Basar im TersteegenhausKölner Sammelstelle mutiert zur Müllhalde

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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sortieren die guten Spenden. 

Sülz – Ein Blick in den großen Spendenkorb reicht. Stephan Braun grinst den Ärger weg. Immerhin kann er nun den Grund dafür gleich einmal vorführen: „Da haben wir so ein Paradebeispiel“, sagt er und nimmt ein elektrisches Handrührgerät heraus. Es ist alt und völlig verdreckt. Die Rührstäbe fehlen. Ob es noch funktioniert? Die Frage stellt sich der Küster der evangelischen Kirchengemeinde Klettenberg erst gar nicht.

Die Mitarbeiter des Basars im Tersteegenhaus an der Emmastraße 6 müssten es zunächst gründlich reinigen und dann versuchen, Ersatzstäbe zu besorgen, bevor sie es überhaupt testen würden. Dieser Aufwand lohnt für das mittlerweile wertlose Gerät nicht. In diesem Zustand wird es jedenfalls nicht auf einem Tisch beim Weihnachtsbasar angeboten, der Anfang November wieder stattfinden wird.

Seit 30 Jahren ist dieser eine feste Institution im Viertel, einer der größten Veranstaltungen seiner Art in Köln. Was auf Initiative der „Frauenhilfe“ im Teerstegenhaus mit dem Verkauf von handgestrickten Socken, selbstgebackenen Plätzchen sowie Walnüssen für einen guten Zweck begann, hat sich zu einem großen Markt für Klamotten, Accessoires, Haushalts- und Gebrauchsgegenständen gemausert, der das Haus der Gemeinde einmal im Jahr in einen „Ausnahmezustand“ versetzt, wie Braun beschreibt. In allen Räumen sind Stände aufgebaut. Menschen strömen herein.

Eine Ecke im Tersteegenhaus für Schrott resserviert

Es hat sich herumgesprochen, dass man gebrauchte Dinge im Tersteegenhaus für den Basar abgeben kann – und das hat auch negative Folgen: Die Sammelstelle ist zur Müllhalde mutiert, jedenfalls teilweise. Braun hat eine große Ecke im Tersteegenhaus für aussortierten Schrott reserviert, den er dort zunächst sammelt: eine verrostete Harke ohne Stiel, ein vertrockneter Adventskranz mit kaputten Christbaumkugeln, eine zerbrochene Kinderlampe, ein Computer-Bildschirm ohne Ständer, eine zerrissene Kunstlederhandtasche.

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„Nach den Hofflohmärkten, die gerade stattgefunden haben, war es besonders schlimm“, schildert Braun. Am Montag nach dem Veranstaltungssamstag quollen die großen Abgabekörbe über und stapelten sich Kisten daneben. „Ich habe viereinhalb Stunden gebraucht, um die Sachen vorzusortieren. Danach hat er einen großen Teil zur Müllkippe gefahren, was eigentlich Aufgabe der „Spender“ gewesen wäre. Bequemlichkeit ist seiner Meinung nach ein Grund dafür, dass die Menschen die Sachen, die sie nicht verkaufen konnten, im Tersteegenhaus abgeben.

Viele würden sich aber auch selbst etwas vormachen. „Sie glauben, wenn sie es an die Kirche spenden, haben sie etwas Gutes getan“, vermutet der Küster. Kürzlich habe eine ältere Dame dreckige Badematten abgegeben. Als Braun sie bat, diese wieder mitzunehmen, stieß er auf Unverständnis. „Wieso?“, fragte die Frau. „Sie sind für die Flüchtlinge doch noch gut genug.“ Braun schwieg, sicherheitshalber, um nicht unhöflich zu werden.

„Das hat mich wirklich wütend gemacht“, schildert er. „Ob geflüchtet, obdachlos, oder Empfänger von Hartz IV. Wir sind schließlich alle Menschen.“ Und als solche könne jeder schneller in existenzielle Not geraten, als er denkt. Braun findet es selbstverständlich, dass die Spender nur solche Dinge abgeben, die sie selbst noch gebrauchen oder tragen würden.

Viele Kölner spenden auch Brauchbares und Schätze

Davon bekommt die Gemeinde allerdings auch viele. „Wir freuen uns natürlich über die vielen schönen Sachen und hoffen auch, dass es weiter so bleibt“, so Braun. Manchmal seien richtige Schätze dabei. „Wir schauen dann im Internet, für wie viel Geld beispielsweise eine abgegebene Vase gehandelt wird, damit wir sie nicht weit unter Wert verkaufen.“ Denn an jedem Tag des Basars warten schon lange, bevor sich seine Türen öffnen, professionelle Händler auf den Einlass, die hoffen für wenig Geld etwas zu erstehen, dass sie teuer verkaufen können. „Wenn dann jemand vorschlägt, fünf Euro für eine Vase zu zahlen, wir aber wissen, dass sie das Zehnfache wert ist, machen wir das nicht.“ Schließlich sollen sich keine einzelnen Personen die Taschen füllen.

Der Erlös des Basars ist für einen guten Zweck bestimmt, für den Behindertenfond der Gemeinde. 20.000 Euro konnten die Mitarbeiter bei der vergangenen Veranstaltung einnehmen. Mit den Gewinnen der vergangenen Jahre konnten sie einen neuen Aufzug im Tersteegenhaus finanzieren, einen Gemeindebus und das Projekt „Sailing Kids“, das kranken Kindern und solchen mit Behinderungen sowie ihren Familien ermöglicht, eine Woche lang mit ärztlicher Betreuung eine Segeltour zu unternehmen.

120 Ehrenamtliche helfen beim Basar in Klettenberg

Im vergangenen Jahr musste der Basar coronabedingt ausfallen, aber nun stehen die rund 120 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bei der Vorbereitung und beim Verkauf helfen, wieder bereit, um schöne Sachen für die Kunden bereit zu legen – und die unbrauchbaren auszusortieren und zur Müllkippe zu fahren.

Der  Basar im Tersteegenhaus, Emmastraße 6, findet von Dienstag, 9., bis Freitag, 12. November, täglich ab 14 Uhr statt, und zwar am Dienstag bis 19 Uhr, am Mittwoch und Donnerstag bis 18 Uhr und am Freitag bis 17 Uhr. Die Termine sind im Hinblick auf die Entwicklung der Coronaregeln unter Vorbehalt. 

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