Martin Luther als VorbildReformerinnen von „Maria 2.0“ schlagen Thesen an Dom

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Thesen an den Dom: Die Reformbewegung „Maria 2.0“ hat ihre sieben Thesen an den Dom geheftet.

Köln – Mehr als 500 Jahre nach Martin Luther ist die katholische Reforminitiative „Maria 2.0“ seinen Beispiel gefolgt: Unter anderem am Kölner Dom schlugen die Vertreterinnen sieben Thesen zur Reform der katholischen Kirche an. Hammer und Nägel kamen zwar nicht zum Einsatz, und bis zum Hauptportal des Weltkulturerbes drangen die engagierten Frauen auch nicht vor, dort bewachte ein Domschweizer die Absperrung. Doch das schmiedeeiserne Gitter vor dem Südportal am Roncalliplatz bot eine geeignete Befestigung. Die erste These lautet: „In unserer Kirche haben alle Menschen Zugang zu allen Ämtern.“

Und Bernadette Rüggeberg sagte zur Diskussion um Missbrauchsfälle im Erzbistum und die Rolle von Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki: „Allein Woelki ist nicht das Problem, das System braucht eine neue Verfassung.“ Deshalb reiche der Rücktritt eines Würdenträgers nicht. „Maria 2.0“ will Schuldeingeständnisse mit Konsequenzen. Vor der Aktion am Dom hatte Rotraut Röver-Barth die Thesen auch an der Ursulinenschule angeschlagen. „Weil wir die Jugend wieder für die Kirche gewinnen müssen“, sagte die frühere Lehrerin.

Aktion ruft wenig Interesse hervor

Ob Luther die 95 Thesen 1517 eigenhändig an die Schlosskirche zu Wittenberg anschlug, ist umstritten. Er läutete damals die Spaltung in katholische und evangelische Kirche ein. Ob die sonntägliche Aktion von „Maria 2.0“ in die Geschichte eingeht, muss sich erst erweisen – auf viel Interesse stieß die Aktion in Köln jedenfalls nicht, Geistliche ließen sich nicht blicken. 2019 hatte sich „Maria 2.0“ als freie Initiative von Frauen in der katholischen Kirche gegründet.

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Viel Andrang bei Online-Diskussion zu Kirchenaustritten

180 Interessierte haben zeitweise am Samstag am ersten  digitalen  Dom-Plenum teilgenommen, die zentrale Frage lautete: „Gehen oder bleiben?“ Der  Initiativkreis „Maria 2.0“ Rheinland sowie der Katholische Deutschen Frauenbund und der Diözesanverband Köln hatten die Online-Veranstaltung organisiert, das Video bleibt über deren  Facebook-Seite  abrufbar. Nach der Gesprächsrunde gingen aus dem Chat durchaus brisante Fragen ein, die dem Plenum oft erstmal die Sprache verschlugen. Denn schnelle Antworten hatte niemand parat auf Überlegungen wie: Machen sich diejenigen, die jetzt nicht aus der Kirche austreten, zu Komplizen der Amtsträger, die keine moralische Verantwortung für den massenhaften Missbrauch übernehmen? Oder: Wie kann den Mächtigen die Macht entzogen werden in einem System, das dem Theologie-Professor Daniel Bogner zufolge auf einer „monarchistischen Verfassungsordnung“ beruht? Was muss geschehen, damit die römisch-katholische Kirche Glaubwürdigkeit zurückgewinnt? Während Michaela Eckhardt mehrere Ehrenämter in ihrer Pfarrgemeinde niederlegte, da sie sich unverstanden fühlte, wollte Wolfgang Schmitz, Autor des „Zeit-“Artikels „Ich mag nicht mehr“, durch seinen Austritt „ein Zeichen setzen“. Die Gymnasiastin Laura Sebastian gab zu bedenken, dass „eine ganze Generation verloren geht“ – junge Menschen, die mit hierarchischen Strukturen nichts anfangen können. Solidarität mit den Missbrauchsopfern und Hoffnungen auf den Synodalen Weg halten Maria Mesrian von „Maria 2.0“ und Judith Klaiber, die eine Doktorarbeit über narzisstische, psychopathologische Führung („dark leadership“) vorlegte, noch bei der Stange. Die Religionslehrerin Jessica Thielen und der Pfarrer Jochen Thull, ein Unterzeichner des Priester-Brandbriefs, appellierten an ihren Dienstherren, sich strukturellen Veränderungen zu öffnen. Verhalten erwartungsvoll bis skeptisch blicken die Plenumsteilnehmer nun auf den 18. März, wenn die beiden Gutachten zum Missbrauch in der katholischen Kirche vorgelegt werden sollen. Denn das erste Dom-Plenum war sich am Samstag einig: „Kein Gutachten ersetzt die menschliche Verantwortung.“

Die Idee, Thesen an katholischen Kirchen anzubringen, stammt aus Hildesheim. Bundesweit schlossen sich am Sonntag Anhänger der kirchenkritischen Bewegung an. Mehr wie Zukunftsentwürfe als Forderungen lesen sich die sieben Thesen. Zu Gericht geht „Maria 2.0“ mit dem „Klerikalismus“, sieht darin die Ursache von Machtmissbrauch und formuliert in These drei der Leitlinien: „In unserer Kirche werden Taten sexualisierter Gewalt umfassend aufgeklärt und Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen. Ursachen werden bekämpft.“

Fast wortgetreu macht Woelki dieses Versprechen und wiederholt es, je näher der 18. März rückt, wenn das neue Gutachten zum Missbrauch im Erzbistum zusammen mit dem zurückgehaltenen ersten Gutachten veröffentlicht werden soll. Aber auf Woelkis Wort vertrauen viele Gläubige nicht mehr, verdeutlichten Beiträge im digitalen Plenum „Gehen oder bleiben?“ von Samstag (siehe Info-Text).

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Weitere Thesen sind die Anerkennung von gleichgeschlechtlicher Sexualität und Partnerschaft, die Abschaffung des Zölibats als Voraussetzung fürs Weiheamt, die Verwaltung des Kirchenvermögens nach christlichen Prinzipien ohne Bereicherung durch Entscheidungsträger. Die siebte These benennt den Auftrag, nach der Botschaft Jesu Christi zu handeln und kritisiert, die Kirchenleitung habe ihre Glaubwürdigkeit verspielt.

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