Präsenz und DistanzlernenKölner Schulen entwickeln neue Konzepte

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Mit Maske und Abstand begann nach dem Lockdown im Sommer wieder der Präsenz-Unterricht wie hier an der Heinrich Böll-Gesamtschule.

Köln – Unterricht in Corona-Zeiten, das ist für die Lehrerinnen und Lehrer ein Balanceakt mit immer wieder neuen Hindernissen und Herausforderungen. Präsenz, Hybrid-Modelle, Wechselschichten? Da wird viel diskutiert und auch gestritten. Vom Land gibt es bisher keine konkreten Alternativvorschläge außer: Präsenz first. Ein Plan B beziehungsweise C wie Corona-Notprogramm liegt dennoch bereits an vielen Schulen in der Schublade, engagierte Kollegien entwickeln Unterrichtsmodelle für Präsenz- und Online-Tage. Je nach Schulform, Schule und Ausstattung sieht das sehr unterschiedlich aus. Drei Beispiele:

Gutenberg-Berufskolleg

Die Berufskollegs gehören zu den größten Schulen Kölns - und sind mit ihrer vielfältigen Schülerschaft vor besonders große Herausforderungen gestellt. „Es wäre uns allen sehr willkommen, wenn es statt des Präsenzbetriebs ein Hybridmodell geben würde“, betont Dr. Rolf Wohlgemuth, Leiter des Erich-Gutenberg-Berufskollegs (EGB). „Wir leiden jetzt alle sehr unter der Situation.“ Dazu gehören nicht nur eine Reihe von Quarantäne-Fälle, die parallel zum Schulbetrieb online versorgt werden. „Täglich ändert sich etwas, das sind schon große Belastungen.“

Geholfen wäre dem Berufskolleg, wenn zumindest für die Teilzeit-Ausbildungsgänge das Distanzlernen eingeführt und die anderen Vollzeitangebote auf mehr Platz verteilt werden könnten. Das EGB ist sehr gut mit IT-Infrastruktur ausgestattet, alle der meist erwachsenen Schülerschaft im Umgang mit PC & Co geübt. Ausbildungsbetriebe äußern sich immer wieder sehr unzufrieden, teils aggressiv; es gab mit Blick auf den bestmöglichen Schutz der Betriebe auch Weigerungen, Azubis in die Schule zu schicken.

Lehrkräfte zeigen Verständnis für deren Forderung nach Distanzunterricht. „Verbindliche Standards für alle Schulen fehlen zwar noch,“ so Wohlgemuth. Doch auch er hält die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Distanzlernen am EGB und den anderen Berufskollegs in Köln für „vergleichsweise gut“.

Helios-Gesamtschule

„Bis jetzt gibt es viel Hin und Her“

Stadtschulpflegschaft fordert bessere digitale Ausstattung der Schulen – Neuer Vorsitzender

In schwierigen Zeiten übernimmt Gerhard Jansen (53) den Vorsitz der Stadtschulpflegschaft Köln. Im Gespräch erläutert er Martina Windrath Probleme und Anliegen.

Sie haben gleich viel zu tun – es wird heiß diskutiert, wie der Unterricht trotz oder wegen Corona am besten weiterläuft. Es gibt viele Meinungen, Emotionen kochen hoch.

Das sehe ich auch so, je nach Schulform und Schule kommen die unterschiedlichsten Sichtweisen zusammen, von Positionen, die den Präsenzbetrieb aufrecht erhalten möchten, bis zu denen, die eine komplette Schulschließung befürworten. Dabei haben ja die Erfahrungen nach dem ersten Lockdown gezeigt, wie problematisch es sein kann, wenn nur online unterrichtet wird. Vor allem Abschlussklassen verpassen dann fast ein ganzes Jahr. Immer wieder fallen schon jetzt Klassen und Jahrgänge aus, die in Quarantäne müssen. Der Stoff muss für alle nachgeholt werden.

Es gibt kein Patentrezept, was schlagen Sie vor?

Auf jeden Fall muss der digitale Unterricht viel besser ausgebaut werden. Das ist ein schon seit Monaten bekanntes Problem und schwer umsetzbar für die Lehrkräfte. Sie sollen digitalen Unterricht machen, aber es gibt bis jetzt oft gar keine IT-Konzepte dafür und Geräte sind auch nicht ausreichend vorhanden. Die Hardware ist laut Stadt bestellt, aber bei 152 000 Schülerinnen und Schülern in Köln gehe ich nicht davon aus, dass bald jeder einen Laptop haben wird. Geräte sind die eine Sache, die andere ist die Lernplattform, die Schüler und Lehrer müssen ja in das jeweilige System eingebunden werden. Bis jetzt gibt es viel Hin und Her.

Was befürwortet die Stadtschulpflegschaft?

Wir sprechen uns fürs Maskentragen und kleinere Klassen aus, auch ohne Corona sind Klassengrößen von 30 oder sogar 32 Kindern viel zu groß.

Geteilte Klassen nacheinander unterrichten? Da bräuchte man theoretisch viel mehr Lehrer, die gibt’s aber nicht?!

Besser wäre ein Hybridkonzept, also eine Mischung aus tageweisem Homeschooling und Präsenztagen in der Schule zum Beispiel, theoretisch könnte man Kinder zu Hause auch mit Kameras einbinden, mit Videokonferenzen. Dafür hätten längst Vorkehrungen getroffen, die nötigen Geräte beschafft werden können. Ein grundsätzlicher Vorschlag von uns an Bildungsdezernent Robert Voigtsberger ist, dass man bei der Einschulung jedem Kind ein Gerät mitgibt, wo alles für die Schule drauf ist. Aber das ist Zukunftsmusik.

