Abo

Kontrolliertes FeiernAlle Fragen und Antworten zu Karneval in Corona-Zeiten

Lesezeit 6 Minuten
Neuer Inhalt

Prinz Marc I. bei der Polizeisitzung 2019.

  • Was passiert am Elften im Elften? Und an Rosenmontag?
  • In Zeiten der Pandemie erfindet sich der Karneval neu. Ein Überblick.

Köln – In sieben Wochen startet die neue Karnevalssession. Ohne große Sitzungen, ohne Partys und ohne Karnevalszüge – das hat der Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei vorigen Freitag verkündet. Nur einen Tag später haben die Verantwortlichen der Karnevalshochburgen Köln, Aachen, Bonn und Düsseldorf erste Einblicke in ihre Alternativplanungen gegeben. Wir beantworten die wichtigsten Fragen:

Wie wird der Start in die Session am 11.11. gefeiert?

Bei Geburtstagen würde es heißen: Im kleinen Rahmen. Auf die großen Feierlichkeiten im Tanzbrunnen und auf dem Heumarkt wird dieses Jahr verzichtet. Die Willi-Ostermann-Gesellschaft, die sonst das Fest auf dem Heumarkt ausrichtet, hatte zwischenzeitlich eine Rückkehr zum Ostermann-Brunnen geplant, um dort wie in alten Zeiten den Start in die Karnevalszeit zu zelebrieren. Doch nach Gesprächen mit Stadt und Festkomitee haben die Verantwortlichen die Notbremse gezogen (siehe Interview). Nun wird in der Wagenbauhalle des Festkomitees der Countdown gezählt – ganz ohne Publikum. Nur fürs Fernsehen. Mit einer Plakatkampagne soll an die Menschen appelliert werden, an diesem Tag zu Hause zu feiern.

„Bleibt zu Hause“

Es gab viele Ideen für einen kleinen Start in die Karnevalssession. Jetzt ziehen sie sich in die Wagenbauhalle zurück. Die einzige Lösung?

Alles zum Thema Bläck Fööss

Die Sessionseröffnung auf dem Heumarkt ist die zentrale Veranstaltung an diesem Tag und kann konsequenterweise dort nicht stattfinden. Aber mit der Sessionseröffnung ist es wie mit dem Karneval insgesamt: Man kann sie nicht absagen. Der WDR trägt dieses Konzept mit und wird fünfeinhalb Stunden live berichten.

Was nicht heißt, dass am Elften im Elften niemand in die Altstadt kommen wird.

Nein, aber ich betone ganz klar: Wer den Karneval liebt, bleibt am 11.11. zu Hause. Dank der Übertragung kommen wir zu den Menschen. Das ist absolut ernst gemeint. Feiert mit Freunden oder Arbeitskollegen. Es gab in den vergangenen Jahren schon den Runden Tisch mit Vertretern der Stadt, des Karnevals, Saalbetreibern und Gastronomen. Das wird jetzt fortgesetzt werden müssen. An diesem Tag wird das sicherlich nur mit Alkohol- und Verweilverboten funktionieren.

Sie und ihr Team arbeiten ehrenamtlich. Wie viel Aufwand steckt da dieses Mal drin?

Das war schon irre. Der Heumarkt ist eine ständige Übung für uns, da war alles durchgeplant. Dann sind wir zum Ostermann-Brunnen ausgewichen und haben hierfür alles geplant. Nach Gesprächen mit der Stadtspitze und dem Festkomitee steht nun seit knapp zwei Wochen fest, dass wir mit der Veranstaltung in die Wagenbauhalle des Festkomitees gehen.

Corona verändert das Erscheinungsbild des Karnevals. Was ändert sich an der Sessionseröffnung?

Es wird eine extrem gefühlvolle Geschichte werden, da bin ich mir sicher. Im Grunde ist diese Situation auch eine Chance. Wir bestimmen den roten Faden und geben die Inhalte vor, natürlich sprechen wir mit dem WDR, Festkomitee und den Künstlern.

Wie viele Bands bekommen einen Auftritt?

Ich möchte nichts an unserem Ziel ändern, möglichst vielen Künstlern eine Auftrittschance zu bieten. Diese Veranstaltung verstehe ich als solidarischen Akt. Es ist mir eine Herzensangelegenheit, das ganze musikalische Spektrum zu zeigen.

Interview: Thorsten Moeck

Gibt es einen Rosenmontagszug?

Nein, zu dieser Entscheidung haben sich die Verantwortlichen nach langer Überlegung durchgerungen. Es gab nach Rundschau-Informationen mehrere Gedankenspiele, unter anderem einen kurzen Zug, der – ähnlich wie beim Karneval in Rio – ausschließlich zwischen Tribünen hindurchgeht. Doch dies wäre ein teures Vergnügen geworden. Und in Köln wollten sie nicht die einzige deutsche Stadt sein, in der Rosenmontag ein Zug geht. Im Festkomitee heißt es, man werde stattdessen ein Fest feiern, um den Tag angemessen zu begehen. Auf jeden Fall sollen Persiflagewagen gebaut werden, die Zahl steht noch nicht fest. Wie und wo die Wagen zu sehen sein werden, ist ebenfalls noch ungewiss.

