Kommunale StreitigkeitenKöln – asozial gegenüber dem Umland?

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Gewitterwolken ziehen aus Richtung Westen auf.

  • Zwischen den Städten des westlichen Speckgürtels und der Domstadt ist Schluss mit Friede, Freude, Eierkuchen.
  • Kontroversen Projekte der Stadt Köln machen schlechte Stimmung, vor allem in Frechen und Hürth.
  • Oder liegt es vielleicht doch an etwas anderem?

Köln – „Wenn sich die Igel küssen, dann müssen, müssen, müssen sie ganz, ganz fein behutsam sein.“ So singen es Kinder Land auf und Land ab. Auch in den Kindergärten des Rhein-Erft-Kreises und der Stadt Köln. Doch dort bleibt zu hoffen, die Kleinen richten ihren Blick auf der Suche nach Beispielen nach unten. Ins Laub. Dort wo die Igel wohnen. Denn würden sie nach oben schauen, zu den Rathäusern, dort wo ihre Stadtvorderen „wohnen“, könnte der pädagogische Ansatz des Liedchens schnell verpuffen.

Zwischen den Städten des westlichen Speckgürtels und der Domstadt ist nämlich Schluss mit Küssen und Behutsamkeit. Um bei den Igeln zu bleiben: Man rennt sich gerade die Köpfe ein und treibt sich die Stacheln ins Fleisch. Schwierig war das Verhältnis immer schon. Doch bisher wurde darüber gequält hinweggelächelt. Jetzt aber ist Bambule.

Schlechte Stimmung aus Richtung Frechen und Hürth

„Asozial“. Geschrieben haben das böse Wort Frechens Bürgermeisterin Susanne Stupp und ihr Kollege aus Hürth, Dirk Breuer. Es stand in einem Brandbrief zum Verhalten der Stadt Köln den Nachbarstädten gegenüber. Adressiert an die eigenen Leute. Lanciert an die Öffentlichkeit. Beide sind keine politischen Hasardeure. Breuer: rheinischer Singsang, in sich selbst ruhend. Stupp: elegantes Auftreten, sogar in Köln geboren.

Doch der Stachel saß so tief, da musste der Aufschrei kommen. Der erste Piks: Die Pläne der Stadt Köln, den Großmarkt direkt an die Stadtgrenze zu verlegen. Ein Stückchen tiefer drang der Stachel vor, als publik wurde, Köln wird eine Pförtnerampel in Weiden installieren, um Pendler zurückzuhalten. Mit Stupp und Breuer hat darüber keiner geredet. Die haben es aus der Zeitung erfahren. Bis ins Mark reichte der Stachel dann, als Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker öffentlichkeitswirksam darüber sinnierte, ob das Trainingsgelände des 1. FC Köln nicht besser in Marsdorf neu gebaut statt im Grüngürtel ausgedehnt werden sollte. Stupp und Breuer griffen zum Stift.

„Dom wirft einen langen Schatten“

Eine unglückliche Häufung von kontroversen Projekten im Einzugsbereich dieser beiden Städte? Mit den anderen Anrainern im Westen läuft es doch bestimmt besser, oder?

In den Augen eines hohen Beamten blitzt es auf. Seinen Namen will er nicht lesen. Sonst kann er nur diplomatische Floskeln liefern. „Das ist das Kirchturmdenken der Stadt Köln. Und der Dom wirft einen langen Schatten“, sagt er. Ja, es gebe interkommunale Arbeitskreise. „Feigenblatt“, nennt er die. „Immer mal wieder kommt da auch Frau Reker hin, hält eine Balkonrede, wie wichtig doch das Miteinander sei. „Handeln tun die dann ganz anders“, sagt er mit einem Kopfnicken in Richtung Köln. Er erinnert sich daran, als der Rat der Stadt Köln die Verwaltung damit beauftragte, mal im Umland nachzufragen, ob es dort Alternativstandorte für den Großmarkt gibt. „Da ist keiner vorbeigekommen. Angerufen haben die. Und es war deutlich herauszuhören, dass gar kein wirkliches Interesse besteht.“ Arrogant, von oben herab, so sei der Ton grundsätzlich.

