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Porzer InnenstadtFischhändler Martin Buchholz geht in Rente

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Buchholz und Aushilfe Violetta standen in den letzten Tagen aber noch mal hinter der Theke. Denn beim letzten Kundenandrang gab es bis zum Schluss viel zu tun.

Buchholz und Aushilfe Violetta standen in den letzten Tagen aber noch mal hinter der Theke. Denn beim letzten Kundenandrang gab es bis zum Schluss viel zu tun.

Porz – Über den Anruf seiner Putzfrau ist Martin Buchholz sehr verwundert. Das Ordnungsamt wolle Unterlagen sehen: die Genehmigung für die beiden kleine Stehtische, die Buchholz vor seinem Fischladen aufgestellt hat. Der 56-Jährige schüttelt mit dem Kopf: „An meinem letzten Tag.“ Seiner Putzfrau erklärt er, wo die entsprechenden Unterlagen in dem kleinem Büro sind, das früher mal ein Kühllager war, damit sie die Ordnungshüter zufriedenstellen kann. „Immer dieser Papierkram“, sagt Buchholz kopfschüttelnd. Der ist mit den Jahren immer mehr geworden. Buchholz kann dem nicht viel abgewinnen. Alles Zeitfresser. Aber es hilft nichts, so sind die Vorschriften.

Mit denen muss er sich künftig nicht mehr herumschlagen. Sein Fischladen an der Bahnhofstraße in der Porzer Innenstadt bleibt ab jetzt geschlossen. Der letzte Verkaufstag ist vorbei. Und der hat es noch einmal in sich gehabt. Etliche Kunden haben am letzten Tag noch einmal vorbeigeschaut. Die Nachfrage ist groß. Schon am späten Mittag ist kein Fisch mehr da. Alles ausverkauft.

Viele nette Worte zum Abschied

Seitdem die Menschen wissen, dass er den Laden schließt, seien viele noch einmal vorbeigekommen und haben Fisch bestellt. Von etlichen gab es nette Worte, ein Dankeschön. „Wir werden weinen“, sagt eine Frau nachdem sie ihre letzte Bestellung abgeholt hat. Die Worte freuen Martin Buchholz, doch sein Entschluss steht fest: Nach 29 Jahren heißt es Abschied nehmen vom Fischladen. Der war eine Institution in der Bahnhofstraße. Und ein echtes Unikat. Nur knapp zwei Meter breit, dafür langgezogen, steht der Laden zwischen zwei Häusern.

Früher gab es nur eine mobile Theke und ein Rolltor. In der kalten Jahreszeit war das oft geschlossen. An dem Tor hing immer ein Schild. Jeder, der etwas bestellen wollte, sollte daran rappeln oder sich durch rufen bemerkbar machen. Der Grund für das geschlossene Rolltor war einfach: Es zog in dem langgezogenen Geschäft wie die sprichwörtliche Hechtsuppe. Manchmal war die Tageshöchsttemperatur elf Grad. „Aber Minus“. Das Problem mit dem Zug in dem Geschäft, das außer Waschbecken, Fritteuse, Kühlhaus, Büro und Theke nicht groß ausgestattet war, hat Buchholz vor ein paar Jahren gelöst. Die mobile Theke ist einer festen gewichen. Plexiglas sorgte dafür, dass es nicht mehr zieht und die Kunden konnten sehen, dass jemand da war.

Künftig wird keiner mehr da sein. Nicht weil Sommerferien sind, wo der Fischladen traditionell zu hat, sondern weil Martin Buchholz jetzt Rentner ist. Jahrelang hat er 60 Stunden die Woche gearbeitet. Das macht sich bemerkbar. „Ich will nicht mit 67 in Rente gehen und kurz danach tot umfallen“, sagt der Fischhändler. Dass sein letzter Arbeitstag hinter ihm liegt, kann er noch nicht so richtig glauben. „Im September werde ich das wohl erst richtig realisieren, wenn ich dann immer noch zu Hause bin und nicht im Laden.“

Die Entstehungsgeschichte des Fischhändlers

Den hat er zusammen mit Kompagnon Martin Backhausen eröffnet. „Mehr aus der Not geboren“, gibt er zu. Damals sei er arbeitslos gewesen und wusste nicht so recht, was er machen sollte, erzählt Buchholz, der auf Sylt geboren ist. Zusammen mit Backhausen war Buchholz in Spanien Schleppfischen. Das klappte so gut, dass sie die großen Meerestiere vor Ort an Restaurants verkauften. „Das war unser Spritgeld“, sagt Buchholz scherzhaft. Der Außenbordmotor ihres Bootes habe schon mächtig geschluckt. Aus dieser Erfahrung plus den Umstand, dass Familie Backhausen eine Immobilie an der Bahnhofstraße besitzt, wuchs die Idee eines eigenen Fischladens.

