichtverletzung des Überwachers sei klar: Wegen seiner Kenntnis der vorausgegangenen Probleme hätte er den Einbau der Bewehrung und das Betonieren kontrollieren und Bauberichte revidieren müssen. Doch das tat er nicht. So müsse er mit zehn Monaten – die Bauleiter mit einem Jahr Haft auf Bewährung bestraft werden.

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