Kölns Stadtdirektorin im Interview„Haben gegen Corona nicht mehr viel in der Hand“

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Kölns Stadtdirektorin Andrea Blome

  • Vor einer Woche hat die Stadt die Kontaktnachverfolgung eingestellt.
  • Mit Andrea Blome, Stadtdirektorin und Leiterin des Krisenstabs, sprach Simon Westphal über die Auswirkungen, die Impfkampagne und „Montagsspaziergänge“.

Köln – Lange war die Stadt stolz darauf, den bisherigen Kurs bei der Kontaktnachverfolgung in jeder Lage fortzusetzen. Seit einer Woche ist die Verfolgung weitestgehend eingestellt. Gab es bei diesem Thema große Meinungsverschiedenheiten im Krisenstab?

Der Krisenstab ist ja kein Forum, in dem man Meinungsverschiedenheiten austauscht. Wir mussten uns dem Unvermeidlichen fügen. Wenn die Zahlen so hoch sind, dass wir die Kontaktverfolgung nicht mehr machen können, dann bleibt uns nichts anderes übrig. Es war einfach nicht mehr zu leisten, nicht nur in Köln. Deswegen hat das Land die Test- und Quarantäneordnung ja auch angepasst. Und das ist für uns der Handlungsleitfaden.

Das Gesundheitsamt hing bei der Kontaktierung der Index- und Kontaktpersonen schon lange zurück. Hätte der Schritt nicht schon früher kommen müssen?

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Die neue Verordnung des Landes gilt ja erst seit dem 20. Januar. Vorher hätten wir gar nicht anders handeln können. Wir haben bis vor kurzem gesagt, wir geben das nicht auf, weil wir das für total wichtig halten, mit den Infizierten in Kontakt zu bleiben. Aber wir haben ja auch jetzt noch Kontakt zu Infizierten, wenn sie über 70 sind oder wenn sie Vorerkrankungen haben oder wenn sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert und sie das in ihr digitales Symptomtagebuch eintragen.

Gute Betreuung ist wichtig

Wenn die Kontaktnachverfolgung wegfällt – was haben wir neben den Impfungen nun noch gegen das Virus in der Hand?

Ehrlicherweise muss man sagen, dass wir gegen das Virus mit der hochansteckenden Variante nicht mehr allzu viel in der Hand haben. Was wir noch haben, ist der Kontakt zu den Schwächsten. Diese Menschen müssen gut betreut werden, damit sie nicht im Krankenhaus oder auf der Intensivstation landen. Das behalten wir im Auge.

Dadurch, dass nicht mehr alle Index- und Kontaktpersonen telefonisch kontaktiert werden, müsste ja eigentlich Zeit für andere Dinge sein. Positive Tests werden derzeit aber immer noch nicht tagesaktuell an das Landeszentrum Gesundheit NRW (LZG) gemeldet.

Die Inzidenzmeldung ist mit sehr vielen technischen Tücken verbunden, die wir ja auch schon kommuniziert haben. Die Software des RKI schafft pro Tag nur eine gewisse Anzahl an Meldungen. Diese übersteigen wir in Köln aber derzeit. Die Meldung hat ja keinen Selbstzweck, sondern soll ein Bild über die Lage verschaffen. Die Inzidenz ist dazu nur ein Element. Das andere ist vor allem die Lage auf den Intensivstationen.

Ist es trotzdem das Ziel, Indexfälle wieder tagesaktuell zu melden?

In den früheren Corona-Verordnungen war zum Beispiel die Öffnung der Gastronomie an die Inzidenzen gebunden. So ein Stufenkonzept haben wir nun nicht mehr. Tagesaktuell ist die Inzidenz also nicht ganz so wichtig. Viel wichtiger als der genaue Wert, ist ja zu sehen, wo die Entwicklung hingeht.  Und wichtiger, als jeden Fall aktuell zu übermitteln, ist der Schutz der Gesundheit, also die Kontaktierung der vulnerablen Gruppen. Das hat oberste Priorität. Trotzdem versuchen wir natürlich, aktuell zu melden. Derzeit klappt das aber nicht.

Dazu kommt die Dunkelziffer bei den Infizierten. Wie hoch schätzen Sie die ein?

Dadurch, dass die Symptome auch die einer leichten Erkältung sein können, könnte ich mir vorstellen, dass viele das unterschätzen und sich nicht testen lassen. Um wie viele Menschen es da geht, kann ich nicht seriös einschätzen. Ich kann aber nur jedem und jeder raten, von den zahlreichen Testangeboten Gebrauch zu machen.

Die Impfnachfrage hat zuletzt stark nachgelassen. Was muss die Stadt tun, um noch mehr Menschen von einer Impfung zu überzeugen?

Wir leisten natürlich weiter Aufklärungsarbeit, machen Werbekampagnen, bieten die mobilen Impfaktionen oder Impfungen mit Event-Charakter zum Beispiel am Flughafen an. Wir haben eine stadtinterne Arbeitsgruppe, die sich mit der Erhöhung der Impfquote beschäftigt. Wir sind da schon sehr aktiv. Trotzdem hat die Nachfrage aktuell stark abgenommen.

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Wie läuft die Suche nach einem neuen festen Impfzentrum?

Wir sind weiterhin dran. Wir haben eine Standortrecherche gemacht und haben einige Möglichkeiten ausgewählt. Konkretes kann ich dazu noch nicht sagen, aber ich gehe weiterhin davon aus, dass wir ein neues Impfangebot machen werden. Es gibt ja auch Experten, die mit einer neuen Mutante im Herbst rechnen. Dann geht das ganze wieder von vorne los.

Haben Sie Angst vor so einer Mutante?

Angst wäre jetzt nicht das richtige Wort, aber da habe ich höchsten Respekt vor. Das wäre die nächste Herausforderung für die Durchhaltefähigkeit der Systeme.

Jede Woche wird die Zahl der „Montagsspaziergänger“ größer. Was macht das mit Ihnen, wenn Sie das sehen?

Das macht mir zu schaffen. Ich halte das für extrem unsolidarisch. Die Öffnung nach dem Lockdown ist ja den Geimpften zu verdanken. Und jetzt gibt es diese Menschen, die von der Bereitwilligkeit der Geimpften profitieren und sich trotzdem dagegen stellen. Dafür habe ich kein Verständnis.

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