Neues Kölner RatsbündnisWird Köln den radikalen Wandel weg vom Auto vollziehen?

Lesezeit 5 Minuten
nab210107_Verkehr_Altstadt_01

Köln ohne Autos? Wird das in Zukunft umgesetzt?

Köln – In einer Stadt, in der seit Jahrzehnten die Anzahl der Autos wächst, sollen Autos künftig möglichst raus aus dem Zentrum. So plant es das designierte Bündnis im Stadtrat aus Grünen, CDU und Volt, so steht es im Entwurf des Kooperationsvertrages (siehe Info-Text). Auto, Innenstadt: Es erscheint wie die heilige Kuh, an die sich das Trio heranwagt. Um Köln neu zu denken, hat das Trio in andere Städte geschaut. Die Rundschau analysiert drei davon.

Barcelona und seine Superblocks

Barcelona hat einige wenige sogenannte Superblocks eingeführt. Dabei fasst die spanische Stadt neun Wohnblocks zu einem Planquadrat zusammen, das ist aufgrund der verbreiteten Schachbrettstruktur Barcelonas möglich (siehe kleines Bild rechts). Das Ziel: Die Autos sollen nicht mehr durch diese Blocks fahren, sondern vorbei. In den Blocks selbst dürfen nur wenige Menschen wie Anwohner oder Lieferanten fahren, und auch nur mit nur zehn Kilometer pro Stunde, Fußgänger und Radler haben Vorrang. Parkplätze fallen weg, Grünflächen, Spielplätze oder Bänke entstehen. Das Motto: „Die Straßen mit Leben füllen.“ Die Verwaltung von Barcelona schrieb 2016: „Die heutigen Straßen müssen als öffentliche Plätze redefiniert werden; als bewohnbare Plätze, als Gemeinschaftsräume, als eine Ausdehnung des Wohngebietes, als ein Raum für Spiele, Grünflächen, Geschichte und lokales Leben in der Nachbarschaft.“

Oliver Schwedes, Fachgebietsleiter der Integrierten Verkehrsplanung an der Technischen Uni Berlin sagt zur Umsetzung in Deutschland: „Wie genau man es macht, müsste man schauen, aber die Idee ist gut.“ Er nennt unter anderem Quartiersgaragen als Möglichkeit zum Parken oder eine bessere Auslastung der Parkhäuser. In Berlin gibt es eine Initiative, die sich Kiezblock nennt. Bekommt Köln bald einen Veedelsblock?

Gent verbannt Autos auf den Stadtring

Die Wende in der belgischen Stadt hat im April 2017 begonnen, damals trat der „Circulatieplan“ in Kraft, was so viel bedeutet wie „Um-Fahr-Plan“. Denn darum geht es: Die Stadt will den Verkehr aus dem Zentrum verbannen und auf den Stadtbahnring umleiten. Verkehrsdezernent Filip Watteeuw sagte dem „Weser-Kurier“ : „Wir haben eine autofreie Zone im Zentrum, wo nur registrierte Fahrzeuge fahren dürfen. Also von Menschen, die dort leben, und für den Lieferverkehr für die Läden und Cafés.

Aber es ist nicht möglich, dort zu parken.“ Zudem hat die Stadt sechs Areale bestimmt (siehe Bild oben): Will ein Autofahrer von einem Areal ins andere, muss er einen Umweg fahren – im Gegensatz zu Fußgängern, Radfahrern, dem öffentlichen Nahverkehr und Taxis. Mobilitätsforscher Martin Lanzendorf von der Uni Frankfurt sagt: „Es wird dem Autofahrer schwerer gemacht: Grundsätzlich soll er zwar fahren können, aber es wird komplizierter.“

Das italienische Modell

In Italien haben viele Städte wie Rom oder Verona verkehrsberuhigte Zonen im Zentrum ausgewiesen, ein Schild weist sie aus, das Ziel: Umweltschutz und weniger Verkehr.

Was hat das Bündnis beim Verkehr vor?

