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Rechtsstreit drohtSatzung der „Parkstadt Süd“ ist unwirksam

Lesezeit 5 Minuten
Mega-Projekt: Auf einer Fläche von rund 161 Fußballfeldern will die Stadt Köln das neue Quartier „Parkstadt Süd“ entwickeln. Doch der Verwaltung fehlt nun plötzlich die Satzung und damit das Zugriffsrecht auf Grundstücke sowie Miet- und Pachtverträge.

Mega-Projekt: Auf einer Fläche von rund 161 Fußballfeldern will die Stadt Köln das neue Quartier „Parkstadt Süd“ entwickeln. Doch der Verwaltung fehlt nun plötzlich die Satzung und damit das Zugriffsrecht auf Grundstücke sowie Miet- und Pachtverträge.

Köln – Einem der größten Stadtentwicklungsprojekte Kölns droht ein jahrelanger Rechtsstreit – und damit sind plötzlich auch wieder viele Fragen offen. Kommt das Projekt namens „Parkstadt Süd“ wie geplant? Verschiebt sich der Zeitplan? Muss die Stadt Grundstückseigentümer enteignen? Und wie geht es jetzt weiter? Das Problem der Stadt Köln: Noch gehören ihr nicht alle Flächen – und die Eigentümer einiger Schlüsselgrundstücke wollen bislang nicht verkaufen.

Der übliche Preispoker? Oder doch mehr?

Zu den Eigentümern zählt ein Kaufmann, ihm gehört das Bonntor-Center an der Koblenzer Straße. Sein Anwalt Lars Diederichsen sagt: „Wenn die Stadt wirklich eine Enteignung plant, würden wir uns mit Händen und Füßen dagegen wehren. So ein Verfahren kann Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern.“

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Eine fehlerhafte Satzung und ihre Folgen

Die Stadt hat die „Parkstadt Süd“ zuletzt als beispiellos und unverzichtbar bezeichnet, ab 2023 soll es in großen Schritten losgehen. Tatsächlich geht es um 3500 neue Wohnungen, um 4500 neue Arbeitsplätze, um einen durchgängigen Grüngürtel bis zum Rhein, um 115 Hektar, umgerechnet 161 Fußball-Felder. Das hört sich nach Fortschritt an, nach grüner Lunge.

Aber zunächst steht am Anfang eines solchen Projekts trockene Juristerei: das Baugesetzbuch. Mittels der sogenannten Sanierungssatzung bestimmt die Stadt, welches Gebiet sie sanieren will, in diesem Fall die „Parkstadt Süd“ zwischen Luxemburger Straße und Rhein. Vereinfacht gesagt sichert sich die Stadt so Zugriff auf Grundstücksverkäufe oder die Verlängerung von Mietverträgen, sie brauchen eine Genehmigung – sofern die Satzung korrekt formuliert ist.

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Aber genau das ist sie eben nicht, das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hob sie am 10. April auf. Vier Kläger haben Recht bekommen, einer davon ist der Besitzer des Bonntor-Centers, zwei andere sind Marktbeschicker des Lebensmittel-Großmarkts an der Bonner Straße. Die Verwaltung hat laut Urteil unter anderem nicht aufgeführt, wie viel die „Parkstadt“ kostet und wie sie das Projekt finanzieren will.

Mietvertragsverlängerung kann nicht verhindert werden

Das heißt: Die Satzung von 2013 ist unwirksam, die Stadt muss bei Grundstückverkäufen zuschauen, kann die Verlängerung von Mietverträgen nicht verhindern. Ein Formfehler, der schon bald Konsequenzen haben könnte: Die Technische Hochschule Köln (TH) etwa sitzt in einem Bürokomplex der Polis Immobilien AG am Gustav-Heinemann-Ufer, dort am Rheinufer soll der Grüngürtel enden, ein Haus stört dann.

