Prozess in KölnSkurriler Streit um Echtheit zweier Polke-Bilder

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Polke_V Bitte vorsichtig: Das „Bild ohne Titel“ wurde sorgfältig verpackt aus dem Landgericht getragen. 

Köln – Es ist Kunsttransport der besonderen Art. Ein Gemälde des 2010 an Krebs verstorbenen Künstlers Sigmar Polke ist dick in Luftpolsterfolie verpackt. Zwei Spediteure tragen es vorsichtig in Begleitung von Justizwachtmeistern und einer Rechtsanwältin in den Sicherheitsbereich des Landgerichts. Das Werk aus dem Besitz eines Kölners oder einer Kölnerin, so genau will das keiner sagen, soll bis zu zwei Millionen Euro wert sein.

Ziel des Werks mit den Maßen von 190 mal 200 Zentimeter ist Saal 209. Dort findet die Berufungsverhandlung einer 48-jährigen früheren Geliebten Polkes wegen Betrugs statt – es geht um zwei andere Bilder. Aber das Millionenbild könnte ihr zum Recht verhelfen. Es geht um die Glaubwürdigkeit eines Gutachters.

Kölner Gericht sprach im Januar Bewährungsstrafe aus

Im Januar war die Frau vom Amtsgericht zu einem halben Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden (die Rundschau berichtete). Die 48-Jährige hatte 2013 zwei Bilder für 56.000 Euro verkauft, die Polke ihr geschenkt hatte. Dabei habe sie gewusst, so das Urteil, dass die Authentizität der Papierarbeiten mit dem Motiv „Bikini-Mädchen mit zwei Männern“ wenigstens fraglich war. Das Geld muss sie laut Urteil ebenfalls zurückzahlen.

Zunächst hatte der damalige künstlerische Leiter (64) des Polke-Nachlasses die Echtheit angezweifelt, er vertrat die Erbengemeinschaft, in ihrem Namen wird das Polke-Werkverzeichnis aktuell noch erstellt. Allerdings hatte der gelernte Restaurator die Papierarbeiten niemals zu Gesicht bekommen, sondern anhand von Handyfotos geurteilt.

Ein wenigstens fragwürdiges Vorgehen, wie Verteidiger Abdou Gabbar findet, er vertritt die 48-Jährige. Seine Mandantin habe lediglich behauptet, die Werke seien von Polke – nicht, dass sie im Werksverzeichnis stünden. Ein feiner, aber wichtiger Unterschied, weil das Werkverzeichnis die Echtheit belegt.

Millionen-Werk bringt neuen Wirbel in Prozess

Nun kommt das Millionen-Werk ins Spiel: 2010 war der 64-Jährige ebenfalls sachverständiger Zeuge der Staatsanwaltschaft in dem Verfahren um das nun ins Gericht gebrachte „Bild ohne Titel“. Es existiert ein sogenanntes Zwillingsbild dieses Bildes. Das hatte er als Fälschung bewertet. Daraufhin hatte die Staatsanwaltschaft Köln das „Bild ohne Titel“ beschlagnahmt und gegen den Kölner Besitzer ein Verfahren wegen Betrugs und Urkundenfälschung eingeleitet – Kunstwerke werden juristisch als Urkunden betrachtet. Doch das Verfahren wurde eingestellt.

In der aktuellen Berufungsverhandlung um die Papierarbeiten ging es nun um die Glaubwürdigkeit dieses Sachverständigen. Richter Thomas Beenken befragte in dem Zusammenhang einen langjährigen Polke-Assistenten (60), ob er das nun vorgeführte Bild früher schon mal gesehen habe „Ja. Ich meine, ja“, antwortet der Mann in abgewetzten Hosen und mit dem grauen Pferdeschwanz.

Allerdings könne das Motiv und die Spraytechnik nicht von 1997 stammen, als das Werk signiert wurde. „1997 hat den so Sprühdings nicht mehr interessiert“, sagt der 60-Jährige. Polke habe aber in seinem Atelier in der sogenannten „Schinkenkammer“ lauter alte Werke aufbewahrt. „Haufenweise“ seien Bilder aus der Schinkenkammer „reanimiert“, also weiterbearbeitet worden.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass das das Bild ist, das ich immer gesehen habe, wenn ich in die Schinkenkammer gekommen bin.“ Auf Nachfrage des Gerichts ist sich der 60-Jährige sicher, dass das Bild „zu 85 Prozent“ ein echter Polke ist. Damit erschütterte er die Glaubwürdigkeit des Nachlassverwalters. Denn wenn er dieses Werk, so der Vorwurf , nicht beurteilen kann, wie dann eins, das er nur auf dem Handy gesehen hat?

Verteidiger holt zum Rundumschlag aus

Nach der Aussage des Zeugens zieht das Gericht sich zu einer kurzen Beratung zurück. Dann die Überraschung: Beenken legt der 48-Jährigen nahe, die Berufung zurückzunehmen. Das wäre „eine schlanke Lösung für das Verfahren auch finanziell“, sagt der Berufungsrichter.

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„Schlanke Lösung?“ Gabbar traut seinen Ohren nicht. Dann holt der Verteidiger zum Rundumschlag aus: „Hier soll kumpelhaft am Schuldspruch der ersten Instanz festgehalten werden. Da gibt jemand Werturteile anhand von Handyfotos ab. Das ist ein Stück aus dem Tollhaus. Die Kunstwelt draußen lacht sich tot über dieses Verfahren.“ Und weiter: „Ich werde Ihnen die gesamte Kunstwelt auf den Zeugenstuhl setzten und Ihnen allen erzählen lassen, was der Sachverständige für ein Scharlatan ist“, sagt Gabbar.

Die 48-Jährige ist da den Tränen nahe. Das Verfahren zehrt unglaublich an ihren Nerven. Die Bilder, so teilt sie im Gespräch mit der Rundschau mit, hatte sie damals auch nicht aus Spaß, sondern aus Not verkauft. Sie war an Krebs erkrankt, hatte keine Versicherung und musste Behandlungen bezahlen. Derzeit gehe es ihr sehr schlecht. „Ich esse nicht mehr, ich schlafe kaum noch. Wie soll das weiter gehen?“ Der Prozess wird fortgesetzt.

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