Was sind weitere Herausforderungen?

Der Schulbau, viele Gebäude sind heruntergewirtschaftet. Es sind über 50 neue Schulen in den nächsten Jahren nötig, aber es wird seit Ewigkeiten geplant. Schon jetzt fehlen Räume. Ob die schnellere Modulbauweise eine Lösung von Dauer ist, weiß ich nicht. Und ich habe gehört, dass nutzbare Container, die aber aus bautechnischen Gründen nicht betrieben werden sollen, teilweise abgebaut werden sollen, was die Situation verschärfen würde. Nicht zuletzt muss die Inklusion besser ausgebaut werden.

Die Helios-Gesamtschule entwickelt ein Konzept für einen Hybridbetrieb, eine Mischung aus Präsenzgruppen in der Schule und Online-Lernen daheim. Grund ist der akute Personalmangel, hervorgerufen durch Lehrkräfte, die zur Risikogruppe gehören und daher im Präsenzunterricht nicht eingesetzt werden können und solchen, die sich aktuell in Quarantäne befinden. „Das ist eine sehr herausfordernde Situation“ sagt Schulleiter Andreas Niessen. „Wir können gar nicht das volle Programm für alle im Präsenzunterricht fahren.“

„Ein Teil der Schülerinnen und Schüler ist bei uns nicht in der Schule, sondern lernt von Zuhause aus.“ Dadurch können sich die Lehrkräfte vor Ort wie gewohnt um die Kinder und Jugendlichen kümmern. Die Schülerinnen und Schüler werden beim Lernen daheim nicht alleine gelassen, sondern digital von Lehrkräften begleitet, die zur Risikogruppe gehören oder sich in Quarantäne befinden.

Grundvoraussetzung sei, dass alle über digitale Endgeräte verfügen und eine Lern- und Kommunikationsplattform, mit der alle umgehen können. Zugute kommt der wachsenden Helios-Modellschule, dass alle (derzeit 300) Kinder und Jugendlichen ein Tablet besitzen. Das sieht an vielen Schulen schlechter aus. „Kinder brauchen Struktur, Beziehung und Anleitung, während sie zuhause sind“, unterstreicht Niessen.

Den Präsenzbetrieb einfach ins Digitale zu übertragen, das funktioniere nicht. Damit ein guter Unterricht gelingen kann, „brauchen sie Routinen und Strukturen für das selbstorganisierte Lernen“, eine veränderte Lernkultur. Das will gelernt sein. Wie komme ich an die Aufgaben? Wem schicke ich sie? Hat jeder individuelle Passwörter? Da gibt es viele Details zu regeln. „Wir sind mit Stadt und Land im Gespräch, dass es eine Art digitalen Hausmeister oder Schulassistenten braucht“, so Niessen. In den Niederlanden sei das „völlig selbstverständlich“. Man müsse genau darauf achten, inwieweit Lehrkräfte durch die Mehrarbeit zusätzlich belastet werden.

Wichtig sei es auch für einen funktionierenden Unterricht mit Distanztagen zuhause, dass Auffanggruppen angeboten werden, falls etwa Alleinerziehende ihr Kind nicht zuhause betreuen können. „Wir haben Corona-Crews gebildet, bei dem ein Kind sich in einer anderen Familie oder über digitale Medien treffen kann. Dabei nutzen wir ein Videokonferenz-Tool.“

Schiller-Gymnasium

Die Schulen möglichst weiter offenzuhalten, hält Schulleiter Georg Scheferhoff vom Schiller-Gymnasium für richtig. „Bei uns ist es bisher jedenfalls einigermaßen gut gelaufen.“ Es gebe derzeit zwei Corona-Fälle und 20 Personen in Quarantäne, darunter zwei Lehrkräfte. „Wir haben die Hoffnung, dass sich die Corona-Lage weiter stabilisiert, aber wir sind auch gut vorbereitet auf das Szenario eines Lockdowns oder wenn zum Beispiel eine ganze Klasse komplett in Quarantäne müsste. Wir könnten sofort umschalten.“

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Während der vergangenen Monate gründete sich eine Projektgruppe Distanzlernen, in der Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler eng zusammenarbeiten. „Es ist nicht sinnvoll, Unterricht eins zu eins einfach nach draußen zu streamen und die Schüler sitzen dann den ganzen Tag allein vor dem Bildschirm zuhause“, so Scheferhoff. Das würde schon wegen der technischen Möglichkeiten und teils schlechter WLAN-Verbindungen wohl nicht funktionieren.

Das „Schiller“ in Sülz setzt seit langem auf selbstständiges Lernen. Das müsse aber auch im Corona-Unterrichtsmodus persönlich verankert sein: Mit „Videoimpulsen“ zu Beginn jeder Stunde sollten die Zuhause-Lerner eingebunden werden, das könne mit einer Videokonferenz geschehen, über Kameras aus den Klassen übertragen werden. Dann folge ein gut aufbereitetes Bearbeiten von Aufgaben, dem Alter angemessen, so der Plan. Dabei soll es A- und B-Tage geben, das heißt, jeden zweiten Tag kommen die einen Schüler in die Schule, die anderen lernen zuhause - in Schichten. Was den meisten Schulen fehlt, sei eine gute Hybriddidaktik, auf der sie aufbauen können. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, aber es ist ein Learning by doing. “

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