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Serie „Häuser mit Geschichte“Das Neptunbad ist ein Juwel des Jugendstils in Köln

Lesezeit 3 Minuten
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Anziehungspunkt an der Venloer Straße in Ehrenfeld: das 1912 eröffnete Neptunbad

  • In unserer Serie „Häuser mit Historie“ stellt Anselm Weyer prägnante Gebäude vor und berichtet über Baugeschichte und Nutzungen.
  • Heute geht es um das Neptunbad in Ehrenfeld.

Köln – „Wir teilen die Ansicht des Herrn Oberbürgermeisters, welcher ein Volksbad für ,Luxus’ erklärte, durchaus nicht“, schrieb die Rheinische Zeitung im Juni 1894. „Mit Recht wird behauptet, der Kulturzustand eines Volkes, wie eines einzelnen Menschen, lasse sich an den Verbrauch von Wasser und Seife, also am Grad seiner Liebe zur Reinlichkeit bemessen.“

Nachdem 1885 mit dem Hohenstaufenbad am gleichnamigen Ring das erste Hallenschwimmbad Kölns eröffnet worden war, hielt man die Errichtung weiterer Anstalten für sinnvoll – speziell im 1888 eingemeindeten Ehrenfeld. In der industriell geprägten Gegend, deren Einwohnerzahl von 16 344 im Jahr 1880 auf 62 000 im Jahr 1910 stieg, waren private Badezimmer um die Jahrhundertwende nicht die Regel, so dass das Neptunbad primär zur Körperpflege dienen sollte. „Gerade in letzter Zeit wird die Notwendigkeit, in den Großstädten für ausreichende Badegelegenheit zu sorgen, besonders von ärztlicher Seite betont“, hatte entsprechend ein Leserbrief an den Localanzeiger im Juli 1899 gemahnt. Der Bau drohte sich trotz reserviertem Grundstück zu verzögern.

Jugendstil dominiert den Gesamteindruck

Am 10. April 1912 öffnete das von Johannes Baptist Kleefisch konzipierte Neptunbad, ein freistehender Putzbau mit Werksteinsockel und Erkern, dessen Bestimmungszwecke nicht nur am großen Schriftzug auf der Eingangsfassade, sondern auch in der historistischen Werksteingliederung des Portals ablesbar ist, die Meerestiere darstellt. Abgesehen von den hervorragenden Erkerfenstern und dem Rundbogen des mittleren Portalbereichs dominiert der Jugendstil mit gerader Linienführung und modernen Glaskonstruktionen, gipfelnd in Glaskuppeln. Drinnen erwartete die Besucher laut zeitgenössischem Bericht „ein Schwimmbad von 21 mal 9,50 Metern sowie 30 Wannenbäder mit Einrichtung zur Abgabe von Kohlensäure, Sauerstoff, Schaum und sonstigen medizinischen Bädern“. Daneben: 25 Brausebäder, ein römisch-irisches Bad mit 20 Ruhebetten, vier elektrische Volllichtbäder, ein elektrisches Wasserbad, elektrische Teillichtbäder für verschiedene Verwendungszwecke, Massageeinrichtungen und anderes mehr.

Diesen Luxus konnte die normale Bevölkerung zunächst nur zwei Monate, bis zum 7. Juni 1912, 17.30 Uhr genießen, als sich ein Unglück ereignete: „Mit lautem Getöse ist die Betondecke eingestürzt, wobei ein 16-jähriger Obersekundaner erschlagen, zwei weitere Schüler schwer und etwa sechs andere leicht verletzt worden sind“, berichtet die Presse. „Bei dem Umfange der Katastrophe kann man wohl von einem Wunder sprechen, dass die übrigen Badenden mit dem Leben und ohne Verletzungen davongekommen sind.“ Die bis auf das hintere westliche Viertel vollständig eingestürzte Konstruktion stand zuvor schon anderthalb Jahre, „eine mehrere Zentimeter starke Betondecke, die sich eigentlich selbst tragen sollte, die aber zur größeren Sicherheit noch von einem Netz von fingerdicken Drähten gehalten wurde“.

www.neptunbad.de

Dass sich die folgende Untersuchung bis 1916 hinzog, erklärte die Rheinische Zeitung mit „der Vielzahl an Sachverständigen, die bei dieser neuen Bauweise notwendig sei: Zuerst handelte es sich darum festzustellen, ob der Architekt verantwortlich gemacht werden kann für eine Anlage, die von einer Betonbaufirma hergestellt worden ist. Während der Erste Weltkrieg die Badeanstalt zwischenzeitlich zur Lagerhalle für Lebensmittel umfunktionierte, endete der Prozess 1916 mit einem Freispruch aller Beteiligten.

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Nach einer kurzen Hochphase zwischen den Kriegen, verkam das Neptunbad, obwohl von Bomben relativ verschont, in der Nachkriegszeit, weil die Mittel für die Aufrechterhaltung des Badebetriebs knapp waren. Wegen Renovierungsstau und einem indiskutablen Zustand konnten schließlich nur noch Vereine das ab 1979 unter Denkmalschutz stehende Neptunbad nutzen, das 1994 schließlich stillgelegt wurde. Renovierungsstau bedeutet jedoch auch meist, dass die Innenausstattung irgendwann alt genug ist, um historischen Wert zu haben. So fand sich ein Investor, der das innen kaum angetastete Bad mit seiner 13 Meter hohen, mit Blattgold verzierten Badehalle und den handsignierten Wandkacheln von Villeroy & Boch restaurierte und 2002 neu eröffnete. Heute befinden sich dort vielfältige Fitness- und Spa-Angebote. Im früheren Bad stehen Fitnessgeräte zur Verfügung, im Kaiserbad lässt sich baden im Jugendstil-Ambiente, Wellnessfreunden stehen sieben Sauna-Bereiche zur Verfügung.

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