Neue Kölner FDP-Ratsfrau im Interview„Schulbau sollte eigentlich Chefsache sein“

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Ruffen

Gut organisiert, schafft sich Stefanie Ruffen neben der Arbeit as Architektin Freiräume fürs politische Ehrenamt. Auch privat packt die Liberale gerne neue Dinge an.

  • Architektin, Mutter, FDP-Ratsfrau, Seglerin: Stefanie Ruffen erzählt im Gespräch mit Martina Windrath, wie sie Job, Familie, Ehrenamt und Hobbies unter einen Hut bekommt und mit Entdeckerlust immer wieder Kurs auf unbekannte Gewässer nimmt.

Sie starten jetzt als neu gewähltes FDP-Ratsmitglied in ihre erste Amtszeit und übernehmen den Vorsitz des Bauausschusses im Stadtrat, wie fühlen Sie sich damit? Es ist spannend und ich freu mich darauf, es kommt Unbekanntes und auch Aufregendes auf mich zu und das finde ich sehr positiv! Ich muss sagen, dass Ralph Sterck (FDP-Fraktionschef, Anm.d.Red.) über Jahre dran gearbeitet hat, bis ich endlich bereit war, mich zur Wahl zu stellen. Jetzt habe ich es gewagt – und es hat geklappt! Mir war das bisher tatsächlich immer zu viel mit noch einem Ehrenamt, da ich ja auch Mutter von zwei leiblichen Söhnen bin und von einem Pflegekind. Außerdem leite mit meinem Mann das Architekturbüro ERA mit zehn Mitarbeitern. Zusätzlich war ich lange in der Schulpflegschaft des Humboldt-Gymnasiums aktiv. Aber als mich einige fragten, ob ich eigentlich in der Schule ein Büro habe und meinten, ich werde mal die Merkel vom Humboldt, wusste ich, dass es Zeit für etwas anderes ist.

... um Neues zu beginnen. Wie organisieren Sie eigentlich das alles?

Ich schichte Kapazitäten um und nutze freiwerdende Zeit anders. Unser ältester Sohn Anton ist 19 Jahre alt und studiert jetzt Politikwissenschaft in München, mein jüngerer Sohn 15 ist gerade auf dem Wasser in einem Schulprojekt „HSHS“, High Seas High School. 26 Schüler und vier Lehrer sind sieben Monate auf einem Segelschiff auf den Weltmeeren unterwegs, gerade haben sie die Kapverden verlassen und segeln Richtung Barbados. Ich bin froh, dass er aus dem ganzen Corona-Theater heraus ist. Im Mai 2021 kommt er wieder – mit neuen Erfahrungen, ich bin gespannt, wie er sich verändert hat. Unser Pflegesohn ist jetzt 18 und möchte im Sommer die Mittlere Reife machen.

Viel los bei Ihnen, alle bei Ihnen sind auf neuen Wegen unterwegs...

Als noch alle Kinder zu Hause waren, war hier natürlich viel mehr los – da ist auch der Haushalt größer beziehungsweise die Arbeit dafür mehr. Da ich selbstständig bin und im selben Haus wohne und arbeite, kann ich meine Arbeitszeiten flexibler gestalten und versuche zum Beispiel Fraktionsarbeitskreise zu bündeln, lade zu Terminen gerne ins Büro ein und lege mir alles so, dass es gut ineinandergreift. Digitale Besprechungen sparen auch Zeit und mit dem Fahrrad komme ich aufgrund unserer Innenstadtlage schnell überallhin.

Haben Sie gute Vorsätze gefasst?

Ich bin nicht der Typ für gute Vorsätze, die immer wieder aufgeschoben werden oder die man auf einen Tag X legt. Wenn man etwas ändern will und kann, sollte man es sofort machen, Dinge anpacken, Lösungen suchen. So war das zum Beispiel auch mit dem spontanen Entschluss von meinem Mann und mir, 2015 einen allein reisenden jungen Flüchtling aus Afghanistan bei uns aufzunehmen.

Läuft es mit ihrem Büro neben der Ratsarbeit weiter wie bisher?

Ja, es läuft sehr gut, in der Baubranche gibt es gefühlt kein Corona – zumindest keine Auftragsrückgänge. In Köln bauen wir sehr wenig – meist im privaten Wohnungsbausektor und da hauptsächlich energetische Sanierungen von Bestandsbauten - das hat mit meiner Ratsarbeit keine oder nur fachliche Berührungspunkte. Unsere Projekte sind bundesweit, hauptsächlich in Hessen, von Banken über öffentliche Bauten bis zu Hotels. Ich freue mich, dass ich neben dem Bauausschuss auch dem Ausschuss für Schule und Weiterbildung weiterhin angehöre und den Jugendhilfeausschuss mit in meinem Arbeitskreis betreue und auch im Rat dafür rede. So kann ich die Themen näher zusammenbringen und ein bisschen was beschleunigen, hoffe ich. Da ist jede Menge zu tun und zu verbessern!

