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Diakonie Michaelshoven„Wie begegnen wir uns, wie wollen wir miteinander leben?“

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1950 wurde die Diakonie Michaelshoven gegründet.

Rodenkirchen – Die Diakonie Michaelshoven feiert ihr 70-jähriges Jubiläum. Den Auftakt der Feierlichkeiten bildete ein festlicher und zugleich fröhlicher Jubiläumsgottesdienst in der Erzengel-Michael-Kirche auf dem Gelände der immer noch wachsenden Diakonie. Die Predigt hielt Nikolaus Schneider, ehemaliger Präses der evangelischen Kirche und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Neben ihm waren auch Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, und OB Reker gekommen, um der Diakonie einige Grußworte mit auf den Weg zu geben. Menschen seien zu allen Zeiten mit diakonischen Aufgaben konfrontiert gewesen und gerade damals, nach dem Krieg, habe es eine Gründungswelle entsprechender Einrichtungen gegeben.

Der Beruf als Berufung

Birgit Heide ist theologischer Vorstand der Diakonie Michaelshoven. Mit ihr sprach Judith Tausendfreund.

Was beschäftigt die Diakonie im Jahr 2020?

Demografische Veränderungen prägen unsere Arbeit. Die Gesellschaft setzt sich aus mehr Menschen, die älter werden, und weniger Menschen, die jünger sind, zusammen. Wir müssen klären, wie diese Gruppen miteinander leben wollen. Wir müssen über Wohnformen nachdenken, und wir wollen Wohnräume schaffen. Wie begegnen wir uns, wie wollen wir miteinander leben?

Wo warten weitere Herausforderungen?

Die Inklusion bleibt auf der Tagesordnung, wir müssen uns weiter Gedanken machen, wie wir Menschen mit und ohne Einschränkungen wirkliche Teilhabe ermöglichen. Das Thema „Wohnraum geben“ ist ein roter Faden, der die Arbeit der Diakonie begleitet. Daneben bleibt der Fachkräftemangel eine große Herausforderung.

Wie können die Aufgaben bewältigt werden?

Wir brauchen Menschen, die bereit sind, ihren Beruf als Berufung zu verstehen. Wir wollen die Arbeit attraktiv gestalten, und das ist uns sicher auch gelungen, sonst wären wir nicht da, wo wie heute sind – eine Diakonie ist nichts ohne ihre Mitarbeiter.

Welche Wünsche haben Sie an die Stadtverwaltung?

Eine Erwartung an die Stadtverwaltung wäre vereinfachte Verfahren, gerade mit Blick auf die Bautätigkeit. Es wäre gut, wenn das Verständnis für die wirtschaftlichen Herausforderungen der freien Träger größer wäre, vor allem bei der Finanzierung der Kitas. Wir haben viele Projekte, die über Spenden finanziert werden müssen, für die wir aber eine dauerhafte Refinanzierung als notwendig erachten.

Wie sieht die Zukunft der Diakonie aus?

Wir wollen noch stärker in die Nachbarschaft hineinwachsen, auch über Köln hinaus. Im Kern werden die Aufgaben gleichbleiben, aber die Angebote werden differenzierter. 

Auch die Anfänge der Diakonie seien in diese Welle gefallen, „sie waren eine Antwort auf die Nöte und Herausforderungen der damaligen Zeit“, so Schneider. Die Kinder und Jugendlichen, um die sich die Einrichtung damals gekümmert habe, hätten ein Dach über dem Kopf gebraucht. „Aber sie brauchten auch Bildung, Erziehung und Herzenswärme – das war ein Urimpuls zu Gründungszeiten“, so der Ratsvorsitzende.

„Diakonie als Magnet für die gesamte Stadtgesellschaft“

Im Alltag und in der Hektik eines großen Unternehmens – welches die Diakonie eben heute, nach 70 Jahren, darstellt – bestehe die Gefahr, den Ursprungsimpuls aus den Augen zu verlieren. Doch Jesus Christus, der Diakon, sei nach wie vor maß- und stilgebend. Und trotz aller wirtschaftlichen Notwendigkeiten, die es ohne Zweifel gebe, müsse der diakonische Kompass erhalten bleiben, so gab er den vielen Gästen des Gottesdienstes mit.

Uwe Ufer, kaufmännischer Leiter des Unternehmens, dankte Schneider und betonte, dass alle gemeinsam an die Zukunft glauben würden: „Wir investieren auch in diese Zukunft.“ OB Reker berichtete in ihrer Ansprache zunächst von einer ganz persönlichen Situation, die sie mit den Anfängen der Einrichtung in Verbindung bringe. Denn ihre Mutter sei aus Schlesien in die Region gekommen, „sie hatte vor allem Ungewissheit im Gepäck. Auch in der heutigen Zeit ist die Diakonie als Magnet für ehrenamtlich tätige Menschen und für die gesamte Stadtgesellschaft mehr als wichtig“.

Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes nicht immer einfach

Laumann betonte, dass die vergangenen 70 Jahre Geschichte eben auch die Geschichte der Bundesrepublik aufzeige. Die personenkonzentrierte Hilfe, die nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt worden sei, habe damals entscheidende Weichen im Umgang mit behinderten und vor allem schützenswerten Menschen gestellt. Das jetzige Bundesteilhabegesetz sei eine neue Herausforderung, die aber ebenso wichtig sei – auch wenn die Umsetzung nicht immer einfach sein, so der Minister.

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Die zu schaffenden Strukturen müssten dabei dem Menschen dienen, nicht umgekehrt, dabei sei auch Verlässlichkeit und Stabilität zentral. Der Parlamentarismus sei ein Schutzmechanismus, gerade auch für die Behindertenpolitik: „Rechtsradikale Parteien vertragen sich überhaupt nicht mit dieser“, betonte er.

Nach dem Gottesdienst, der durch den Auftritt des Gospelchores und das bemerkenswerte Orgelspiel von Christian Collum Glanz bekam, gab es vor der Kirche einen kleinen Empfang. Auf diesem konnten die Gäste die vielen Impulse des Vormittags weiter diskutieren. 

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