Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach„Kinder aus den Händen der Peiniger holen“

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Michael Esser, Leiter der Besonderen Aufbauorganisation "Berg" der Polizei Köln

Das Grauen kehrte zurück in den großen Saal im Kölner Polizeipräsidium. Wieder ging es um Sexspielzeug, befreite Kinder, riesige Datenmengen mit schrecklichem Inhalt und Anklagen gegen Sex-Täter. Mehrfach in den vergangenen Monaten lud die Kölner Polizei ein, um über Festnahmen und Ermittlungsergebnisse im „Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach“ zu berichten, und jedes Mal ist es ein Blick in menschliche Abgründe. Wie am Dienstag bei einer neuen Pressekonferenz.

Im Morgengrauen hatten sich im gesamten Bundesgebiet wieder 1000 Polizisten zusammengefunden, genau wie bei der ersten großen Razzia im September 2020. Dass die Ermittler im Dunkeln kommen, ist wichtig. „Es geht um den Überraschungseffekt. Wir wollen offene Datenträger finden“, betont Kriminaldirektor Michael Esser, der seit Monaten die Geschicke der Ermittlungsgruppe leitet.

Der große Antrieb der Ermittler auch nach vielen Wochen der belastenden Recherchen: Die Kinder aus ihren schlimmen Lebenssituationen zu befreien und Missbrauch zu verhindern. Allein am Dienstag stellten die Fahnder 1000 Beweisstücke sicher – darunter sehr viele Datenträger, Sexspielzeug und auch Munition in großen Mengen. In einem Fall waren die Verstecke bei einem Beschuldigten „äußerst kreativ“, wie Kriminaldirektor Esser sagte.

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Datenspürhunde schnüffeln Festplatten

Datenspürhunde seien drei Mal in einem Gebäude gewesen, weil es dort so viel zu holen gab. Die Datenspeicher-Spürhunde sind darin ausgebildet worden, CDs, Festplatten, Speicherkarten, USB-Sticks, Smartphones und SIM-Karten zu finden. In einem Fall wollte ein Beschuldigter flüchten, er kam nicht weiter. Außerdem sei ein 13 Jahre altes Kind in Obhut genommen worden, es habe „unklare Wohn- und Familienbeziehungen“ gegeben. Das Jugendamt habe daher entschieden, das Kind in Obhut zu nehmen. Haftbefehle wurden nicht verkündet. Schwerpunkt waren Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen. Insgesamt waren zehn Bundesländer betroffen. Alleine in NRW richten sich die Durchsuchungen gegen 16 Beschuldigte. Nach Rundschau-Informationen gab es auch zwei Durchsuchungen in Köln.

Cheffahnder Esser wird nicht müde zu betonen, dass sein Team weiter arbeiten wird, „um die Kinder aus den Händen der Peiniger zu holen“. Mittlerweile arbeiten etwa 50 Ermittler, um das Netzwerk von Kindesmissbrauch zu zerschlagen. Im Jahr 2020 waren zeitweise weit über 100 Fahnder im Einsatz. Die Behörde werde alle technischen Möglichkeiten nutzen, um die Täter zu fassen, hieß es weiter. Bisher habe die Polizei 52 Kinder befreien können, und es werden vermutlich noch mehr.

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In ersten Prozessen in dem Missbrauchskomplex sprachen Gerichte hohe Haftstrafen aus. Ein 43-Jähriger wurde im vergangenen Oktober in Köln zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Der Mann aus Bergisch Gladbach gilt als Schlüsselfigur in dem Netzwerk. Das Landgericht Wiesbaden verurteilte Anfang November einen 39-Jährigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs zu 13 Jahren Haft.

Die Besondere Aufbauorganisation „Berg“ der Kölner Polizei ermittelt seit Oktober 2019. Im Haus des 43-Jährigen aus Bergisch Gladbach waren damals Unmengen kinderpornografischer Daten gefunden worden. Über ihn stießen die Ermittler auf Hunderte weitere Verdächtige. Derzeit gibt es in dem riesigen Verfahren 330 Beschuldigte. Es ist zu befürchten, dass das Grauen um missbrauchte Kinder schon bald wieder ein Thema im großen Saal im Polizeipräsidium sein wird.

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