Zuhause geborenWarum seit Corona das Interesse an außerklinischen Geburten steigt

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Corona Geburt

Während Corona wollen immer mehr Mütter ihre Kinder zu Hause bekommen, mit der Unterstützung einer Hebamme.

Köln – Für Lisa und ihren Mann ist es das erste Kind. „Alles fand ich am Anfang aufregend“, sagt die 30-Jährige: Schwangerschaftstest, Morgenübelkeit, Kinderwagenkauf. „Über die Geburt habe ich in den ersten Monaten gar nicht nachgedacht.“ Naiv, findet sie heute. Denn ihr Sohn wurde Anfang April geboren, mitten im ersten Lockdown. Es war eine lange und schwere Geburt, Lisa lag 30 Stunden in den Wehen. Ihr Mann durfte nur die letzten zwei Stunden bei ihr sein, und eine Stunde nachdem das Kind auf der Welt war. Eine Vorgabe des Krankenhauses. „Rückblickend war das schlimm für uns.

Heute würde ich mich auf jeden Fall für eine Hausgeburt entscheiden.“ So wie Lisa geht es vielen werdenden Müttern. Seit Beginn der Corona-Pandemie ist die Nachfrage nach Hausgeburten oder im Geburtshaus gestiegen. „Wir können das noch nicht mit Zahlen belegen, dafür ist es zu früh, aber der Trend zur außerklinischen Geburt ist auf jeden Fall da“, sagt Anke Wiemer von der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe (Quag). Gründe dafür seien vor allem die strengen Besuchsregelungen für Partner und Geschwisterkinder im Krankenhaus, Maskenpflicht während der Entbindung oder auch die Angst, sich selbst in der Klinik mit Covid-19 zu infizieren. Daher sei die Geburt in den eigenen vier Wänden in dieser Zeit für mehr Frauen vorstellbar.

Außerklinische Geburten

12.242 Kinder wurden laut  der  Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe (Quag) 2019 außerklinisch geboren. Dies entspricht ein bis zwei Prozent – 98 Prozent aller Babys in Deutschland werden im Krankenhaus geboren.

Unter einer außerklinischen Geburt versteht man, dass das Kind entweder in einem Geburtshaus, einer Hebammenpraxis oder im persönlichen Zuhause zur Welt kommt. Ob dies geplant oder ungeplant passiert, verzeichnet die Statistik nicht.

Bei einer Hausgeburt werden die werdenden Mütter nicht von Ärzten, sondern von Hebammen betreut. Grundsätzlich kann jede Frau, die dazu bereit ist, eine Hausgeburt machen. Ausschlusskriterien sind Vorerkrankungen, Risikoschwangerschaften, Früh- und Mehrlingsgeburten sowie eine falsche Lage des Kindes im Mutterleib. Rund 15 Prozent der Hausgeburten werden unter der Geburt doch noch ins Krankenhaus verlegt.

Schwangerschaftsvorbereitung online

„Viele Hebammen stoßen mittlerweile an ihre Kapazitätsgrenzen“, sagt Anke Wiemer. In Köln gibt es laut der Quag insgesamt 192 aktive Hebammen, die im außerklinischen Bereich arbeiten. Von ihnen bieten 19 die Betreuung einer Hausgeburt an – etwa Anja Pascher, fachliche Leiterin des Geburtshauses in Ehrenfeld. Die sechs Hebammen des Geburtshauses bieten sowohl ambulante Entbindungen im Geburtshaus als auch Zuhause an. „Bei uns war die Nachfrage schon immer hoch – mit Corona ist sie aber noch mal größer geworden“, sagt Anja Pascher. „Viele entscheiden sich für eine Hausgeburt aus Sorge, dass der Partner nicht dabei sein kann.“

Geburtsvorbereitungskurse und Rückbildungskurse nach der Geburt finden dort wie bei vielen anderen Kölner Hebammen-Kolleginnen auch nur noch online oder als Hybrid-Kurs statt. Anders als in vielen Kliniken darf im Geburtshaus in Ehrenfeld der Partner jedoch sowohl bei allen Vorsorgeuntersuchungen als auch über die gesamte Geburtsdauer hinweg dabei sein.

Die Lockdown-Babys kommen

1965 gab es den größten Stromausfall in Nordamerika. In dieser Nacht sollen die Menschen reihenweise ins Bett geflohen sein. Berichte, dass nach neun Monaten die Geburtenrate  schlagartig anstieg, wurden später widerlegt. Dennoch: Bei fast jedem Energie-Kollaps entsteht ein solcher Mythos. Warum sollte also nicht auch der Coronabedingte Lockdown im März und April Auslöser für einen „Babyboom“ sein? Die Babys, die zwischen Mitte Dezember und Anfang Februar zu Welt kommen werden, müssen genau in der Zeit  entstanden sein. Wir erinnern uns: alle Geschäfte zu, alle Restaurants zu, Schulen und Kitas geschlossen. Mal ehrlich, wann hockte man sich als Kernfamilie schon mal dermaßen auf der Pelle?

Eine Maskenpflicht für die Frau gibt es unter der Geburt nicht. „Neben Abstand, Mundschutz und häufigem Lüften haben wir allerdings noch eine weitere Maßnahme getroffen“, sagt Pascher: Geschwisterkinder dürfen nicht mehr zu Vorsorgeuntersuchungen mit in das Geburtshaus gebracht werden. „Da ist uns das Infektionsrisiko zu hoch.“ Einen Ausbruch habe es im Geburtshaus oder in dessen Umfeld bisher noch nicht gegeben. Jedoch wurde eine Hausgeburt von Anja Paschers Kollegin mit Schutzkleidung und Visier begleitet: Der Mann der Gebärenden war in Quarantäne. „Abstand halten bei einer Geburt, das funktioniert nicht“, sagt die erfahrene Hebamme. Die Warteliste des einzigen Kölner Geburtshauses ist lang. Anmelden sollte man sich für eine außerklinische Geburt bereits ab dem positivem Schwangerschaftstest – „für viele Frauen ist das zu dem Zeitpunkt aber noch sehr weit weg“, so Pascher.

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Die Anmeldung gleicht einem Bewerbungsverfahren, alle geeigneten Frauen kommen dann in einen Lostopf. Wer Glück hat, bekommt einen begehrten Platz im Geburtshaus. Pro Monat betreuen die sechs Hebammen dort oder bei den Frauen zuhause zwischen drei und sechs Geburten. Vorher lernen sich die Frauen und die Geburtshelferinnen sehr gut kennen, damit jegliches Risiko auszuschließen ist. „Eine spontane Hausgeburt mit einer Hebamme, das funktioniert nicht“, sagt Pascher.

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