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Petelkau unter DruckDas sind die vier drängendsten Fragen für Kölns CDU

Lesezeit 5 Minuten
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Bernd Petelkau 

Köln – Am Montagabend gründet sich der neue Vorstand der Kölner CDU, vor drei Wochen haben die Mitglieder ihn gewählt – doch Neuanfang oder Aufbruch dürfte dabei eher eine untergeordnete Rolle spielen. Es ist der Tag nach dem nächsten Wahldebakel: 19,33 Prozent hat die Kölner CDU nur geholt, das entspricht Platz drei. Keinen der vier Wahlkreise gewinnt sie direkt, in dreien davon landet sie nur auf Rang drei, allein Serap Güler zieht über die Reserveliste in den Bundestag ein (siehe Interview). Karsten Möring, Gisela Manderla und Sandra von Möller schaffen es nicht. „Es war ein Scheiß-Abend“, sagt ein Partei-Vertreter. Und die Landtagswahl im Mai wartet schon. Die vier drängendsten Themen im Überblick.

1. Die CDU wird in einer Großstadt unattraktiver

Am Wahlabend hieß es: Naja, in einer studentisch geprägten Stadt hat es die CDU schwerer als auf dem Land. Prof. Dr. Stefan Marschall, Politikwissenschaftler an der Heinrich-Heine-Uni Düsseldorf, sagt: „Der CDU gelingt es nicht gut, mit ihren Themen und ihrer Themenkompetenz junge Menschen zu erreichen. Das Klimathema ist durch die Grünen besetzt, als Alternative sehen junge Menschen eher die FDP als die CDU.“

Muss die CDU Köln sich modernisieren? Andere Themen setzen? Am Montag ist viel die Rede von besserer Kommunikation. Oliver Kehrl, Landtagsabgeordneter und Vorsitzender des Stadtbezirks Rodenkirchen, sagt zum Thema Großstadt-Problemen: „Diese Argumentation teile ich überhaupt nicht, das ist mir viel zu defensiv.“ Und der Chef der Kölner Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Karl Alexander Mandl, forderte: „Bundestrend und besondere Herausforderungen in einer Großstadt sind Erklärungen, aber keine zwingenden Gründe für schlechte Ergebnisse. Wir müssen langsam auf diese Herausforderung Antworten haben.“

2. Mitbestimmen im Rat, erfolglos bei Wahlen

Seit 2016 agiert die Kölner CDU im Stadtrat mit den Grünen, seit 2020 auch noch mit Volt, dadurch sichert sie sich Dezernentenposten, Aufsichtsratsmandate – trotzdem fährt sie zuletzt nur miese Ergebnisse bei Europa-, Kommunal- und jetzt Bundestagswahlen ein. Wird die CDU zur 20-Prozent-Partei in Köln? Marschall sagt: „Was auf der kommunalen Ebene geschieht, ist für die Meinungsbildung bei einer Bundestagswahl nicht maßgeblich.“

Bilanz im Detail

48,4 Prozent hat die Kölner CDU im Stadtteil Hahnwald geholt, das beste Ergebnis in den den 86 Stadtteilen. Der schlechteste: Ehrenfeld mit 9,23 Prozent. Bei den neun Stadtbezirken war Chorweiler für die CDU vorne mit 26,48 Prozent, die Innenstadt hatte nur 12,95 Prozent.

4 Jahre haben gereicht, um den Stadtbezirk Lindenthal zu drehen. 2017 holte die CDU bei den Zweitstimmen im Westen 30,63 Prozent, nun waren es 22,24 Prozent. Zum Vergleich: Die Grünen steigerten sich von 15,59 auf 32,18 Prozent.

36 093 Wähler haben die CDU weniger als 2017 gewählt mit der Zweitstimme: Statt 145 657 Wählern (26,38 Prozent) waren es 109 564 (19,33 Prozent). (mhe)

In Köln ist es teils so, dass die CDU sich als Korrektiv versteht, um die aus ihrer Sicht schlimmsten Umtriebe der Grünen zu verhindern, etwa beim Anwohnerparken oder dem Flächenverbrauch. Ein Fraktionsmitglied sagte zuletzt: „Wir sind viel damit beschäftigt, Verbote und Unterlassungen zu verhindern und zu regulieren.“ Ist das genug, um als moderne Großstadt-Partei wahrgenommen zu werden? Der Landtagsabgeordnete Florian Braun sagt am Montag: „Das Moderieren von Themen wird nicht reichen, wir müssen mehr eigene Ideen entwickeln.“

3. Kostete der lange Personalstreit Stimmen?

Noch vor drei Wochen stimmte die CDU über ihren Parteivorsitz ab, mitten im Wahlkampf, am Ende langte es eben so für Bernd Petelkau mit rund 52 Prozent. Die Initiative „Lust auf CDU“ um Mandl hatte eine Trennung von Partei- und Fraktionsvorsitz gefordert, um losgelöst von den vielen Kompromissen im Stadtrat eine Idee davon zu entwickeln, was die CDU wieder erfolgreicher macht. Doch ihr Kandidat Thomas Breuer scheiterte knapp an Petelkau.

Breuer sagt am Montag: „Petelkau muss selbst mit seinen Leuten entscheiden, ob sie noch in der Lage sind, die Partei grundlegend zu verändern.“ Am Wahlabend sagt einer aus der ersten Reihe der Partei: „Wenn Petelkau jetzt nicht auf die Gegner zugeht, wird es schwierig.“ Der Parteichef sieht keine Auswirkungen des Streits auf das Ergebnis, Braun sagt allgemein zur CDU: „Die Beschäftigung mit Personalien hat so viel Zeit und Ressourcen in Anspruch genommen, dass wir uns zu spät auf Inhalte konzentriert haben.“

4. Was folgt nun bis zur Landtagswahl?

Im Mai wählt NRW den Landtag und angesichts des Debakels von Sonntag fragen sich viele in der Partei: Und jetzt? Was macht die CDU bis dahin? Selbst Petelkaus Kritiker wollen aber keine offene Konfrontation, es sind nur noch gut 200 Tage. Aber es ist rauszuhören: Danach droht Tabula Rasa. „Wir dürfen im Mai nicht nochmal so eine Klatsche kriegen“, sagt Thomas Richter, Stadtbezirkschef aus Kalk.

Verliert Petelkau sogar seinen Wahlkreis im Westen (siehe Ergebnisse dazu im Info-Text)? In Lindenthal siegte Sven Lehmann von den Grünen klar, allerdings gibt es bei Landtagswahlen sieben statt vier Wahlkreise. Aus der Partei ist am Montag Entsetzen zu hören: „Unsere alte Hochburg ist zur dunkelgrünen Bastion herangereift.“

Was ist, wenn die CDU statt drei Landtagsabgeordneten deutlich einbüßt, Petelkau die nächste Schlappe nach außen vertreten muss? Am Sonntag ist es schon die dritte Wahl-Pleite unter Petelkaus Führung, für die er nicht alleine verantwortlich ist, aber als Mr. CDU steht er im Wind. Einer aus der Partei sagt: „Wenn das im Mai wieder so ausgeht, dann wäre aber Schluss für Petelkau, das kann ja nicht ständig so weitergehen.“ Und Breuer sagt: „Es gibt so etwas wie die Macht des Faktischen.“

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