Nächtlicher Hupentest der deutschen BahnLongericher Anwohner bleiben schlaflos

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Weil die deutsche Bahn nachts die Hupen testet, kommen Anwohner des ICE-Wartungswerks nicht zur Ruhe.

Longerich – Der Ton geht durch Mark und Bein. So tief kann der nächtliche Schlaf gar nicht sein, um davon unberührt zu bleiben. Und selbst wenn das beim ersten Mal gelingt, beim zehnten Mal liegen die Nerven blank. Und genau das ist die Hölle, durch die die Longericher und selbst noch Bewohner angrenzender Stadtteile seit rund einem Jahr jede Nacht gehen. Der Ton ist das Hupen eines ICE. Es ertönt vom Gelände des benachbarten ICE-Instandhaltungswerks. Der Test des „Makrophons“ – so die offizielle Bezeichnung der ICE-Hupen – gehört zum Sicherheitscheck. Die Anwohner halten das nicht mehr aus. Sie gehen auf die Barrikaden. Bis in den Landtag ist ihr Protest schon vorgedrungen.

Je nach Hupen kommt der Lärm mit bis zu 100 Dezibel

Dr. Heiko Braak ist einer der Betroffenen. Von seinem Balkon aus kann er die Gleise sehen, auf denen sich nachts abspielt, was ihm und seinen Nachbarn den Schlaf raubt. Luftlinie 120 Meter. Die Schnellzüge rangieren aus der Wartungshalle raus und stellen sich dort auf. „Von einigen Gleisen aus wird dann die Innenreinigung durchgeführt. Andere sind Parkgleise“, erklärt der promovierte Physiker. Warum der Test des Makrophons ausgerechnet dort durchgeführt wird? Braak weiß es nicht. Wie auf so viele andere Fragen hat ihm die Deutsche Bahn darauf keine Antwort gegeben. Der Lehrer hat nachgemessen. Je nach Windrichtung kommt das Hupen bei ihm mit über 100 Dezibel an. Zehn mal in der Nacht ist keine Seltenheit. Es geht aber auch mehr. Und das Hupen ist noch nicht einmal alles.

„Oft laufen die ganze Nacht die Aggregate der Züge.“ Warum? Auch darauf keine Antwort. „Für uns bedeutet das ein permanentes Grundrauschen“, beschreibt Braak das Leiden der Longericher. „Das ist, als ließen sie permanent einen Staubsauger auf dem Balkon laufen.“ Die Anwohner haben sich die Finger wund geschrieben. Reihenweise Mails an die DB. Auf viele habe es gar keine Reaktion gegeben. Auf andere nur knappe, nichtssagende Antworten. Sie haben Versammlungen organisiert und auch die DB dazu eingeladen. „Es kam keiner“, so Braak.

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Keine Lösung in Sicht - Hupen-Test ist notwendig

Das Eisenbahnbundesamt zieht sich auf Planungsrecht zurück. Der Betrieb des ICE-Werkes entspreche den Vorgaben des Planfeststellungsverfahrens. Auf Anfrage der Rundschau sagt eine Sprecherin der DB: „Das Makrophon muss funktionieren, es ist sicherheitsrelevant.“ Was das für die Longericher bedeutet, abzulesen an den Messungen Braaks, will sie nicht kommentieren. Doch sie verspricht : „Wir suchen nach einer Lösung, um das Hupen nicht mehr im Werk durchführen zu müssen.“ Was ein Lösungsansatz sein könnte, kann sie noch nicht sagen. Wann die Lösung auf dem Tisch liegt, will sie nicht in Aussicht stellen.

Die Beschwerden reichen bis in den Landtag

Braak kennt diese Aussagen. Hoffnung machen sie ihm nicht mehr. „Sagen kann man viel“, winkt er ab. Die Longericher haben sich auch an die Stadt gewandt. Das Umweltamt hat sich eingeschaltet. Doch auch dort ist die Antwort auf Nachfrage der Rundschau noch schmallippig. „Wir sind im Gespräch mit der Bahn. Wir müssen schauen, was man machen kann“, sagt Amtsleiter Konrad Peschen.

DAS ICE-Werk

Im Februar 2018 wurde der Betrieb im modernsten ICE-Wartungswerk der Deutschen Bahn aufgenommen. Die Halle ist dank Sonnenenergie und Erdwärme CO2-neutral. Sie ist so groß wie 32 Fußballfelder. Das Werksgelände ist 2,6 Kilometer lang und gibt auch einem Sozial- und Lagergebäude, einer ICE-Waschanlage und einer Enteisungsanlage Platz.

220 Millionen Euro hat die Bahn investiert. 400 neue Arbeitsplätze versprach sie. Vor allem Mechatroniker und Elektroniker arbeiten dort.

Der Kölner SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Kossiski hat das Gespräch mit den Betroffenen gesucht. Er hat eine „Kleine Anfrage“ im Landtag gestellt. Er will wissen, in welcher Verordnung die Wartung der Züge und vor allem der Test des Makrophons geregelt ist. Kann die Landesregierung eine Änderung der der Verordnung in die Wege leiten? Wer ist zuständig für die Kontrolle? Spätestens in vier Wochen muss die Landesregierung antworten. Für die Longericher bedeutet das: 280 mal Hupen, bevor sie die Antworten bekommen. Und ob sich dann etwas ändert? „Für uns im Viertel bedeutet das eine enorme Einbuße von Lebensqualität“ sagt Braak.

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