Laut TH-Vizepräsident Rüdiger Küchler läuft der Mietvertrag bis 2023/2024. Die TH will verlängern, laut Küchler hat die Verwaltung das Vorhaben unterbunden. Küchler sagt angesichts des Urteils: „Die Absicht ist, den Mietvertrag bis 2028 zu verlängern.“ Längere Verträge könnten für die Stadt eine größere Entschädigung bedeuten, Eigentümer Polis will sich nicht äußern.

Es geht in dieser Geschichte auch um die Frage, was wichtiger ist: ein großes Stadtentwicklungsprojekt oder doch Einzelinteressen? Und wie clever geht eine Stadt bei einem Projekt vor, das so viele Menschen betrifft? Deshalb ist es verwunderlich, dass die Stadt die Kosten nicht geschätzt hat – und so die Tür aufgemacht hat für Gegner der „Parkstadt Süd“. Brigitte Scholz, Leiterin des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik, sagte zuletzt: „Man würde heute weitere Angaben machen.“ Ein Insider vermutet, dass die Verwaltung sich nicht traute, die Zahlen zu nennen, weil es um viele Millionen Euro Entschädigung für die Besitzer geht, der Rat angesichts dieser Summen sein Okay verweigert hätte.

Neue Satzung nötig

Aktuell lässt die Stadt die Kosten ermitteln, sie muss die Satzung neu aufstellen, auch der Stadtrat muss sie wieder abnicken. Das dauert – deshalb muss es jetzt schnell gehen, eine Übergangslösung her: das sogenannte „Besondere Vorkaufsrecht“ für die Grundstücke, es gilt auch ohne die Satzung. Schon am 3. Mai soll der Rat es durchwinken. Anwalt Lars Diederichsen sagt aber: „Das Vorkaufsrecht greift ja nur, wenn jemand verkaufen will. Unser Mandant will das aber gar nicht.“ Einem möglichen Rechtsstreit sieht er optimistisch entgegen, „die Stadt hat bislang noch jeden Rechtsstreit gegen uns verloren“. Dabei ging es laut seiner Aussage vor dem Verwaltungsgericht um Änderungen am Bau oder Mietverträge.

Letztlich könnte es also auf eine Enteignung hinauslaufen. „Die Enteignung ist das letzte Mittel und nur möglich, wenn es zwingende Gründe des Allgemeinwohls gibt“, sagt Christian Zeissler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht aus Bonn. Die Frage lautet in diesem Fall also: Ist die „Parkstadt Süd“ wichtiger für Köln als ein privater Grundstücksbesitzer? Und wie sieht ein Gericht das? Oder geht es am Ende doch nur darum, den Preis hochzutreiben?

Parkstadt wird sich verzögern

Auch am Großmarkt spricht sich das Urteil herum, sagt Michael Rieke, Sprecher der Interessengemeinschaft (IG) Großmarkt. Der Lebensmittel-Umschlagspunkt soll ab 2023 nach Marsdorf umziehen, Platz machen für die „Parkstadt“. Die beiden klagenden Marktbeschicker wollen nun überlegen, wie sie vorgehen. Sie haben Verträge mit der Stadt, die ihnen Grundstücke vermietet beziehungsweise verpachtet hat. Eine Verlängerung der Verträge per Option hat die Stadt laut Rieke verhindert, logisch, sie will den Großmarkt ja verlagern, braucht die Fläche. Rieke sagt: „Bislang war die Sanierungssatzung der Hebel. Wenn sie jetzt das Ziehen der Option nicht gewährt, ist das nicht mehr so einfach.“

Die Stadt selbst hat zuletzt angekündigt, dass die „Parkstadt Süd“ sich zwar verzögern werde, aber ein Maßnahmenpaket inklusive des „Besonderen Vorkaufsrechts“ soll die Entwicklung sichern. Eine schriftliche Anfrage der Rundschau beantwortete die Stadt nicht. Anwalt Diederichsen dagegen sieht erhebliche Probleme auf die Stadt zukommen, er sagt: „Dann soll sie eben ihren Grüngürtel um das Bonntor-Center herumlegen.“

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