Liegt im TresorDas Geheimnis vom perfekten Kölner Stollen des Excelsior Hotel Ernst

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Wie einen Schatz  hüten  Charles Roulet (l.) und Georg Plesser die Zutatenliste.  

Köln – Seit Jahren kaufen Besucher auf dem Weihnachtsmarkt am Dom den Stollen aus dem Excelsior Hotel Ernst. So auch in diesem Jahr. Im ehrwürdigen Haus selbst gilt er neben der Gans und dem Ochsenbraten als legendär. Und das zu Recht. Immerhin stammt das Rezept für das Weihnachtsgebäck von der Großmutter des Hotelbesitzers Charles Roulet höchstpersönlich. Und es wird gehütet wie ein Schatz.

Vor dem Backen und Verkaufen steht ein richtiges Ritual

Bevor der Stollen den Weg an den Stand auf dem Weihnachtsmarkt − in diesem Jahr an den mit der Nummer Neun − findet, gibt es hinter den Kulissen ein ausgeklügeltes Ritual. Es beginnt schon im Sommer - und hat mehrere wichtige Etappen. Ein Rückblick.

Ende August schreitet Hoteldirektor Georg Plesser zur Tat. Mit einigen Handgriffen öffnet er den wuchtigen Safe im Hotelfoyer. Dann schließt er das Fach ganz oben rechts auf. Der Kaufvertrag, mit dem Roulets Ur-Großvater Friedrich Kracht 1871 das Haus vom ursprünglichen Eigentümer Carl Ernst gekauft hat, liegt hier. Und es gibt eine kleine verzierte Truhe.

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Vergilbt und fettig – und dennoch wertvoll ist das Rezept. 

Aus ihr zieht Plesser ein Stück Papier. DIN A 4, in der Mitte gefaltet. Es ist fleckig. Viele Stunden in der Nähe von guter Butter, Marzipan und Mehl haben ihre Spuren hinterlassen. Es ist das Rezept, mit dem seit mindestens hundert Jahren der Weihnachtsstollen des Hotels gebacken wird.

Stollenkunde

Ein Stollen ist ein brotförmiger Kuchen aus schwerem Hefe-Feinteig. Wertgebende Bestandteile sind Fett und Trockenfrüchte (oft Sultaninen) oder andere Füllungen wie etwa Marzipan oder Mohn. Besonders in der Advents- und Weihnachtszeit werden Stollen traditionell verzehrt. Bei richtiger Lagerung ist das Gebäck monatelang haltbar.

Die Sorten sind vielfältig. Es gibt unter anderem Mandel-, Marzipan-, Butter-, Nuss-, Mohn- und Quarkstollen.

An das Christkind, das in eine Windel gewickelt ist, soll der dick mit Puderzucker bestreute Weihnachtsstollen erinnern.

Die Geschichte des Stollens reicht weit zurück. Eine erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1329.

Der Dresdner Stollen ist besonders bekannt − und inzwischen eine geschützte geografische Herkunftsangabe. Der Grund für den Erfolg des Dresdner Stollens dürfte im Jahr 1648 liegen. Damals erhielten die Bäcker der Stadt ein Stollenmonopol. Fortan durften auswärtige Bäcker zur Zeit des Striezelmarktes nicht mehr in die Stadt. Die Dresdner Bäcker belieferten zudem den kurfürstlichen und später den königlichen Hof mit ihren Stollen. (dha)

Auch wir dürfen nicht alles sehen

„Was dort hineinkommt, ist ein Geheimnis“, sagt Plesser und achtet darauf, dass die Kamera nicht den vollständigen Text erhascht. Den schaut sich dann Patissier Fabian Scheithe zusammen mit seinem Team an – und backt die ersten Probe-Stollen. Mehrere Wochen liegen die, in Plastikfolie eingewickelt, in der Süßspeisenwerkstatt.

30. September: Eigentümer Charles Roulet reist aus der Schweiz an. Es ist Zeit für eine Aufsichtsratssitzung. Aber nicht nur dafür. Alljährlich testet der traditionsbewusste Hotelier höchstpersönlich die Probe-Stollen. Nur wenn er sein Okay gibt, kann die Produktion beginnen. „Ich weiß genau, wie die Stollen schmecken müssen“, sagt der 70-Jährige. Denn: „Stollen aus Köln gehörten zu meiner Kindheit.“ Ob die Oma, Jahrgang 1898, das Rezept schon übernommen hat, weiß er nicht. Möglich sei das durchaus, meint der freundliche Herr während er voll Vorfreude durch die Hotelküche Richtung Patisserie schreitet.

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Kritische Kontrolle: Ist das Gebäck gelungen? 

Dort hat SüßspeisenchefScheithe einen seiner Probe-Stollen auf einem Brett platziert. Er schneidet ihn in der Mitte durch, teilt einige Scheiben und schaut erwartungsvoll zum Hoteleigentümer. Der hat nur Augen für das Gebäck. „Sieht gut aus“, murmelt er. Nimmt ein Stück in die Hand, schaut auf den dunklen Teig und das Marzipan. „Gut durchgezogen“, lautet das Urteil. Auch die Kruste wird inspiziert. Dann führt Roulet das Stück zum Mund. Kaut. Schließt die Augen. „Sensationell!“

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Es ist vollbracht: Der Stollen 2021 hat den Geschmackstest in der Patisserie des Excelsior Hotel Ernst bestanden. 

„Einmal hat es in den letzten Jahren bei der Probe nicht gestimmt“, erzählt Roulet über einen Vorgänger von Scheithe. Viel zu trocken sei der Stollen gewesen. Da habe er mächtig geschimpft, dass man direkt zu Aldi gehen könne. „2021 ist gesichert!“, ruft Plesser übermütig aus. Ein Spaß zwar, aber ein Fünkchen Ernst ist dabei.

„Unsere Kunden verdienen beste Qualität“, sagt Roulet − und freut sich schon auf die 21er Stollen. „Ich habe noch einen vom letzten Jahr im Keller. Je älter ein guter Stollen ist, desto besser ist er.“ Die Antwort auf die ideale Lagertemperatur kommt wie aus der Pistole geschossen: 16 bis 18 Grad.

In den vergangenen Wochen hat Scheithe zusammen mit zwei Mitarbeitern nächtelang Stollen gebacken. „Bis zu 400 in der Nacht schaffen wir“, sagt der Patissier. Was verarbeitet wird? Dazu schweigt er eisern.

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