1 Taugen Barcelona oder Gent als Blaupause? Im Kooperationsvertrag heißt es: „Im Rahmen eines Verkehrsversuchs wollen wir prüfen, ob in Köln verkehrsarme Zonen nach dem Vorbild Barcelona und Gent realisierbar sind.“

2 Für den motorisierten Individualverkehr wird ein neues Grundnetz von Straßen für Liefer-, Wirtschafts-, Ansässigen-, Ziel- und Quellverkehre formuliert. Mit verkehrslenkenden Maßnahmen soll die Möglichkeit für Durchgangsverkehr in der Innenstadt reduziert werden.“ Gleichzeitig soll die Innenstadt aber für Menschen per Auto erreichbar bleiben, wenn sie darauf angewiesen sind, dazu zählen Anwohnende, Handwerker, Lieferverkehre, Pflege- und Gesundheitsdienste.

3 Wie lässt sich die Zufahrt der Innenstadt regeln oder kontrollieren? „Wir wollen prüfen, ob mit einem geeigneten Steuerungsinstrument nach dem Vorbild anderer europäischer Städte die Zufahrt in die Innenstadt geregelt werden kann.“ Das kann beispielsweise ein Chip oder eine Plakette sein.

4 Das designierte Bündnis will mehr Autos in Parkhäuser führen, den Verkehr insgesamt digital und cleverer lenken, zudem das Bewohnerparken und den Parkraum allgemein „intelligent bepreisen“. Das dürfte teurer bedeuten.

Häufig überwachen Kameras, wer einfährt und ob das Autokennzeichen vorher registriert worden ist. Sind diese nicht mit einer Genehmigung hinterlegt, kostet das Geld, das kennen deutsche Touristen. Laut ADAC kostet ein Verstoß zwischen 83 und 333 Euro.

Und was passt am besten zu Köln?

Das soll eine Kommission prüfen, in ihr sollen Stadtverwaltung, Politiker, Anwohner und Interessensverbände sitzen. Im April wollen Grüne, CDU und Volt einen Antrag einbringen.

Welche Probleme gibt es in Deutschland?

Mehrere, unter anderem die Straßenverkehrsordnung beim Superblock, wie Forscher Schwedes sagt: „Die Leichtigkeit des Verkehrs darf nicht unbegründet erschwert werden. Rechtlich ist das nicht einfach.“ Ist die Umsetzung nicht gut begründet, hält sie möglicherweise einer Klage nicht statt. Eine Änderung der Straßenverkehrsordnung entscheidet Köln nicht allein. Es droht die Gefahr, dass die ambitionierten Pläne an deutschem Recht scheitern. Und beim Italien-Modell: Ein Sprecher des NRW-Datenschutzbeauftragten wies auf rechtliche Voraussetzungen für Kameras hin. Davon losgelöst bestünden Zweifel, ob Videos nötig seien, Fotos erschienen auch geeignet.

Die politische Komponente

Selbst die CDU lieferte in den Verhandlungen Vorschläge, die Zufahrt ins Zentrum zu erschweren. Das überraschte die Grünen. Verprellt die CDU nicht Teile ihrer Stammwähler oder ältere Mitglieder? Die verkehrspolitische Sprecherin Teresa De Bellis-Olinger sagt: „Die Mehrheit in der CDU sieht das so, die muss ich nicht überzeugen.“

Sie betont, dass es mit der CDU keine City-Maut gebe, die Innenstadt für Anwohner befahrbar sein müsse und das Ganze sozialverträglich ablaufen müsse. Bernd Ensmann, Kreisvorsitzender der Senioren-Union stützt das, der 80-Jährige sagt: „Es ist Unsinn, mit dem Auto in ein innerstädtisches Parkhaus zu fahren. Ich habe begriffen, mit dem ÖPNV ist es angenehmer.“

Aber die Zahl der Kraftfahrzeuge wächst?

Ja. Auf die Bevölkerungsanzahl Kölns bezogen betrug der Anteil zugelassener Kraftfahrzeuge im Jahr 2000 gut 47 Prozent, 2018 waren es fast 51 Prozent. Und: Ende 2020 waren 487 995 Autos in Köln zugelassen, im Jahr 2000 nur 414 425 – also 73 570 Autos weniger, allerdings bei auch deutlich weniger Einwohnern. Redet also nur eine „grüne“ Blase über autoärmere Innenstädte? Kauft im Einzelfall eine junge Familie beim erneuten Nachwuchs nicht doch ein Auto? Schwedes sagt: „Mit dem Auto ist es immer am einfachsten.“ Er betont, dass man es dem Auto schwerer machen muss, gleichzeitig die Alternativen ausbauen muss. Zu den Zulassungszahlen sagt er: „Ja, das ist ambivalent. Die Stimmung ist eine andere.“

Rundschau abonnieren