Blutgrätsche der Kölner

Und dann gab es da dieses große Unternehmen, das aus Köln wegziehen wollte. Am alten Standort wurde es zu eng. Die Verträge seien schon unterschriftsreif gewesen. Der Umzug sollte auch dadurch finanziert werden, dass auf dem firmeneigenen Gelände im Kölner Süden Wohnbebauung entsteht. Dann die Blutgrätsche der Kölner: „Die haben eiskalt durchblicken lassen, dass es mit einer Wohnbebauung nichts wird. Höchstens eine grüne Wiese sei drin.“ Da war es Essig mit dem Umzug. „Und das bei der Wohnungsnot in Köln“, zischt der Beamte durch die Zähne.

Auf der anderen Seite der Demarkationslinie. Im Rathaus der Domstadt. Nein, Frau Reker werde sich nicht äußern zu dem Brief an die „Asozialen“. Der sei ja auch gar nicht an sie adressiert gewesen, sagt eine Sprecherin. Auch das Argument, dass es nicht um diesen Brief im Besonderen, sondern um das Verhältnis zum Umland im Allgemeinen gehe, verfängt nicht. Man werde nachhören, ob die OB dazu etwas sagen möchte. Möchte sie nicht. Es gibt keinen Rückruf. Macht aber auch nichts. Es sprudelt ja schon aus der Sprecherin heraus. „Mein Traumberuf ist Kämmerer in einer Umlandgemeinde. Da kann ich die Füße auf den Tisch legen und das Geld zählen. Ich muss nur Firmen aus Köln mit meinen günstigen Konditionen locken. Denen geht es doch blendend da drüben.“

Kommunale Neugliederung als Lösung?

Noch ein bisschen deftiger gefällig? Andreas Hupke ist Bürgermeister des Kölner Innenstadtbezirks. Ein politisches Enfant terrible. Der Grüne kann zu fast jedem Thema etwas sagen. Und zumeist sagt er das, was andere höchstens denken. „Ausgesaugt wird Köln vom Umland. Sorgenfrei die Oper nutzen und den Ärger damit haben wir. Die Linie 18 schicken wir da raus. Die müssten doch Abgaben zahlen.“ Ach was Abgaben. Hupke hat die Generallösung, um das „ruinöse Miteinander“ zu beenden. „Wir brauchen eine faire kommunale Neugliederung.“ Meint er etwa Eingemeindung? „Genau.“

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Dirk Breuer atmet tief ein und langsam wieder aus. „Wir zahlen für jeden Kilometer der Linie 18 – und das nicht zu knapp“, sagt der Hürther Bürgermeister ruhig. „Wir zahlen auch Eintritt in der Oper und finanzieren sie so mit. Und ja, wir kompensieren die Wohnungsnot, die in Köln herrscht.“ Bis zu 50 Prozent sei der Anteil der Kölner Familien, die in Hürther Baugebieten Häuser kaufen. Und dann das mit den Kämmerern, die die Füße hochlegen können: „In Hürth hat die Stadt Köln Grundbesitz. Die Fläche ist zum Wohnungsbau ungeeignet. Wir würden dort gerne Gewerbe ansiedeln. Doch das Land wird uns dafür nicht verkauft. Das sei nicht im Entwicklungsinteresse der Stadt Köln, heißt es offiziell.“ Mehr will Breuer nicht sagen, sonst helfen auch die Atemübungen nicht mehr.

Bessere Stimmung in Richtung Osten

Das alles erinnert mehr an das Verhältnis zwischen Baskenland und Madrid, als an die so oft beschworene interkommunale Zusammenarbeit. Ist denn nirgends Frieden im Land? Doch. Im Osten. „Eng und stabil ist die Zusammenarbeit mit der Stadt Köln“, sagt Stephan Santelmann, Landrat des Rheinisch-Bergischen Kreis. Von „Augenhöhe“ spricht auch Lutz Urbach, Bürgermeister in Bergisch Gladbach. „Ich mache eine positive Entwicklung aus“, sagt er. Sie gehe langsam zu Ende, die Kölner Selbstbesoffenheit. Warum es im Osten so viel friedlicher ist als im Westen? „Das hat schon auch etwas mit der Topografie zu tun“, sagt der Verwaltungschef. „Im Bergischen ist die Flächenverfügbarkeit nicht so gegeben.“

Oder liegt es vielleicht doch an etwas anderem? Santelmann leitete einst das Sozialamt in Köln. Urbach arbeitete lange Jahre in der Personalverwaltung der Stadt Köln. Wenn die Igelmutter mit ihren Kindern schmust, legt sie die Stacheln an.

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