Projekt in KölnWie „Oper für Demenzkranke“ zum Vorreiter wird

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Alt und Jung verfolgten die Kinderoper „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ gleichermaßen gebannt.

Köln – „Der kann nicht lesen“, kichert Johanna Schmitz. Auf der Bühne im Staatenhaus müht sich ein Räuber damit ab, einen Brief zu entziffern. Johanna Schmitz verfolgt die Szene gebannt. Die 82-Jährige, deren echter Name ein anderer ist, sitzt inmitten vieler kleiner Kinder. Schließlich ist „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ eine Kinderoper. Doch seit mittlerweile rund fünf Jahren lädt die Kölner Oper auch Demenzkranke wie Johanna Schmitz zu den Vorstellungen ein. Mit Erfolg.

Mit Rudi Assauer-Preis ausgezeichnet

Das Projekt, bei dem die Kölner Oper bundesweit Vorreiter ist, erhielt 2017 den Rudi Assauer-Preis. Das ist die bedeutendste deutsche Auszeichnung für ein Demenzprojekt. Von dem Preisgeld veranstaltete die Oper letztes Jahr ein Symposium zum Thema „Oper und Demenz“. Auch mit dem Kölner Alzheimer Präventionszentrum (KAP) der Uniklinik besteht eine Kooperation. „Kinderoper für Demenzkranke ist uns ein echtes Anliegen“, sagt Intendantin Birgit Meyer.

Zusammen mit dem Leiter der Abteilung Theater und Schule, Frank Rohde, hat sie das Projekt langsam etabliert. Dafür brauchte es auch Risikobereitschaft. „Es hat sich entwickelt. Wir haben Erfahrungen gesammelt“, sagt Rohde. Erfahrungen, wie die, dass es gut ist, wenn die Demenzkranken zuerst in den Vorstellungsraum gehen und die Kinder dann folgen. Dann haben die alten Menschen, denen oft die Orientierung im Hier und Jetzt abhanden gekommen ist, Zeit, sich einzufinden. Meist kommen die Demenzkranken in Gruppen aus Einrichtungen, zuweilen kommt auch ein Angehöriger mit. Auf die Besonderheiten der Besuchergruppe nimmt man in der Oper Rücksicht.

„Wir haben auch schon mal ein paar Minuten später mit der Aufführung begonnen, weil jemand noch zur Toilette musste“, erinnert sich Rohde. Auch wenn die Senioren zuweilen bei rhetorischen Fragen auf der Bühne ungehemmt und laut eine Antwort rufen, stört das nicht. „Demenzkranke reagieren unmittelbar. Das ist gnadenlos“, weiß Birgit Meyer. Für die Künstler sei das eine gute Schule. „Die Demenzkranken werden nur erreicht, wenn eine Aufführung Kraft, Authentizität und Qualität hat“, unterstreicht die Intendantin.

Alle Sinne werden angesprochen

Die Kinderoper „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ entwickelt genau diese Wirkung. Während Johanna Schmitz beim Einspielen des Orchesters noch ein „Die Musik macht einen krank“ zischte, ist sie völlig von der Phantasie-Welt eingenommen, sobald die Oper startet. Die blauen Augen weit offen, den Körper leicht nach vorne geneigt, verfolgt die alte Frau gefesselt alles, was um sie herum passiert. Und das ist eine Menge.

Oper bietet Komplexität – alle Sinne werden angesprochen. „Studien haben gezeigt, dass möglichst viele Reize gleichzeitig gut bei Demenz funktionieren“, erläutert Intendantin Birgit Meyer. Dass Musik Erinnerungen weckt, ist ebenfalls erwiesen. Gut in der Interims-Spielstätte im Staatenhaus ist zudem, dass es viel Platz gibt und einen großen Aufzug, mit dem Menschen, die nicht mobil sind, hoch fahren gefahren werden können.

Kontakt- und Anlaufstellen

Demenz ist eine fortschreitende Erkrankung des Gehirns. Dabei funktionieren wichtige Aufgaben wie das Gedächtnis oder die räumliche und zeitliche Orientierung immer schlechter. Bisher ist die Krankheit nicht heilbar. Es gibt jedoch zahlreiche Möglichkeiten, auch in einer demenziellen Erkrankung Freude zu erleben.

Angehörige von Demenzkranken werden vor besondere Herausforderungen gestellt. Für sie kann es sehr sinnvoll sein, sich mit anderen auszutauschen oder sich um fachliche Beratung zu bemühen.

Beratung gibt es an einer Vielzahl von Stellen. Sie sind auch telefonisch erreichbar.

Selbsthilfe wird unter anderem über die Alzheimer Gesellschaft organisiert. Kontakt unter Telefon 02234 - 9790112

Unterstützungsangebote für die Innenstadt vermittelt das Demenz-Netzwerk Innenstadt. Telefon: 0221 6600070.

Rat und Hilfe für Betroffene, Angehörige und Pflegende vermittelt das Demenz-Servicezentrum für die Region Köln.

Telefonisch erreichbar: 02203- 3691-11171 oder -11170. Einen Überblick bietet die Stadt auch online. (dha)

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