Was sollte in der Stadt zum Beispiel verbessert werden?

Ich finde, da müsste mehr projektorientiert gearbeitet werden, von der Verwaltung amtsübergreifend, aber auch von der Politik. Politisch steht Einiges auf der Agenda, besonders im Bereich Digitalisierung und Schulbau. Ich vermisse, dass das neue Ratsbündnis im Eckpunktepapier kein Wort zum Schulbereich verliert. Dabei sind dort noch immer viele Defizite und der Schulbau sollte eigentlich Chefsache sein. Als weitere Mammutaufgabe werden die Kulturbauten wieder dem Bauausschuss angegliedert und da ist ja nicht nur die Oper zu stemmen.

Welche Ideen wollen sie politisch voranbringen?

In den Bereichen Bauen und Gebäudewirtschaft und auf der anderen Seite Schulen und Kulturbauten, da läuft einiges nicht zusammen. Die Digitalisierung der Bauaufsicht müsste dringend vorangebracht werden, wie es in vielen Bereichen der Verwaltung schon passiert, auch in den Schulen hakt es da noch. Wir brauchen viele neue Schulen, neue Wohnungen. Da müssen wir Gas geben, auch mal neue Wege gehen. Es wäre besser, wenn die Gebäudewirtschaft eine eigenständige Gesellschaft wäre, damit sie schneller und effizienter arbeiten kann und auch attraktive Arbeitsplätze bieten kann – denen fehlen so viele Leute. Und es wird ja immer gesagt, die Verwaltung habe zu wenige Mitarbeiter. Ich finde, die Vorgänge könnten besser laufen, wenn projektorientierter zusammengearbeitet wird. Ich bin leidenschaftliche Kölnerin, aber die Stadt ist manchmal echt so kruschtig provinziell. Wenn ich durch die Stadt gehe, fallen mir Sachen auf, die ich am liebsten sofort aufräumen möchte.

Zur Person

Stefanie Ruffen (49) ist gebürtige Kölnerin. Nach dem Abi am Humboldt-Gymnasium 1990 studierte sie Architektur an der TH Karlsruhe und ETH Zürich. Schon als Jugendliche begann sie mit dem Sportkatamaran-Segeln, nahm an Einhand-Regatten teil und gewann Preise, darunter den „Amazonen-Pokal“, weil sie meist die einzige weibliche Teilnehmerin war.

Als Segellehrerin brachte sie Schüler in ganz Europa auf Kat-Kurs, vom Gardasee bis Holland, wo sie ihren Mann kennenlernte. Mit dem Bauleiter führt die Diplom-Ingenieurin das von ihren Eltern gegründete Architekturbüro im Pantaleonsviertel fort.

Die Ruffens haben drei Kinder. Stefanie Ruffen trat 2003 der FDP bei. Sie ist seit 2007 stellvertretende Vorsitzende des FDP-Kreisverbands, seit 2014 schulpolitische Sprecherin der Fraktion. (MW)

Was möchten Sie denn aufräumen?

Prinzipiell bin ich wirklich für mehr Aufenthaltsqualität im öffentlichen Straßenraum, aber diese Goodwill-Nachbarschaftsaktionen mit den selbstgezimmerten Kisten, das geht gar nicht. Die Idee ist gut, die Gestaltung peinlich. Die Bezirksvertretung Innenstadt hat jahrelang um eine einheitliche Sitz-Bank für die Innenstadt gerungen und dann werden bei einem dem Projekt diese zusammen geschraubten Holzlatten akzeptiert. Und überall gibt es eine andere Straßenpflasterung. Und dann diese Müllberge zum Verschenken. Da wünsche ich mir echt mal ein Gesamtkonzept.

Wie steuern Sie privat ins neue Jahr?

Dieses Silvester war natürlich anders als alle anderen . Wir sind zu Hause geblieben. Wir hoffen, dass, dass wir 2021 alle aus dem Corona-Mist herauskommen, ein Stückweit das Leben wieder neu genießen können – vielleicht auch mit mehr Dankbarkeit für das „Normale“. Trotz der ganzen Probleme für viele: Ich war in Teilen ganz froh über die Entschleunigung. Ich koche sehr gerne und probiere Rezepte aus, zum Abendessen treffen sich alle und tauschen sich aus, manche nennen das unseren politischen Stammtisch. Das genieße ich sehr. Mein Mann und ich möchten auch gern wieder mehr segeln, dank der Digitalisierung kann man auch gut mal aus der Ferne mit dem Büro kommunizieren.

Das sind ja spannende Pläne für 2021!

Wir haben vor kurzem genauso einen Katamaran gekauft wie wir damals verkauft haben, als die Kinder kamen. Den machen wir über den Winter flott und nächstes Jahr segeln wir wieder zusammen. Wir müssen aber noch etwas dafür trainieren.

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