Nachhaltig lebenBesucher des Festivals in Köln informieren sich über Saatgut-Anbau

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Was wächst wann wie? An den Verkaufständen gab es lange Warteschlangen.

Was wächst wann wie? An den Verkaufständen gab es lange Warteschlangen.

Köln – Es wächst und gedeiht: Auch im vierten Jahr erwies sich das Saatgut-Festival im Studienhaus der Volkshochschule am Neumarkt als Publikumsmagnet. Ob am Samstag erneut mehr Besucher im Vergleich zum vergangenen Jahr kamen, konnten die Veranstalter am frühen Mittag noch nicht sagen – der enorme Andrang ließ das jedoch vermuten. Am Sonntag bestätigten die Organisatoren die Annahme: 1800 Gäste waren gekommen, 300 mehr als im Vorjahr. Die Gemeinschaftsgärten Köln, der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) sowie die Volkshochschule Köln (VHS) organisieren das Saatgut-Festival.

Auch Birgit Scherer vom Biogarten am Thurner Hof gehört dazu, sie zeigte sich wenig verwundert über das stetig größer werdende Interesse der Menschen. „Themen wie Selbstversorgung oder generell gutes, gesundes Essen werden zum Glück immer wichtiger für die Menschen.“ Sie verweist auf das erfolgreiche Volksbegehren in Bayern zum Schutz der Wildbiene und andere Arten, das zuletzt stattgefunden hatte. Manchmal brauche es bei gewissen Themen eben seine Zeit, bis die Aufklärung fruchte und bei den Menschen ankomme. Irgendwann gehe die Saat eben auf.

Gesunde Ernährung

Auch beim Saatgut-Festival konzentriert sich nicht alles ausschließlich auf die Fortpflanzungsorgane von Nutzpflanzen, wie der Name vermuten lassen könnte, sondern das Thema gesunde Ernährung spielt eine große Rolle. So stellten sich am Samstag etwa auch der Ernährungsrat für Köln und Umgebung oder mehr als 30 Initiativen wie die HonigConnection oder der Verein Naturgarten vor. Daneben gibt es Vorträge etwa über „Globale Ernährungsfragen“ von Markus Wolter vom Bischöflichen Hilfswerk Miseror e.V. oder über „Balkongärtnern für Anfänger“ von Eva Rödingen vom VEN Köln.

Besondere Saatgut-Sorten

Die Inka-Gurke genannte Cyclanthera pedata ist eine einjährige Kletterpflanze aus der Familie der Kürbisgewächse, deren kahle Stängel beim Quetschen stark gurkenähnlich riechen. Vor allem in Amerika und in den Anden ist sie heimisch. Da sie relativ kältetolerant ist, ist sie auch in Deutschland unter Hobbygärtnern sehr beliebt. Sie hat ausgereift einen Geschmack zwischen Artischocke und Spargel.

Der Pfefferblatt-Basilikum (Ocimum selloi) ist eine sehr robuste Basilikum-Sorte aus Mexiko, die aber auch hierzulande im Sommer problemlos wächst. Sie eignet sich gut für scharfe Küche, kann aber auch als Heilkraut bei Magenverstimmungen eingesetzt werden.

Die Tomatensorte „Bonners Beste“ ist seit den 1930er Jahren bekannt und stammt aus der Region um die rheinische Bundesstadt. Sie ist warm- sowie dunkelkeimend, weist aber eine gute Kälteverträglichkeit auf und hat eine gute Widerstandskraft gegen Krautfäule. Industriell wird die „Bonners Beste“ nicht mehr verwendet, gilt somit als ausgestorben. (roe)

Dreh- und Angelpunkt der Veranstaltung ist aber die Saatgut-Tauschbörse, aus der das Festival auch entstanden ist. Hobbygärtner wie etwa Peter Ganter und Peggy Himml aus Rheinbach betreiben zusammen die Webseite Himmlische Saaten, dort bieten sie ihre Spezialitäten an – darunter auch das Saatgut wirtschaftlich bereits ausgestorbener Pflanzen wie von der Tomate „Bonners Beste“ (siehe Kasten). Für sie sei das Gärtnern einfach ein wunderbarer Ausgleich zu ihrem Bürojob, erklärt Himml ihre Leidenschaft.

„Einfach mal anfangen“

Im Nebenraum bietet Wolfgang Schwellnuß Saatgüter an, laut seiner Aussage hat er bis zu 80 Prozent seines Essens in den Sommermonaten selbst angebaut. „Einfach mal anfangen“, lautet ein simpler, aber effektiver Tipp von ihm an alle, die weniger industriell gefertigtes Essen zu sich nehmen wollen.

Einer Weisheit, die sich auch Simon aus Troisdorf im vergangenen Jahr angenommen hatte. Da hatte der 23-Jährige erstmals an das Anpflanzen von verschiedenen essbaren Pflanzen im heimischen Garten gewagt – Radieschen, Paprika, Chili, Bohnen, Zucchini. „Ich habe mich in den letzten Jahren viel mit Themen wie autarkes Leben beschäftigt und mich immer mehr dafür interessiert“, erzählt er. Und auch, wenn er noch viele Fehler wie falsche Bewässerung gemacht habe – was für ihn zähle, sei die gesammelte Erfahrung. Und um diese auszubauen, hat er sich am Wochenende mit neuem Saatgut eingedeckt.

Beim Vogelkot hört der Spaß auf

Wie baut man Häuser, ohne den Lebensraum von Tieren zu zerstören? Wie schaffen Städte ein größeres Insektenvorkommen? Und was kann der Einzelne tun?

Antworten auf diese Fragen haben am Freitagabend Experten und Gäste beim Symposium „Stadtplanung für wilde Tiere“ im Forum der Kölner Volkshochschule (VHS) diskutiert. Eingeladen hatten die Stadt, das Haus der Architektur, die VHS und die Initiative HonigConnection.

Stadt Köln will noch mehr Ehrenamtliche einbinden

40 von 90 Säugetierarten in Deutschland leben laut Veranstaltern in urbanen Räumen. Doch Städte wachsen, Grünflächen verschwinden – und mit ihnen die Tiere. Thomas Hauck von der Uni Kassel stellte das „Animal Aided Design“ vor, dabei handelt es sich um ein Konzept, das Tiere in der Stadtplanung berücksichtigt. Künstliche Nistplätze oder Baumstämme auf Dachterrassen seien „günstiger als ein Garagenstellplatz“. Sie finden aber nicht nur Zustimmung. „Wenn der Vogelschiss die Fassade beschmutzt, hört die Tierliebe schnell auf“, sagt Hauck. Wichtig sei, dass man die Menschen mit einbeziehe.

Cassian Schmidt von der Hochschule Geisenheim pflichtet Hauck bei: Der Landschaftsarchitekt begrünt Städte mit Stauden, sie kommen lange ohne Wasser aus und seien daher gut für mittellose Städte geeignet. Er plädiert für einfache Rezepte: Wiesen wachsen lassen, auf mageren Böden säen.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion wird die Frage erörtert, wie das Expertenwissen die Bürger erreicht? Für Joachim Bauer, stellvertretender Chef des Grünflächenamts, ist Köln bereits grün: Der Fuchs wohne quasi am Hansaring. Man müsse aber Strukturen finden, die sich selbst erhalten, er denkt auch an Ehrenamtliche. (tma)

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