Gemeinsam fürs CasablancaSülzer wollen beliebtes Büdchen genossenschaftlich betreiben

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Viele waren gekommen, um sich über die Möglichkeiten zu informieren und eigene Ideen zu äußern.

Viele waren gekommen, um sich über die Möglichkeiten zu informieren und eigene Ideen zu äußern.

Sülz – An den leeren Regalen, in denen einmal Zeitschriften steckten, kleben noch die handgeschriebenen Aufkleber. „Job + Karriere“, steht auf einem, „Nähen + Kreativ“ auf einem anderen. Aus den Kühlschränken werden die letzten Vorräte geholt. Barbara Krings, die das Büdchen Casablanca vor einigen Wochen schließen musste, steht nun wieder hinter der Theke und kassiert.

Zusammen mit Witali Bytschkow hat sie zu einem Info-Abend eingeladen. „Casablanca goes Genossenschaft“, verkünden Zettel, die in den Schaufenstern kleben. Das ist zumindest die Vision, die ungefähr 60 Männer und Frauen aus unterschiedlichsten Lebensphasen in das kleine Ladenlokal geführt hat, wo sie nun dicht gedrängt stehen.

2017 hatten Barbara Krings und ihr Lebensgefährte das Büdchen übernommen, ein neues Konzept dafür entwickelt und es in weniger als zwei Jahren zu einer kleinen Institution in der Sülzburgstraße gemacht. Das Casablanca ist nicht wie andere Büdchen. Hier gibt es fair gehandelte Bio-Süßwaren, Winzerweine, Keramik aus Mallorca und alle paar Wochen auch Lesungen oder kleine Konzerte. Krings, die hauptberuflich beim Fernsehen arbeitet, hat sich damit einen Traum erfüllt, der in Sülz genau den Nerv der Zeit traf. Es war ein Treffpunkt, der altes und neues Sülz vereinte in einem unprätentiösen Mix aus herkömmlicher Büdchenromantik und einem Angebot abseits der Massenware.

Nach dem Vorbild von Dorfläden

Dann stand aus privaten Gründen plötzlich die Schließung an. Krings suchte einen Nachfolger, doch stattdessen stand plötzlich ihr Stammkunde Witali Bytschkow vor ihr und präsentierte eine Idee: Man könne für das Büdchen doch eine Genossenschaft gründen. „In der Nähe von Hannover war ich mal ein einem kleinen Dorf und dachte: Hier finde ich bestimmt keinen Laden, wo ich etwas zu essen kaufen kann“, berichtet Bytschkow. Dann sei er aber überrascht worden, denn mitten in der Provinz hatten die Bürger einen kleinen Lebensmittelladen vor der Schließung bewahrt, indem sie ihn genossenschaftlich führten. „Dadurch, dass sich alle beteiligt haben, war auch die Motivation sehr hoch“, schildert er.

Der Gedanke machte viele neugierig, aber die Besucher haben auch kritische Fragen. Würde der Vermieter überhaupt eine Genossenschaft akzeptieren? Welche Posten sind bei der Kalkulation für ein tragfähiges Modell zu berechnen? Wie viele Stunden ehrenamtlicher Arbeit würden anfallen, und welches Gehalt bekommen die Teilzeitkräfte, die Bytschkow und Krings für die Geschäftsführung einstellen möchten?

Wichtige Entscheidungen werden demokratisch getroffen

Betriebswirt Bytschkow lässt die Zahlen über den Monitor laufen und rechnet vor. Jedes Mitglied der neu zu gründenden Genossenschaft solle für 200 Euro einen Anteil kaufen. Wenn dann ein Teil der Arbeit von Angestellten, ein anderer Teil aber ehrenamtlich geleistet würde, sei es zu schaffen. „Es geht nicht darum, Gewinne zu maximieren, sondern den Laden zu erhalten“, erläutert Krings. „Wichtige Entscheidungen werden von allen demokratisch getroffen“, stellt Bytschkow sich vor.

Zum Abschluss des Abends sind viele Fragen noch offen, aber zahlreiche Interessenten hinterlassen ihre Kontaktdaten, um auf dem Laufenden zu bleiben. Im August soll es das nächste Treffen geben. „Da fängt etwas Spannendes an“, sagt Schauspielerin Ruth Schiefenbusch, die als Besucherin gekommen ist: „Mir gefällt, dass es etwas Gemeinschaftliches sein soll. Das ist weniger gefährlich, als wenn man es als Einzelkämpfer versucht.“ Das Casablanca mochte sie, weil es seinen eigenen Stil hatte. „Ich bin Ur-Sülzerin, aber momentan ist Ehrenfeld mein Lieblingsstadtteil. Die Lebendigkeit, die man dort findet, muss sich Sülz noch schwer erkämpfen.“ Ein genossenschaftlich betriebener Kiosk könnte ein Schritt in diese Richtung sein.

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