Prozess in Köln„Loverboy“ soll 16-Jährige zur Prostitution gezwungen haben

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Gerichtsakten im Kölner Landgericht

Gerichtsakten im Kölner Landgericht (Symbolbild)

Köln – Sie war gerade 16 Jahre alt geworden, als sie aus der Eifel zur Großmutter nach Köln zog. „Ich kam aus dem tiefsten Dorf in die Stadt“, sagt die heute 20 Jahre alte Medizinische Fachangestellte. Im Sommer 2017 war das. Beim Joggen in einem Park in Bickendorf lernte sie dann jenen 27-Jährigen kennen, der sie – wie sie es am Mittwoch vor dem Landgericht schilderte – wenig später mit Kokain um den Finger wickelte, sie emotional von sich abhängig machte und sie dann zur Prostitution zwang.

Seit Mittwoch muss sich der heute 31-Jährige vor Gericht verantworten wegen Körperverletzung, Zuhälterei, Zwangsprostitution, Bedrohung mit einem Verbrechen sowie wegen Drogenhandels und Abgabe von Drogen an eine Minderjährige. Die klassischen Zutaten der sogenannten „Loverboy“-Masche.

Die große Liebe vorgegaukelt

Die Täter spielen die große Liebe vor und zwingen die Opfer zur Prostitution. Die Einnahmen streichen sie ein. Weigern sich die jungen Frauen, wird mit Liebesentzug gedroht oder Gewalt eingesetzt. Seit Jahren warnt die Polizei immer wieder vor der perfiden Masche, der vor allem Mädchen mit Problemen in Schule oder Familie oder mit geringem Selbstbewusstsein zum Opfer fallen.

„Mein Mandant wird bis auf weiteres schweigen“, teilte sein Verteidiger Ingmar Rosentreter nach der Verlesung der Anklage mit. Nicht geschwiegen, sondern unter den Augen der Öffentlichkeit ausgesagt, hat die heute 20-Jährige.

Demnach redeten im September 2017 der Angeklagte und ein weiterer Bekannter auf das Mädchen aus dem Eifeldorf ein und erklärten, dass viele Frauen in Köln der Prostitution nachgingen und dies „leicht verdientes Geld“ sei. Freundinnen der Männer sekundierten, sagten, das sei alles halb so wild. „Die haben mir das schön geredet“, sagt die 20-Jährige im Zeugenstand.

Auf dem Portal „kaufmich.de“ feilgeboten

Am 24. September 2017 hatte sie dann ihren ersten Freier. Auf dem Portal „kaufmich.de“ hatten die Männer sie feilgeboten. Der Freier weilte in einem Kranhaus im Rheinauhafen. Bis zur Tür wurde das Mädchen gebracht. Nach einer Stunde bei dem Mann bekam sie 150 Euro, die sie anschließend ablieferte. „Ich weiß noch, dass wir danach zu einem McDonald’s gefahren sind“, sagte die 20-Jährige. In der Rückschau, so die Frau weiter, „wirkt das alles so absurd“. Zwei Tage später hatte sie schon den zweiten Freier. Laut Anklage ein 40-Jähriger mit Brille. Wieder nahm sie 150 Euro ein, wieder habe der Angeklagte das Geld genommen.

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Ab da lebte die Frau mal in einer Wohnung in Ossendorf, mal in Ehrenfeld und bediente regelmäßig Freier. Bei der Großmutter des Mädchens muss der Angeklagte damals einen guten Eindruck gemacht haben, immerhin überließ sie ihm zeitweise ihr Auto, mit dem der Angeklagte das Mädchen zu ihren Freiern fuhr. Unter anderem auch in einen Saunaclub, wo sie nicht nur „anschaffen“ sondern auch noch Kokain verkaufen sollte.

Hatte sie mal Kontakt zu anderen Menschen außerhalb des Loverboy-Kreises, wie beispielsweise zu Mitschülern, habe es Schläge gesetzt. Als sie sich im Dezember 2017 auf dem Weg zu einem Freier weigerte, habe der Angeklagte sie mitten in der Nacht auf einer Kreuzung „windelweich geprügelt“ und mit dem Tode bedroht. „Ich hab noch das Bild vor Augen, wie die ganzen Autos an uns vorbeigefahren sind.“ Der Mann habe sie verprügelt, dass sich der Draht ihrer festen Zahnspange gelöst und ihr von innen die gesamte Lippe aufgeschlitzt habe. Noch heute habe sie Narben im Mund.

Nachdem die Frau im Sommer 2018 eine Vergewaltigung durch den Angeklagten anzeigte, wurde dieser verhaftet. In dem Verfahren wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung war der Mann 2019 aber freigesprochen worden.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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