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Kritik an der StadtClubs und Spielstätten in Köln kämpfen um ihre Existenz

Lesezeit 5 Minuten
Gloria

Das Gloria in Köln

  • In der Corona-Krise kämpfen Clubs und Spielstätten in Köln seit Wochen ums Überleben.
  • Dazu zählt auch das Gloria Theater, das es aus eigener Kraft nicht durch die Krise schaffen wird.
  • Eine dauerhafte Förderung bekommt das Gloria nicht. Von der Stadt wünschen sich die Betreiber jedoch einen Ansprechpartner.
  • Es geht nicht nur darum, einzelne Häuser zu retten, sondern ein ganzes System aus Clubs und Spielstätten.

Köln – Der rote Samt an den Wänden weckt Erinnerungen. Wer im Gloria-Theater ein Konzert erlebt hat, der vergisst es nicht so schnell und will immer wieder hin. Vor der Bühne stehen die Zuschauer dicht an dicht gedrängt. Die beste Aussicht gibt es weiter hinten in Richtung Theke, drei, vier Stufen höher. Jeder der dabei ist, egal ob vorne oder hinten, ist mittendrin. Künstler, die bereits auf der Bühne standen, schwärmen von diesem außergewöhnlichen Hexenkessel. Für viele von ihnen ist das Gloria wie ein zweites Wohnzimmer.

Ein Wohnzimmer, das es aus eigener Kraft nicht durch die Krise schaffen wird. Eine Institution auf der Apostelnstraße, die seit über 63 Jahren besteht und einfach so verschwinden würde. Claudia Wedell und Michael Zscharnack betreiben das Gloria und kämpfen dafür, dass dieses Szenario nicht eintrifft. So wie viele andere Clubs und Live-Spielstätten in der Stadt.

Gloria: 300.000 Menschen schauen sich Spot an

Ein kleiner Erfolg ist dem Team bereits gelungen. Den Spot mit dem Titel „Damit es nicht still bleibt“ haben bereits 300.000 Menschen gesehen. Darin beziehen Künstler Stellung, die bereits im Gloria gespielt haben. Carolin Kebekus oder Luke Mockridge sind unter anderem dabei. Sowas erzeugt Aufmerksamkeit. Was alle im Video von der Politik fordern, ist eine Perspektive. Für eine Branche, die als erste von der Corona-Pandemie betroffen war – und vermutlich auch am längsten.

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Denn niemand kann sagen, wie lange Veranstaltungsstätten wie das Gloria noch geschlossen bleiben. Claudia Wedell kennt Kollegen, die diese Ungewissheit nicht mehr aushalten. „Vielen geht die Kraft langsam aus“, sagt sie. Das Risiko, alle Rücklagen aufzubrauchen und dann doch nicht öffnen zu können, ist für viele zu groß. „Wenn es in den kommenden anderthalb Monaten keine deutliche Finanzspritze gibt, müssen auch wir gravierende Entscheidungen treffen“, sagt Zscharnack.

Die bisherige finanzielle Unterstützung reicht nicht

Die Soforthilfe kam zwar schnell an, doch 25.000 Euro helfen nicht lange. Weitere Mittel kamen aus dem Nothilfefond der Stadt Köln, bei dem der Interessensverband Klubkomm für die Kölner Live-Spielstätten beratend tätig war. Ein zweiter soll im Herbst folgen. Das Konjunkturpaket der Bundesregierung und auch das Neustart-Paket für die Kultur könnten ebenfalls helfen. Angekommen ist von dem Geld jedoch noch nichts.

Das Gloria hat ein Team von gut 70 Mitarbeitern, ein Großteil befindet sich in Kurzarbeit. Die vier Auszubildenden lernen direkt zum Start ins Berufsleben, was Krisen-Management bedeutet. Ein Teil der Miete wird gestundet, genau wie Stromkosten und Steuern. Der Schuldenberg wächst unaufhaltsam, Einnahmen aus den vergangenen Monaten gibt es nicht. Dauerhafte Förderungen bekommt das Gloria nicht.

„Zum einen würden wir uns freuen, wenn die Stadt Köln sagen würde: Das Gloria ist förderungswürdig“, sagt Wedell. „Auf der anderen Seite sind wir auch stolz darauf, das Gloria wirtschaftlich auf solide Beine gestellt zu haben.“

Club „JAKI“: Im September könnte Schluss sein

Doch selbst Spielstätten, die dauerhaft gefördert werden, sind durch Corona in eine existenzielle Notlage geraten. Der Stadtgarten und der dazugehörige Club „JAKI“, in denen im vergangenen Jahr 330 Veranstaltungen mit 750.000 Zuschauern stattfanden, gehören ebenfalls dazu. „Wenn wir keine zusätzlichen Hilfen erhalten, ist es gut möglich, dass wir ab September unser kulturelles Programm einstellen müssen“, sagt Gregor Polzin, Leiter des Konzertbüros.