Gesagt, getan. Ein Belgier hat für sie auf dem Fischmarkt in Zeebrügge frischen Fisch ersteigert. Mit einem eigens in den Niederlanden gebauten Kühlanhänger wurde der Fisch nach Porz gebracht. „Auf dem Beifahrersitz habe ich die Zollpapiere ausgefüllt“, erinnert sich Buchholz. In Porz angekommen wurde der Fisch praktisch aus dem Anhänger verkauft. „Ein Kühlhaus hatten wir da noch nicht.“ Geöffnet war immer mittwochnachmittags bis Samstag.

„Wir wussten nicht, wie das bei den Leuten hier ankommt“, erzählt Martin Buchholz. Doch er und Backhausen hatten voll ins Schwarze getroffen. Die Nachfrage stieg, die Öffnungszeiten wurden auf die ganze Woche ausgedehnt. „Eine gute Zeit war die mit dem BSE-Skandal“, sagt Buchholz augenzwinkernd. Da habe es eine Schlange von seinem Laden bis zur nächsten Apotheke gegeben – und das über zwei Stunden lang. Leider habe der Skandal damals nicht lange genug angehalten. „Nur ein Strohfeuer“, sagt der Fischmann lachend. Trockener Humor und immer für einen Spruch zu haben, dafür ist der gelernte Verwaltungsangestellte bekannt. Eben ein Original.

"Porzer Misere" traf auch den Fischhändler

Später belieferten die beiden Händler auf dem Großmarkt und etliche Restaurants. Und da war natürlich die Kundschaft in der Bahnhofstraße. Die war früher größer als in den vergangenen Jahren. Das habe auch viel mit der „Porzer Misere“ zu tun, die Schließung von Hertie. 30 Prozent weniger Laufkundschaft hatte Martin Buchholz schon vor Jahren ausgemacht. „Auch die Verlegung des Busbahnhofs an seinen jetzigen Standort unter dem Parkhaus am City-Center hat den Geschäften an der Bahnhofstraße geschadet“, so Buchholz weiter. 50 Prozent weniger Menschen würden seitdem durch die Bahnhofstraße laufen. Früher habe er dreimal die Woche Forellen geräuchert, später fast gar nicht mehr. „Hinzukommt, dass die Leute immer weniger Fisch essen.“ Er selbst habe sich oft Rotbarsch gebacken – vielleicht, weil seine Mutter früher oft Rotbarsch gemacht hat. Zu Hause gab es dann abends immer ein paar Scheiben Brot.

Einige Stammkunden sind geblieben. Der Backfisch ist oft über die Theke gegangen. In seiner letzten Woche ist er oft von seinen Kunden gefragt worden, wo sie denn jetzt ihren Fisch herbekommen? Angel kaufen und an den Rhein setzen, hat Buchholz ihnen scherzhaft gesagt, sie aber dann an Martin Backhausen und seinen Laden in Untereschbach verwiesen. Seit ein paar Jahren hat Martin Buchholz den Laden in der Porzer Innenstadt alleine geführt – unterstützt von Aushilfe Violetta.

Die letzte Arbeitswoche ist für beide noch einmal richtig anstrengend. „Zweimal war der Fisch ausverkauft“, sagt Buchholz, der früher in Zündorf zur Schule gegangen ist. Die Arbeit sei zwar anstrengend gewesen, aber sie habe auch Spaß gemacht. Nun ist Zeit zum Entspannen. Das will Buchholz im Römerbad in Bonn. Von Troisdorf aus, wo er mittlerweile wohnt, will er sich aufs Rad schwingen und dorthin auf den Weg machen. Später will er dann noch nach Vietnam reisen. Weit weg von der Bahnhofstraße. Das Ordnungsamt hat dort nun eine Anlaufstation weniger. Und Martin Buchholz mit deren Papierkram nichts mehr zu tun.

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