Veedelsbarometer-SerieGremberghoven: Ein vernachlässigtes Schmuckstück

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Das markante Haus an der Rather Straße ist ein beliebtes Fotomotiv und typisch für die Architektur der Gartenstadt,  aber noch nicht saniert.

  • Gremberghoven ist beides: Schmuckstück und Schmuddelecke.
  • Die ursprüngliche Eisenbahner-Siedlung wurde nach englischem Vorbild gebaut. Einige Häuser wurden liebevoll saniert, andere verkommen.
  • Es gibt so gut wie keine Einkaufsmöglichkeiten und zum Gebet müssen die Gläubigen in Nachbarorte.

Gremberghoven – Schmuckstück und Schmuddelecke – Gremberghoven ist beides zugleich. Zum einen gibt es zahlreiche denkmalgeschützte Häuser im Veedelskern, die liebevoll saniert wurden. Die kleinen Wohnhäuser aus den 1920er Jahren haben zudem großzügige Gärten.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Probleme im Stadtteil. Einige der alten Häuser sind noch nicht saniert und verkommen zusehends. Eine Nahversorgung ist praktisch nicht vorhanden, ebenso wenig wie eine Kirche im Veedel. Zudem sind viele Wohnstraßen stark vom Durchgangsverkehr betroffen. Im folgenden gibt es einen Überblick über die wichtigsten Projekte und Baustellen im Stadtteil.

Verkehr: So lala

Große LKW, die das Durchfahrtsverbot ignorieren, Autofahrer, die sich nicht an das Tempolimit halten, und allgemein zu viele Pkw – Verkehr ist in Gremberghoven ein Problem. Besonders belastet ist unter anderem die Hohenstaufenstraße, eine schmale Wohnstraße. Sind die nahe gelegenen Hauptverkehrsadern Frankfurter Straße und Autobahn 559 verstopft, nutzen viele Autofahrer die Straße durch das Wohngebiet als Schleichweg.

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Häufig missachten Lkw das Durchfahrtsverbot.

Anwohner und Bürgerverein fordern seit Jahren ein Verkehrskonzept, das die Autos aus den Wohnstraßen fernhält. Umgesetzt wurde allerdings nur wenig. In der Bezirksvertretung verabschiedet wurde vor kurzem eine umstrittene Einbahnstraßenregelung für die Hohenstaufenstraße. Zukünftig soll ein Einfahrt-Verboten-Schild in Höhe der Breitenbachstraße die Durchfahrt aus beiden Richtungen an dieser Stelle verbieten. So können Autofahrer sowohl von der Rather Straße als auch aus der entgegengesetzten Richtung von der Steinstraße nur noch bis zur Breitenbachstraße fahren. Die Regelung geht auf einen Bürgerantrag zurück.

Einige Anwohner der umliegenden Straßen erhoffen sich durch diese Änderung weniger Verkehr. CDU, FDP und Grüne unterstützen das Vorhaben. SPD und die Verwaltung sowie Mitglieder des Bürgervereins sehen die Regelung allerdings kritisch. Die Kritiker befürchten, dass die halbe Einbahnstraße die Autoströme nur auf andere Straßen im Viertel verteilt.

Einkaufen: Nur 2 Kioske für 3000 Einwohner 

Einen Bäcker, eine Post oder einen Supermarkt sucht man in Gremberghoven vergebens. Lediglich zwei Kioske und ein Imbiss sind als Nahversorgung für die rund 3000 Einwohner vorhanden. Einkaufen müssen die Bewohner des Viertel in den umliegenden Stadtteilen. In Eil oder Finkenberg gibt es große Discounter. Mit dem Bus seien die ganz gut zu erreichen, erklärt Gunther Geisler vom ortsansässigen Bürgerverein. Trotzdem wünschen sich viele Anwohner einen Supermarkt im Ort. Gremberghoven ist ein Stadtteil ohne Infrastruktur. Für fast alle Besorgungen des täglichen Bedarfs müssen die Bewohner ihr Veedel verlassen.

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Der Bücherschrank am Bahnhofsplatz wird rege genutzt.

Lichtblick ist einzig ein mündliches Versprechen des Wohnungsunternehmens Vonovia, dem viele Gebäude im Ort gehören. „Wir haben mit dem Unternehmen Gespräche geführt, dass in einem noch zu bauenden neuen Gebäude an der Frankenstraße teilweise Nahversorgung untergebracht werden kann“, so Geisler. Eine nur vage Aussicht, aber immerhin.

Gartenstadt: Kleine Häuser, große Gärten

Gremberghoven ist ursprünglich eine Siedlung für Eisenbahner des benachbarten Rangierbahnhofs Gremberg gewesen. Für ihre Angestellten errichtete die damalige Reichsbahndirektion in unmittelbarer Nähe der Arbeitsstätte eine neue Wohnsiedlung. Als Vorbild für die anfangs rund 700 Wohnungen diente die aus England stammende Gartenbewegung. Die sah unter anderem vor, kleine Häuser mit großzügigen Gärten für die Selbstversorgung zu bauen.

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Sowohl das Wappen als auch das ganze steinerne Monument an der Frankenstraße ist auf Initiative des Bürgervereins entstanden.