Kölnkongress wartet auf Hygienevorgaben

Rund 115 Sitzungen waren in den Sälen von Kölnkongress geplant – dazu gehören Gürzenich, Flora, Theater im Tanzbrunnen und der Kristallsaal der Messe. „Wir sind seit Monaten in Gesprächen. Nun werden wir alle Karnevalsvereine anschreiben und über neue Konzepte sprechen“, sagte Bernhard Conin, Chef von Kölnkongress.

Konzepte für die Bestuhlung der einzelnen Säle liegen bereits in der Schublade. Nun warten die Verantwortlichen auf die Inhalte einer Landesverordnung. Unklar ist noch, was als „gesellige“ Veranstaltung gilt und was nicht. Im Gürzenich könnten Stuhlreihen mit gewissem Abstand aufgestellt werden, dann böte sich nach Angaben von Conin immer noch Platz für rund 850 Gäste. Stellt man 10er-Tische auf, passen etwa 550 Menschen in den Saal.

An diesem Montag trift sich die Geschäftsleitung mit den Bereichsleitern, um  die einzelnen Optionen für die jeweiligen Säle durchzusprechen. „Wirtschaftlich ist das nicht vergleichbar mit der sonstigen Auslastung“, weiß Conin.

Mit Zurückhaltung reagieren viele Menschen auf Großveranstaltungen, diese Erfahrung hat Kölnkongress zuletzt bei den Konzerten im Tanzbrunnen gemacht. Von 28 Konzerten seien drei ausverkauft gewesen, obwohl die Maximalkapazität bei rund 2000 Besuchern lag. „Die Menschen sind sehr vorsichtig“, sagt Conin. In der Lanxess-Arena sind die Erfahrungen ähnlich. Selbst das Jubiläumskonzert der Bläck Fööss war dort nicht ausverkauft. (tho)

Wann wird das Dreigestirn vorgestellt?

Noch mehr als einen Monat lang werden sich die Jecken gedulden müssen, denn erst Ende Oktober, also nach den Herbstferien, will das Festkomitee die Tollitäten der Corona-Session vorstellen. Das Kinderdreigestirn soll erst Anfang November präsentiert werden.

Darf in den Sälen geschunkelt werden?

Ja, durchaus. Zumindest mit den Menschen, die bei den jetzt geplanten Veranstaltungen am Tisch neben einem sitzen. Viele Vereine planen nun „karnevalistische Kulturveranstaltungen“ mit bis zu 300 Besuchern. Auch Konzerte sind möglich.

Warum kam die Absage der Sitzungen so spät?

Das Kölner Festkomitee hat bewusst die Kommunalwahl abgewartet. „Der Zeitpunkt war richtig, auch wenn der Druck kaum auszuhalten war. Aber wir wollten verhindern, dass der Karneval zum Wahlkampfthema wird“, begründete Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn die Entscheidung. In den vergangenen Wochen hatten andere Festausschüsse in der Region bereits den Verzicht auf Karneval verkündet. In Köln hatten die Organisatoren bereits die Vorortszüge in Zollstock, Ehrenfeld und der Südstadt abgesagt. Kuckelkorn ist froh, überhaupt in die Staatskanzlei eingeladen worden zu sein. Ein Umstand, der seiner Ansicht nach viel mit der Ernennung des Karnevals zum immateriellen Kulturerbe zu tun hat.

Das könnte Sie auch interessieren:

Welche Möglichkeiten bieten sich jetzt?

Klar ist, dass kein Traditionskorps mit 100 Mann und Musikzug auf irgendeine Bühne ziehen wird. Auch die Größe von Tanzgruppen muss nun neu definiert werden. „Wir wollen in kleinen Veranstaltungen das Herz des Fastelovends rausarbeiten“, fordert Kuckelkorn. Marlies Stockhorst, Präsidentin des Festausschuss Bonner Karneval, rechnet mit einer verstärkten „Rückkehr zum gesprochenen Wort“ und einer großen Nachfrage nach Büttenrednern.

Welche finanziellen Auswirkungen gibt es?

Viele Veranstaltungen fallen aus, die Vereine werden viel weniger Karten verkaufen. Das Land hat seinen 50 Millionen-Fördertopf für Kultur und Brauchtum eingerichtet, für den eigentlich nur bis Ende Oktober Anträge gestellt werden konnten. Nun wurde die Frist bis März verlängert, und auch Karnevalsvereine können Hilfe beantragen. Der Ausfall vieler Veranstaltungen hat aber noch einen anderen Aspekt. Im Kölner Karneval werden normalerweise jedes Jahr rund zwei Millionen Euro für wohltätige Zwecke gespendet – viele Spenden wurden bei Sitzungen gesammelt. Nun fehlen auch Spendengelder, die manche Organisationen in ihrem Budget fest eingeplant haben. Auch hierfür soll es Unterstützung geben.

Rundschau abonnieren