Kommunalwahl in Mülheim und DellbrückWie die Grünen um das Rechtsrheinische kämpfen

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Max Derichsweiler (rechts) beim grünen Sommerempfang am Aachener Weiher im Gespräch mit den Landtagsabgeordneten Arndt Klocke und Berivan Aymaz 

  • 45 Wahlbezirke gibt es in der Stadt. Bis zur Wahl am 13. September, bei der auch Oberbürgermeister, Bezirksvertretungen und Integrationsrat neu gewählt werden, berichten wir aus allen Veedeln der Stadt.
  • Es geht um spannende Duelle, interessante Kandidaten, prägende Themen und Trends und Kuriositäten.
  • In dieser Folge: Dellbrück, ein Viertel am Stadtrand, das die Grünen für sich zu gewinnen versuchen. Doch die Ökopartei hat es wie an vielen Orten im Rechtsrheinischen schwer.
  • Nach den Erfolgen bei der Europawahl hoffen die Grünen trotzdem, dass sich das bei der Kommunalwahl ändert.

Köln-Mülheim – Bislang war das rechtsrheinische Köln für die Grünen ein schwieriges Terrain. Während in der Innenstadt, in Sülz oder Ehrenfeld eine SPD-Hochburg nach der anderen fiel, blieben sie rechts des Rheins weiterhin mit Abstand drittstärkste Kraft. In den Stadtbezirken Kalk und Mülheim, und vor allem in Porz, tickte die Kölner Welt offensichtlich noch ein bisschen anders. Es fehlte die sichere Wählerbasis: Das, was Politikwissenschaftler „das neue Bürgertum“ nennen – geprägt von wohlhabenderen und gut gebildeten Menschen, die das großstädtische Leben lieben – ist im Agnesviertel oder Nippes stärker vertreten als in Kalk, Buchforst oder Eil.

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Doch die Europawahl im vergangenen Jahr hat auch den Grünen im Rechtsrheinischen Rückenwind verschafft. Sie gewannen in ehemaligen Arbeiter-Vierteln wie in Buchforst, Buchheim, Höhenberg oder Humboldt-Gremberg genau wie äußeren Stadtteilen wie in Dünnwald, Ensen, Westhoven oder Merheim. In Kalk, Mülheim und Dellbrück knackten sie die 30-Prozent-Marke.

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„Man kann die Ergebnisse der Europawahl natürlich nicht einfach übertragen“, sagt der stellvertretende Bezirksbürgermeister, Max Derichsweiler, der nun in Mülheim auch für den Stadtrat kandidiert. „Aber wir haben schon gezeigt, dass die Grünen breitere Schichten ansprechen. Wenn uns nur Wohlhabende wählen würden, könnte man nicht solche Ergebnisse erzielen.“

Schwieriger Spagat für die Grünen

Trotzdem: Mancher, den die Grünen gewinnen wollen, bleibt skeptisch. Aus der Mülheimer Stegerwaldsiedlung eine klimafreundliche Vorzeigesiedlung zu machen, ist gut und schön. Doch wenn dann die Kosten für die Mieter steigen, wird sich der Applaus bei den Betroffenen in Grenzen halten. Und auch der von den Grünen erklärte Kampf gegen den motorisierten Individualverkehr sorgt für Misstrauen. Nicht alles, was in den linksrheinischen grünen Hochburgen wie selbstverständlich als Programm für die Zukunft der Stadt angesehen wird, entspricht den Bedürfnissen einer Mehrheit in anderen Stadtteilen – ein schwieriger Spagat für diejenigen, die dort um Wählerstimmen werben.

Auch wenn es in ihrer Partei durchaus eine gemeinsame Vorstellung von der „grünen Stadt der Zukunft“ gebe, könne man nicht alle Stadtteile über einen Kamm scheren, sagt Ursula Schlömer, die in Dellbrück kandidiert. Sie lebe „begeistert“ im ländlich geprägten Viertel. Nach Nippes, wo sie auch mal gewohnt hat, wolle sie nicht mehr zurück. „Köln ist nicht homogen, und auch die Sorgen vor Ort sind nicht überall die gleichen.“

„Wir erreichen die Leute nicht“

So könne ein Parteifreund in Ehrenfeld, Lindenthal oder Nippes wohl kaum nachvollziehen, wie einige Stadtteile im Rechtsrheinischen unter dem Durchgangsverkehr von Pendlern und Lastwagen leiden. Und auch bei der Umsetzung grüner Kernthemen plädiert sie für mehr Einfluss der Kenner der örtlichen Begebenheiten. Sie teile die Forderung nach einer Verkehrswende. Weil aber Menschen nicht von heute auf morgen ihr Auto abschaffen, könne man nicht einfach Parkplätze streichen, ohne Alternativen wie Quartiersgaragen oder eine bessere Nahverkehrsanbindung zu schaffen.

Auch Derichsweiler hat Verständnis für die Skepsis bei manchem Wahlberechtigtem. „Man kann es nicht allen recht machen.“ Und: Menschen in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage seien mit anderen Herausforderungen konfrontiert als mit der Frage, ob man das Radwegenetz ausbauen muss. Aber auch diese Menschen wolle man überzeugen. „Es ist schade, dass viele, die von grüner Politik profitieren, uns noch nicht wählen“, sagt Ursula Schlömer. Sie nennt die Forderung nach mehr bezahlbarem Wohnraum als Beispiel. „Die Themen müssten ankommen. Aber wir erreichen die Leute nicht.“ Das habe auch damit zu tun, dass die Ortsverbände der Grünen in vielen rechtsrheinischen Vierteln noch zu klein seien, um im Wahlkampf alle Bürger mit ihren Botschaften zu erreichen.

