KVB in KostenfalleWeniger Fahrgäste, 9-Euro-Ticket und mehr – Wer soll das bezahlen?

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Passagiere der KVB am Neumarkt

Passagiere der KVB am Neumarkt

Köln – Als Geschäftsmann möchte man wohl lieber nicht für die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) gerade stehen müssen. Nicht weniger als das Rückgrat der Verkehrswende in Köln soll der Betrieb sein. Dafür muss aber die Flotte modernisiert, die Infrastruktur ausgebaut und der Service verbessert werden.

Dabei leidet die KVB immer noch massiv an den Folgen der Corona-Pandemie. Ganz zu schweigen davon, dass es zur Pflicht des Verkehrs-Betriebs gehört, auch auf unrentablen Strecken Mobilitätsangebote aufrecht zu erhalten.

Milliarden-Investition wäre nötig

Es bräuchte allein in Köln Milliarden, damit der öffentliche Personennahverkehr die Erwartungen an ihn erfüllen kann. Doch wer soll das bezahlen?

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Dieser Frage wurde in der „KVB-Lounge“ nachgegangen, einer Diskussionsveranstaltung, an der sich neben dem KVB-Finanzvorstand Thomas Schaffer der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Oliver Wolff , und Andreas Knie, Professor für digitale Mobilität am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung beteiligten.

KVB-Rad in Not

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Räder hat der KVB-Rad-Betreiber Nextbike mittlerweile wieder auf den Straßen Kölns. Damit ist über vier Monate nach Beginn einer Zerstörungswelle an den Schlössern immer noch nicht die Hälfte der 3000 Räder umfassenden Flotte wieder in Betrieb. Anfang Februar wurde über Videos auf der Videoplattform Tik-Tok dazu aufgerufen, die Schlösser zu zerschlagen, um sie ohne Bezahlung nutzen zu können. Der Aufruf löste eine von Nextbike nie gekannte Serie von Vandalismus aus. In der Spitze waren nicht mal mehr 200 Räder für Kunden buchbar.

Warum es so lange dauert, die Flotte im vollen Umfang wieder herzustellen, erklärt ein Sprecher der KVB damit, dass es lange Lieferzeiten für neue, aufbruchsichere Schlösser gibt, die in China produziert werden. Außerdem rüste Nextbike nicht nur in Köln die Räder nach, sondern auch an weiteren Betriebsstandorten. Zwar hat es außer in Köln noch keine vergleichbare Zerstörungswelle gegeben. Durch die neuen Schlösser soll das auch so bleiben.

Das 9-Euro-Ticket ist die Lösung nicht: Soviel wurde schnell klar an dem Abend in der KVB-Hauptverwaltung an der Scheidtweilerstraße. 16 Millionen der ermäßigten Tickets hätten die Verkehrsbetriebe bundesweit mittlerweile verkauft, gab der VDV-Geschäftsführer bekannt. Damit ist es für ihn das „Woodstock des ÖPNV“. „Überall knubbelt es sich, und jeder findet es toll.“ Doch für den Umstieg vom Auto auf die Bahn bringe die Maßnahme gar nichts. „Das Ticket ist so billig, das steckt sich jeder einfach mal so in die Tasche. Schon schräg, wenn man bedenkt, was man mit dem Geld alles hätte machen können“, so Wolff.

Der Finanzvorstand der KVB, Thomas Schaffer, fürchtet sogar einen Negativeffekt: „Was ist, wenn die Abo-Kunden nach dem Ende der Aktion sehen, ihre Monatsticket kostet jetzt wieder 80 oder 100 Euro? Damit haben wir uns einen Bärendienst erwiesen“, lautet sein Urteil. Denn weitere Kundenverluste kann die KVB nicht gebrauchen: „Durch die Pandemie haben wir 40 Prozent der Kunden verloren, die sind immer noch nicht zurück.“ Dem stehe ein Investitionsvolumen von einer Milliarde Euro in den kommenden fünf Jahren entgegen, so Schaffer.

Keine Zukunft für das 9-Euro-Ticket?

Also müssen Fördergelder sprudeln, um Defizite aufzufangen und Investitionen abzusichern? Wolff winkt ab: „Ich kann kein Signal geben, dass es Geld gibt. Länder und Bund streiten sich zurzeit darüber, wie wir es noch nicht gekannt haben.“ Unter diesen Voraussetzungen sieht Wolff auch keine Zukunft für das 9-Euro-Ticket über die dreimonatige Aktionsphase hinaus. „Das Ticket würde bundesweit zehn Milliarden Euro pro Jahr kosten – und dann haben wir noch keinen Cent in die Infrastruktur investiert. Das wird keiner bezahlen.“ Schaffer stimmt zu: „Mit dem 9-Euro-Ticket sind wir der Verkehrswende keinen Schritt näher gekommen, weil es parallel am Ausbau des Netzes mangelt.“ Und damit bleibt für den KVB-Vorstand der ÖPNV weiterhin zweiter Sieger: „Kein Pendler fährt eineinhalb Stunden Bahn, wenn er mit dem Auto in 20 Minuten da ist.“

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Um aus diesem Dilemma herauszukommen, fordert Andreas Knie radikale Maßnahmen: Es gebe viel zu viele Autos, das Dienstwagen-Privileg müsse sofort abgeschafft werden, ebenso wie die Kilometerpauschale, es dürfe kein Meter Autobahn mehr gebaut werden und in Städten keine öffentlichen Parkplätze mehr geben. Kurz gesagt: „Die Autogesellschaft gehört abgeschafft.“ Das dadurch freigesetzte Geld müsse dem ÖPNV zufließen. Mit diesen radikalen Thesen erntete der Professor allein noch von anwesenden Fahrradlobbyisten Applaus. Schaffer und Wolff schüttelten hingegen mit dem Kopf: „Der ÖPNV habe ja gar nicht die Kapazitäten, um das alles aufzufangen“, sagen sie unisono.

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