Die alten Gebäude und Gartenanlagen prägen noch heute den Kern des Viertels rund um Rather Straße, Talweg und Heilig-Geist-Straße. Damit dieses historische Gesicht des Viertels erhalten bleibt, will die Stadt einen Bebauungsplan aufstellen, der genau vorschreibt, was an den alten Gebäuden im Ortskern verändert werden darf. Vorgeschrieben werden sollen unter anderem die Höhe neuer Gebäude und der Fassadenanstrich, zudem wird genau festgelegt, wo überhaupt gebaut werden darf. So soll auch verhindert werden, dass baufällige alte Häuser einfach abgerissen werden können.

Die Diskussionen zu dem Bebauungsplan laufen schon seit Jahren, sollen nach Aussage der Verwaltung demnächst aber zum Abschluss kommen. Anfang des Jahres hat der Bebauungsplan offen gelegen, Bürger konnten Kritik und Änderungswünsche äußern. Diese werden jetzt noch in den Plan eingearbeitet und dann der Politik zur Abstimmung vorgelegt.

Grundschule: Neustart im Jahr 2021

In großen Schritten vorwärts geht es beim Neubau der örtlichen Grundschule. Auf der Baustelle des zweigeschossigen Neubaus wurde im März Richtfest gefeiert. Fertig soll die neue Friedrich-List-Grundschule an der Breitenbachstraße im zweiten Quartal 2021 sein, das teilte die Verwaltung auf Anfrage mit. Wenn alles klappt könnten die Schüler dann zum Start des übernächsten Schuljahrs in den Neubau einziehen. Damit würde ein mehrjähriges Interim zu Ende gehen.

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er Neubau der Friedrich-List-Grundschule soll im nächsten Jahr fertiggestellt sein. 

2018 waren die Grundschüler in ihr aktuelles Ausweichquartier an der Stresemannstraße in Finkenberg umgezogen. Allerdings mussten sie gleich zweimal umziehen. In dem Ausweichquartier an der Stresemannstraße waren nach einer nötigen Sanierung erhöhte Luftschadstoffwerte festgestellt worden. Die Schüler konnten nicht wie geplant in den neuen Räumen unterrichtet werden. Da war aber schon das ganze Mobiliar von der alten Schule nach Finkenberg geschafft worden. Mehrere Tage fiel der Unterricht aus. In der Zeit wurden die nötigsten Möbel wieder zurück in die maroden Räume in Gremberghoven geschafft. So gab es fast drei Monate Unterricht zwischen Umzugskartons, bis die Luft im Ausweichquartier sauber genug war. Nach all dem Ärger winkt nun endlich im kommenden Jahr eine nigelnagelneue Schule mit viel Platz.

Kirchen: Zum Beten in die Nachbarorte

Ein Gotteshaus für die beiden großen christlichen Konfessionen sucht man in Gremberghoven vergebens. Die Heilig-Geist-Kirche wird zwar noch genutzt, aber nicht von den katholischen Gläubigen. Seit 2005 ist die serbisch-orthodoxe Gemeinde im Gebäude an der Straße Frankenplatz aktiv. Die katholische Kirche vermietet das Gebäude für einen symbolischen Beitrag an die Gemeinde, die sich den Unterhalt des Gotteshauses nicht mehr leisten konnte. Auch für die evangelischen Christen gibt es im Viertel keinen Gebetsraum mehr. Die Matthäuskirche wurde 2016 entwidmet und an einen Investor verkauft. Der will an gleicher Stelle Wohnungen errichten. In den zurückliegenden Jahren hat der zuständige Baukirchmeister Hans-Werner Gipper das Inventar veräußert, damit es nicht auf der Müllkippe landet. So sind etwa die Kirchenglocken an eine katholische Gemeinde im kroatischen Split verkauft worden, die Orgel hat ein Privatmann übernommen, Taufstein und Bibel sind in die Hoffnungskirche in Finkenberg übergesiedelt. In den Stadtteil müssen auch die Gläubigen zum Gebet. Sowohl die evangelischen als auch die katholischen Gemeindemitglieder müssen zu den Gottesdiensten in das Nachbarveedel.

Engagement der Bürger: Vorbildlich

Positiv zu bewerten ist das bürgerschaftliche Engagement. So setzt sich der Bürgerverein seit Jahren für ganz unterschiedliche Projekte ein und setzt diese auch um. Wichtig waren den Gremberghovenern etwa die Gestaltung des Bahnhofsplatzes. Der war lange nur ein trister Flecken, doch seit zwei Jahren lädt er wieder zum Verweilen ein. Bänke, die Achse einer alten Dampflok, eine funktionierende Bahnhofsuhr und ein historisches Schild des früheren Eisenbahnhaltepunktes Gremberghoven schmücken nun den Platz. Seit kurzem gibt es auch einen Bücherschrank, der rege genutzt wird. Dem Engagement des Bürgervereins ist es ebenfalls zu verdanken, dass der Ort ein eigenes Wappen hat. Ein Flügelrad als Zeichen der Bahn und Kirschblüten als Symbol für die Gartenstadt – das ist das Wappen.

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Gunter Geisler (r.) vom Bürgerverein und engagierte Gremberghovener verteilen kostenlose Mahlzeiten zu Beginn der Corona-Krise.  

Es ziert ein auch vom Bürgerverein initiiertes steinernes Denkmal an der Ecke von Heilig-Geist-Straße und Frankenstraße. In der Corona-Krise haben Mitglieder des Bürgervereins zudem ehrenamtlich Fertigmahlzeiten im Viertel verteilt. Die Mahlzeiten waren eine Spende der Wohnungsgesellschaft Vonovia, die zahlreiche Mietobjekte betreut.

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