Der Stadtgarten wird als „Europäisches Zentrum für Jazz und aktuelle Musik“ von Stadt und Land institutionell gefördert. Selbst das reiche nicht, um ohne weitere Unterstützung durch die Krise zu kommen, sagt Polzin. Der Verein beschäftigt zwölf Mitarbeiter, einige davon befinden sich noch in Kurzarbeit. Dazu kommen rund 30 bis 40 Honorarkräfte, die ebenfalls ohne Arbeit sind.

Der Stadtgarten existiert seit mehr als 30 Jahren und genießt weit über die Stadtgrenzen hinaus ein großes Ansehen. „Für viele Konzerte reisen Gäste von weit her an“, sagt Pressesprecher Maik Ollhoff. Anders als im Gloria gibt es im Stadtgarten bereits wieder Konzerte. Im Außenbereich entstand schon Mitte Mai der sogenannte Green Room, in dem von Donnerstag bis Sonntag musikalische Abende mit bis zu 100 Gästen stattfinden. Donnerstags spielen dort beispielsweise aufstrebende Künstler aus dem Exzellenz-Förderprogramm „Nica“, sonntags gibt es Jazzmusik. Auch die Außengastronomie hat mit neuem Konzept wieder geöffnet.

Köln: Im Gloria soll es bald weitergehen

Auch im Gloria soll es bald weitergehen. Ein Hygiene- und Sicherheitskonzept ist in Arbeit. Klar ist aber: Selbst wenn wieder 200 Leute bei einer Veranstaltung dabei sein dürften, selbst wenn es auf diese Weise jeden Abend Programm geben würde – am Ende würde das Theater damit Verlust machen. „Den ganzen Apparat wieder hochzufahren, ist extrem aufwendig“, sagt Claudia Wedell. Trotzdem sei es wichtig, möglichst schnell in die Häuser zurückzukehren, wenn es das Virus zulässt. Denn was mit einer Stadt ohne solche Angebote passiert, zeigen auch die vielen Partyzonen in der Stadt, etwa auf der Zülpicher Straße oder am Stadtgarten.

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Neben einer langfristigen finanziellen Unterstützung fordern die Betreiber des Gloria einen konkreten Ansprechpartner für alle Belange bei der Stadt. Mit einem solchen Ansprechpartner könnten gemeinsame Lösungen gefunden werden. Wie ein Teil einer solchen Lösung aussehen kann, zeigt die Summer Stage im Jugendpark. Der Ort bietet allen Veranstaltern und Künstlern eine Bühne, die sie bespielen können.

Es geht darum, ein ganzes System zu retten

Es geht nicht nur darum, einzelne Häuser zu retten, sondern ein ganzes System aus Clubs und Spielstätten. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist ein wichtiger Wirtschafts- und Standortfaktor in Köln, sagt zum Beispiel die Industrie- und Handelskammer (IHK). Die Stadt ist stolz auf die Vielfalt ihrer Kulturszene und benutzt diese gerne auch mal für Image-Kampagnen. Es geht dazu um ein System, in dem alles ineinander greift. Wenn die Nachfrage für ein Konzert im Gloria höher als erwartet ist, wird es schon mal ins E-Werk verlegt. Von dort aus kann es ins Palladium gehen. Das gleiche funktioniert auch in die andere Richtung.

Zu diesem System gehören nicht nur die Spielstätten, sondern auch die vielen Solo-Selbstständigen. Einige denken bereits über einen Berufswechsel nach. „Wenn es dazu kommt und wir irgendwann wieder öffnen, haben wir vielleicht keine Techniker mehr“, sagt Zscharnack.

Über 30 Schreiben haben die Betreiber bereits an die Politik gerichtet, zurück kam kaum etwas. Claudia Wedell und Michael Zscharnack werden weiter kämpfen. So wie viele andere Club-Betreiber. Sie kämpfen für ein Stück ihres Herzens, in vielen Fällen für ihr Lebenswerk. Ohne weitere Unterstützung von der Politik werden sie diesen Kampf verlieren. Und die Uhr tickt.

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