Rundschau-Talk in der VolksbühneKölscher Abend mit besonderen Menschen

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Eine rege Debatte über marode Schulen, Lehrermangel und Inklusion führte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer mit Rundschau-Lokalchef Stefan Sommer.

Eine rege Debatte über marode Schulen, Lehrermangel und Inklusion führte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer mit Rundschau-Lokalchef Stefan Sommer.

Köln – Beim zweiten Song von „Miljö“ hielt es das Publikum in der voll besetzten Volksbühne am Rudolfplatz nicht mehr auf den Sitzen. Der ganze Saal klatschte, schunkelte und sang aus voller Kehle mit: „Su lang beim Lommi die Leechter noch brenne...“ Der umjubelte Auftritt von Mike Kremer, Sven Löllgen und Nils Schreiber war der musikalische Höhepunkt des Jahresrückblicks „Kölner Menschen 2017“, zu dem die Kölnische Rundschau und die SK Stiftung Kultur mit Unterstützung von Netcologne eingeladen hatten.

Es war ein Abend voller besonderer Momente – mit Gästen aus Politik, Wissenschaft, Sport und Kultur, die auf ein außergewöhnliches Jahr zurückblicken. Bei der von Stefan Sommer, Leiter der Lokalredaktion Köln der Rundschau, und Hans-Georg Bögner, Leiter der SK Stiftung Kultur, moderierten Talkshow nahm als Erste die neue NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (51, FDP) Platz auf dem roten Sofa. Die Tochter des früheren Kölner Schuldezernenten Wolfgang Leirich bekannte freimütig, dass es auch bei ihr „Zeiten gab, in denen die Noten nicht so gut waren“.

Eine Nacht darüber nachgedacht

Da hätten die Lehrer immer geunkt „Was wird wohl der Herr Papa dazu sagen?“ Als man ihr nach der Landtagswahl 2017 das Ministeramt anbot, habe sie „eine Nacht darüber nachgedacht“, aber ihr sei schnell klar gewesen: „Das ist eine einmalige Chance, die man ergreifen muss.“ Gebauer verteidigte den Anspruch der FDP, in NRW „weltbeste Bildung“ etablieren zu wollen. „Wer Mittelmaß propagiert, bekommt am Ende auch Mittelmaß.“ Längst gehe es nicht mehr allein um den nationalen Vergleich etwa mit Bayern, auch international müsse man vorne dabei sein. Dafür wolle sie sich einsetzen.

Alles zum Thema Miljö

Alles andere als abgehoben präsentierte sich Insa Thiele-Eich (34), die als erste deutsche Frau ins Weltall will. Die promovierte Meteorologin setzte sich in einem harten Auswahlverfahren unter 400 Bewerberinnen durch und begann im Sommer eine Ausbildung zur Astronautin mit dem Ziel, 2020 zur Raumstation ISS zu fliegen.

Schon als Kind habe sie davon geträumt, Astronautin zu werden, sagte Thiele-Eich, deren Vater Gerhard Thiele 2000 an einer Space-Shuttle-Mission teilnahm. Für viel Heiterkeit im Saal sorgten ihre Erläuterungen, wie der Toilettengang in der Schwerelosigkeit funktioniert. Da war von „Kabinen wie im Wohnmobil“ die Rede, dass „alles abgesaugt werden muss“ und eigentlich nicht viel passieren könne, „wenn man alles richtig macht“. Dass in Kinderbüchern immer nur männliche Astronauten zu sehen seien, stört die Mutter zweier Töchter gewaltig. Mit ihrem Engagement wolle sie sich dafür einsetzen, dass sich mehr Mädchen für technische Berufe interessieren, betonte Thiele-Eich.

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Die dritte Powerfrau im Bunde macht sich ebenfalls für Mädchen stark. Frauenfußballerin Tugba Tekkal (32), die als Profi für den HSV und den 1. FC Köln gespielt hat, wurde 2017 für das von ihr ins Leben gerufene Projekt „Scoring Girls“ mit dem Ehrenamtspreis ausgezeichnet. Sie will Mädchen aus Flüchtlingsfamilien und sozial benachteiligten Familien durch Fußball Möglichkeiten zur Integration und persönlichen Weiterentwicklung bieten. Dafür fahre sie zu Flüchtlingsunterkünften, um Eltern zu überzeugen, dass dies eine gute Sache für ihre Töchter sei. „Da wird man nicht unbedingt mit offenen Armen empfangen“, berichtete die in Hannover geborene Tochter kurdischer Jesiden. Ihre Eltern hätten ihr damals das Fußballspielen verboten, „heute sind sie meine größten Fans“. Erfolg im Fußball habe sie selbstbewusster gemacht, ihr viele Chancen eröffnet – und nun wolle sie anderen etwas zurückgeben, sagte Tekkal. Dass Kanzlerin Merkel ihr Projekt im Kölner Stadion persönlich würdigte, war für sie eine besondere Ehre.

Tausendfache Mängel in der Oper

Ein ganz anderes Engagement ist Kölns früherer Baudezernent Bernd Streitberger (68) eingegangen. Als Technischer Betriebsleiter Bühnen soll er aus dem Sanierungsdesaster am Offenbachplatz wieder eine geordnete Baustelle machen. Pflichtgefühl motiviere ihn bei dieser „großen Herausforderung“, so Streitberger, der meinte: „Ich kann dem Ruhestand nicht ins Auge sehen.“

Sein Vertrag läuft bis Ende 2019, doch ließ er durchblicken, dass er das für 2022/2023 terminierte Projekt gerne zu Ende führen würde. Anschaulich schilderte er Baumängel, die es „tausendfach“ gebe. Bei der Neuplanung der Versorgungsleitungen gerate man an die Grenzen des Raums und der Statik im Gebäude. Erfreulich: Die Verhandlungen mit den Baufirmen zur Mängelbeseitigung sollen bald abgeschlossen, die Bühnentechnik bis Mitte 2018 fertig sein. Viel Beifall erhielt er für seine Aussage, die Stadt dürfe sich nicht mit der „Historischen Mitte“ am Roncalliplatz beschäftigen, so lange die begonnenen Projekte nicht fertiggestellt sind.

Mit Applaus antwortete das Publikum auch auf die Frage von Christoph Kuckelkorn (53), seit 2017 Präsident des Festkomitees, ob es okay sei, wenn er kölsch spreche. Schnell entbrannte mit Bögner eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Regeln zur korrekten Schreibweise des Kölschen. Es bereite ihm „diebischen Spaß“, sich etwa beim Sessionsmotto eben nicht an festgelegte Regeln zu halten, sagte Kuckelkorn. Auch in der Session nehme er seine beruflichen Pflichten weiterhin wahr, betonte der Bestattungsunternehmer. Mitunter pendele er mehrmals am Tag zwischen Trauerfeiern und Karnevalsterminen hin und her. Dieser Kontrast gehöre für ihn zum Leben dazu.

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