Nicht nur die Wählerwerbung ist hier schwieriger. Auch innerhalb der stadtweiten Entscheidungsprozesse haben es rechtsrheinische Grüne nicht leicht. Derichsweiler hat bei der Zusammenstellung der grünen Reserveliste für den nächsten Stadtrat nur Platz 26 ergattern können. Das ist alles andere als eine gute Absicherung, um dabei zu sein. Er muss darauf hoffen, dass der grüne Höhenflug anhält. Dann hätte er sogar die Chance, seinen Wahlkreis direkt zu gewinnen. Im Wahlkampf wirbt der 36-Jährige für einen „progressiven Schulbau“ und konkrete Projekte zur Verkehrswende. So soll zum Beispiel die Mülheimer Brücke auch nach Ende der Bauarbeiten einspurig bleiben und dafür ein breiter Radweg entstehen.

Einzige Rechtsrheinische in der Ratsfraktion

Auf Platz Eins seiner Forderungsliste steht jedoch „ein Herz für das Rechtsrheinische“. Er fordert, den „Blick für die Bezirke im Kölner Osten“ zu schärfen. Dabei lässt er offen, ob sich damit auch Kritik an den Kollegen auf Stadtebene verbindet. Kommt das Rechtsrheinische zu kurz? Manchmal fehle „ein Blick für die Situation vor Ort“, sagt er vorsichtig. „Das Rechtsrheinische wird nicht benachteiligt, aber es ist unterrepräsentiert“, meint Ursula Schlömer.

In der aktuellen 18-köpfigen Ratsfraktion ihrer Partei ist die 62-Jährige nach einigen Wechseln die einzige, die aus dem Rechtsrheinischen kommt. Bei der kommenden Wahl hat sie mit Listenplatz 13 immerhin eine deutlich bessere Position als Derichsweiler. Doch das ändert nichts daran, dass das Rechtsrheinische auch in der nächsten grünen Fraktionen einen schweren Stand haben wird. Neben Schlömer ist nur noch Daniel Bauer-Dahm, der in Kalk kandidiert, gut über die Liste abgesichert. Dort, wo die Grünen besonders stark sind, haben sie auch viele Mitglieder. Und das macht sich dann eben auch bemerkbar, wenn die Partei ihre Wahllisten aufstellt. Die basisdemokratische Struktur bevorteilt diejenigen, die ohnehin schon den Ton angeben.

„Suboptimal“ sei es, dass die rechtsrheinischen Grünen nicht so stark vertreten seien, sagt Ratsmitglied Schlömer. „Aber das ist ja kein böser Wille.“ „Es ist nicht einfach, Kandidaten durchzubringen“, resümiert Derichsweiler den Nominierungsprozess seiner Partei. Das sei eben der Nachteil von Basisdemokratie. „Aber jedes System hat Vor- und Nachteile. Und es ist wichtig, dass bei uns alle Mitglieder mitbestimmen können.“ So müsse man das Ergebnis akzeptieren, auch wenn man es gerne anders hätte.

Die Wahlbezirke

Wahlbezirk 42: Dellbrück

Mit einem damals überraschend starken Ergebnis und deutlichem Abstand vor der CDU lag die SPD bei der letzten Kommunalwahl 2014 in Dellbrück klar vorne. Den Sieg möchte der neue SPD-Kandidat Hans Stengle verteidigen. Der 63-jährige Diplom-Pädagoge will von der Mülheimer Bezirksvertretung in den Stadtrat wechseln. Für die CDU kandidiert der Rechtsanwalt Markus Hock, der es 2009 schon einmal fast geschafft hätte, in den Rat einzuziehen.

Angesichts der zu erwartenden Stimmengewinne für die Grünen wird es spannend sein, wie sich die Gewichte bei den „alten“ Volksparteien verschieben. Die Linke kam in dem Wahlbezirk bei der letzten Kommunalwahl knapp über 5 Prozent, alle anderen Parteien blieben darunter. Bei der kommenden Wahl am 13. September schicken elf Parteien ihre Kandidaten ins Rennen. (fra)

Wahlbezirk 43: Mülheim

Der Wahlbezirk umfasst den größten Teil von Mülheim. 2014 gewann die SPD mit ihrem Kandidaten Michael Frenzel, der wieder antritt. Der 58-jährige Angestellte kümmert sich im Stadtrat unter anderem um Stadtentwicklungs- und Wohnungsbaupolitik. Die CDU schickt in diesem Jahr erstmals Eric Haeming ins Rennen.

Der Prokurist war bislang stellvertretender Bezirksbürgermeister in Mülheim. Bei der letzten Kommunalwahl landete die CDU in Mülheim hinter SPD und Grünen nur auf Platz Drei. Kommunalpolitische Erfahrung hat auch der Kandidat der Freien Wähler. Walter Wortmann sitzt zurzeit als deren einziger Vertreter im Stadtrat. In der alten SPD-Hochburg sind auch die Linken stark. Sie holten in Mülheim 2014 über 12 Prozent. (fra)

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