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„Keiner spricht über die Opfer“Kölner Krimiautorin veröffentlicht RAF-Buch

Lesezeit 5 Minuten
Maren Friedlaender in ihrem Garten in Bayenthal

Maren Friedlaender in ihrem Garten in Bayenthal

  • Die Kölner Krimiautorin Maren Friedlaender spricht im Interview, warum die RAF im Buch eine Rolle spielt.
  • Im Mittelpunkt des Romans „Schwiegen über Köln” steht erneut der Stadtteil Marienburg.
  • Wie die Autorin ihre Kommissarin Rosenthal und die erste Leiche erfand.

Köln – Frau Friedlaender, wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

Das erste Buch habe ich 1987 begonnen, als mein Sohn zur Welt kam. Am Anfang schlafen die Babys, da habe ich jede Minute genutzt. Es war eine wilde Liebesgeschichte, 300 Seiten. Ich fand sie aber beim Zweitlesen so schrecklich, dass ich das Manuskript geschreddert habe. Auch bei den nächsten Versuchen hat kein Verlag angebissen – erst 30 Jahre später, 2018, bei „Rheingolf“.

Das hat aber lange gedauert?

Bis mein Sohn mir den Tipp gab, über etwas zu schreiben, mit dem ich mich gut auskenne. Ich spiele sehr gerne Golf und habe ein Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen. Ich erfand die Kommissarin Rosenthal und meine erste Leiche. Die Geschichte schrieb sich schnell.

Als Tatort haben Sie den Marienburger Golf Club gewählt und einige Charaktere wohl zu lebensnah getroffen, so dass Sie bei einigen Club -Mitgliedern angeeckt sind...

Ich hätte die Geschichte nach Norddeutschland verlegen sollen, auch wenn da inzwischen Gras drüber gewachsen ist. Ich bin noch immer Mitglied und man grüßt mich.

Im Kölner Stadtwald liegt ein unbekannter Toter, genau dort, wo 1977 Arbeitgeberpräsident Schleyer von der RAF entführt wurde... So beginnt Ihr neuer Krimi „Schweigen über Köln“. Wie sind Sie auf das Thema RAF gekommen?

Es geht in erster Linie nicht um die Terroristen, als um die späte Rache der Opfer. Dabei waren drei persönliche Erlebnisse ausschlaggebend. Mit 21 habe ich als Redakteurin bei der „Bild“ angefangen. Direkt am ersten Tag ging es um Mogadischu, die Entführung der Lufthansa-Maschine. In dem entführten Flugzeug saßen Vater und Sohn aus Stade und ich musste zu der Ehefrau und Mutter der Entführten, um sie zu interviewen. Außerdem kenne ich die Opferseite sehr gut. Der Ehemann einer guten Freundin ist von der RAF erschossen worden. Der Mord schlug eine Schneise durch die Familie, die Kinder wollten darüber nicht reden. Vor zwei Jahren habe ich den Film „Sympathisanten. Unser deutscher Herbst“ gesehen. Die RAF-Sympathisanten saßen dabei während der Interviews in weißen Sofas und redeten über die Zeit wie ein Abenteuer. Sehr romantisierend, aber niemand sprach über die Opfer. Das gab den Ausschlag für dieses Buch.

Im Mittelpunkt steht wieder Marienburg, wohnten da die Opfer-Familien?

Nein, ich kenne mich hier im Kölner Süden einfach sehr gut aus. So kann ich die Orte auch entsprechend authentisch beschreiben. Das macht einen Lokal-Krimi aus. Die Geschichte der beiden Roman-Familien Possmann und Lühringhoff ist ja die Geschichte der Familien Albrecht und Ponto. Sie waren sehr eng befreundet. Jürgen Ponto war der Jugendfreund von Hans Christian Albrecht und der Patenonkel von dessen Tochter Susanne Albrecht. 1977 hat sie damals gemeinsam mit Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar den Patenonkel in seinem Haus erschossen.

In Ihren Büchern findet sich viel Lokalkolorit, wie die köstlichen Besuche der Kommissarin Rosenthal bei ihrer Tante Clarissa. Gibt es die wirklich?

Ja, sie wohnt in Marienburg, ist mittlerweile 101 Jahre alt, sehr aktiv, interessiert und kann bestens erzählen. Ihre positive Lebenseinstellung hat mich inspiriert.

In den Dialogen kritisieren Sie mal das Desaster rund um die Kölner Oper, mal kommentieren Sie die „Me too“-Debatte beim WDR. Zeigt sich da die Journalistin in Ihnen?

Ich bin inzwischen im Pensionsalter, aber mit Köln so sehr verwurzelt, dass ich hier und da das Bedürfnis habe, mir Luft verschaffen zu müssen. Ich saß für die FDP im Kulturausschuss, deshalb kenne ich mich auch gut in der Politszene aus. Da kriegt man schon viel mit hinter den Kulissen. Diese Details verpacke ich in meinen Büchern. Sie sind, so denke ich, das Salz in der Suppe.

Sie kritisieren aber auch die große Politik und das Geschehen rund um den Hambacher Forst?

Dass Jugendliche sich für den Klimaschutz einsetzen, finde ich in Ordnung. Was mich stört: Wenn Leute von ihren großartigen Fernreisen erzählen und dann Grün wählen. Diese Form der Heuchelei mag ich nicht.

Das heißt, Ihre Geschichten sind ein Mix aus Tatsachen, Fiktion und Kritik an den aktuellen politisch-gesellschaftlichen Diskussionen?

Genau, ich bin ein politischer Mensch und in einer ständigen kritischen Auseinandersetzung mit der Gegenwart. Ich fahre sehr gerne mit dem Fahrrad, da sieht man einfach viel mehr als mit dem Auto. Beobachten ist das A und O. Ich habe jahrelang sehr gerne im Café Faßbender an der Apostelkirche gesessen und Menschen beobachtet.

Klingt nach viel Arbeit. Wäre da ein Liebesroman nicht einfacher?

Ich habe mir in der Pandemie einen Liebesroman gegönnt: „Der Löwe Gottes“ ist eine große jüdische Liebesgeschichte. Mein Mann stammt aus einer jüdischen Familie. Katharina Focke, die Grande Dame der SPD, ist meine Schwägerin. Wenn man ihren Lebenslauf liest, sieht man, wo diese Familie überall gewohnt und gelebt hat. Das ist in den Roman eingeflossen, ansonsten ist der Plot aber Fiktion.

Wo und wann schreiben Sie am liebsten?

Ich schreibe immer zu Hause, meine beste Zeit ist vormittags. Ich bin ein Bewegungsmensch, gehe auf und ab, durch den Garten, durchs Haus.

Haben Sie am Nachttisch Notizzettel liegen?

Absolut, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass die Superideen am nächsten Morgen weg sind.

Ein letzte Frage: Sind Sie die Kommissarin Rosenthal?

Ich glaube, sie hat viele Züge von mir, aber auf keinen Fall ihr Interesse an alten weißen Männern.

Maren Friedlaender: Schweigen über Köln, Gmeiner-Verlag, September 2021, 252 Seiten, Paperback, zwölf Euro.

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