Radfahrerin gerät unter LkwDer nächste schockierende Unfall löst Debatte aus

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Nur noch ein Haufen Metall blieb nach dem schrecklichen Unfall in Sürth von dem Fahrrad über.

  • Der Unfall in Sürth reiht sich ein in eine Liste tragischer Abbiegeunfälle, an denen allesamt Lastwagen beteiligt waren.
  • Es sind vor allem die Fahrradunfälle mit den Lkw, die zu den schwersten Verletzungen und oft auch zum Tod führen.
  • Wie kann speziell dieses Gefahrenpotenzial gemindert werden?

Der Unglücksort, den die Spezialisten des Unfallteams routiniert mit ihren Hightech-Geräten vermessen, ist auch an diesem Donnerstag ein Zeugnis der Grausamkeit. Ein rotes Damenrad liegt völlig zerstört in einer Grundstückseinfahrt der Kölnstraße in Sürth, davor türmt sich ein Tanklastwagen wie ein Ungetüm auf. Eine Radfahrerin (46) ist am Morgen gegen 7.15 Uhr von dem Fahrzeug erfasst worden.

Nach bisherigen Kenntnissen der Ermittler hatte der Fahrer (37) die Frau beim Linksabbiegen in die Einfahrt übersehen. Die Radfahrerin erlitt schwerste Beinverletzungen und schwebt in Lebensgefahr.

Tragische Reihe von Abbiegeunfällen

Der Unfall in Sürth reiht sich ein in eine Liste tragischer Abbiegeunfälle, an denen allesamt Lastwagen beteiligt waren. Am Friesenplatz war vor zwei Wochen eine Radfahrerin (55) ums Leben gekommen – ein Lastwagenfahrer hatte die Frau beim Rechtsabbiegen übersehen. Vor einem Monat hatte ein Lastwagenfahrer auf dem Höninger Weg in Zollstock einen Jungen (4) an der Einfahrt zu einem Supermarktparkplatz übersehen. Der Junge starb kurz darauf an seinen schweren Verletzungen.

Bei dem jüngsten Unfall in Sürth war der Lastwagenfahrer laut Polizei zunächst ein paar Meter an seinem Zielort vorbeigefahren und hatte daraufhin den Rückwärtsgang eingelegt. Als der Mann dann vorwärts in die Einfahrt bog, befand sich die Radfahrerin auf dem Gehweg neben dem Lastwagen. Ob sie schon zuvor auf dem Gehweg unterwegs war oder nur dorthin ausweichen musste, weil ihr der Tanklaster rückwärts entgegen kam, steht laut Polizei noch nicht fest.

Pflicht für Abbiegeassistenten gefordert

Es sind vor allem die Fahrradunfälle mit den Lkw, die zu den schwersten Verletzungen und oft auch zum Tod führen. Wie kann speziell dieses Gefahrenpotenzial gemindert werden? „Wir fordern eine europaweite Pflicht für Abbiegeassistenten“, sagt Marcus Hover, stellvertretender Geschäftsführer des Verbandes für Verkehrswirtschaft und Logistik in NRW. Und er fordert ein System mit Notbremsung.

„Die Fahrer können nicht immer alle Spiegel im Blick haben und im stressigen Alltag wird auch nicht immer auf jedes Warnsignal richtig reagiert.“ Europaweit will Hover die Pflicht, „damit wir das Argument Konkurrenzvorteil herausbekommen“. Kein Spediteur soll deshalb billiger fahren können, weil er an der Sicherheit gespart hat. Hover ist sich sicher, dass sein Vorschlag bei den Verbandsmitgliedern auf fruchtbaren Boden fällt. Förderprogramme für Assistenzsysteme seien innerhalb von Stunden ausgeschöpft worden.

Unfälle mit Radfahrern

Das Unglück am Friesenplatz vor einer Woche war der erste tödliche Radunfall des Jahres in Köln. Voriges Jahr starben auf den Straßen der Stadt drei Radfahrer bei Unfällen, im Jahr 2018 waren es sogar acht – der höchste Wert der vergangenen zehn Jahre.

Die Zahl der verunglückten Radfahrer ging voriges Jahr geringfügig auf 19 85 zurück, davor waren es 2065 und damit fast doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Die Zahl der schwer verletzten Radler erreichte mit 300 jedoch einen unrühmlichen Spitzenwert. (EB)

Bei den Assistenzsystemen ist der Vorsitzende des ADFC Köln, Christoph Schmidt, durchaus bei dem Logistikverband. „Wir fordern das schon lange, aber solche Systeme sind immer nur ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor, sie ersetzen nie die Aufmerksamkeit.“ Weil der Fahrer bei dem Unfall in Sürth seinen Lkw zurücksetzte, mahnt Schmidt: „Bei solchen Manövern muss immer ein Einweiser dabei sein.“ Das Argument, die Radfahrerin sei auf dem Bürgersteig unterwegs gewesen und habe sich damit regelwidrig verhalten, lässt er nicht gelten. „Ein Auto- oder Lkw-Fahrer muss immer damit rechnen, dass Kinder eventuell in Begleitung ihrer Eltern auf dem Bürgersteig fahren.“ Das lässt die Straßenverkehrsordnung zu.

Da der Unfall sich in Sürth ereignet hat, legt Schmidt den Blick auch auf die Radinfrastruktur in den Außenbezirken. „Jeder Bezirk in Köln ist mit durchschnittlich 100 000 Einwohnern eine Großstadt für sich – und braucht deshalb auch ein angemessenes Radwegesystem.“

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