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Sanierungsnotfall in Köln-MüngersdorfSo marode ist der Wohnturm für Studierende

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Wohnhaus Müngersdorf Studenten

Der Wohnturm in Köln-Müngersdorf 

Köln – Es heißt erstmal warten, bis der Lift für die Fahrt nach oben in die 14. Etage des Wohnturms in Müngersdorf wieder frei ist. Nur einer der drei Aufzüge bis zum 27. Stock ist gerade intakt. Die alte Elektrik streikt. Hausmeister Dirk Tillmann und Paul Woitha von der Wohnheimverwaltung des Studierendenwerks Köln kennen das schon. Sie werden auf dem Rundgang mit der Rundschau von Mietern per Du begrüßt, die die Zeit für ein Gespräch nutzen – vom Stromausfall wegen des Starkregens bis zur geplanten Asbestsanierung, Themen gibt es genug. . .

Die Kümmerer des Wohnheims an der Sporthochschule Köln kennen jeden Winkel im 77 Meter hohen Koloss, knapp 50 Jahre alt und dringend sanierungsbedürftig.

Vom Erdgeschoss mit hunderten blauen Briefkästen im Foyer bis zum Dach mit Fernblick, wo verankerte Seile das Fassaden-Netz gespannt halten wie ein kompliziertes Gummitwist. Ein neues, weißes Doppel-Netz verhüllt den maroden Beton-Klotz aus den Siebzigern. Christo lässt grüßen. Das Gitternetz gewährt mehr Durchblick als die zuerst angebrachte Plane, durch die sich Silhouetten von Dom & Co. nur dunkel erahnen ließen und die für Beschwerden sorgte.

Sanierung ist fürs Frühjahr geplant

Steinschlag machte Anfang 2020 solche akuten Sicherungsmaßnahmen nötig. Die geplante Rundum-Sanierung und Modernisierung soll kommendes Frühjahr starten. Die 357 Mieterinnen und Mieter müssen allerdings ausziehen, bevor die Bauarbeiter kommen können. „Wir sind guten Mutes, dass wir alle in anderen Einrichtungen von uns unterbringen können“, versichert Dr. Klaus Wilsberg, Pressesprecher des Kölner Werks.

Zu Fuß ins Zimmer im ersten Stock geht Spoho-Student Maximilian Serger. Der 24-Jährige wohnt seit 2017 dort. Er findet die Lage am Stadion im Grünen „top“. Auch er muss raus. „Ich habe enormes Glück, seit März habe ich eine neue Wohnung gesucht und jetzt gefunden.“ Allerdings liegt sie eine Fahrstunde entfernt, in Sürth. Eine Nachbarin, die unter dem verhängten Ausblick litt und sich „isoliert“ fühlte, ist schon fort.

Weiter geht’s in den 14. Stock, nur gut Trainierte nehmen die Treppe. Die Etage ist wie alle: sechs Doppel-WGs, zwei Apartments. Leerstand gibt es selten. Die gerade freie Wohnung 14.1. ist gut geputzt. Aber das hilft nicht gegen abblätternden Putz, abgewetzten Teppichboden, strapaziertes Mobiliar. Auf knapp zehn Quadratmeter passen Hochbett, Schrank, Stuhl, Tischchen. Im Flur steht eine Miniküche mit dem Nötigsten. Eine kleine Bleibe mit dem kargen „Charme“ einer alten Jugendherberge. Viele Studierende seien auch mit Blick auf Wohnungsnot und teure Mieten auf dem freien Markt dankbar für die Unterkunft, betont Woitha.

Wohnung für 228 Euro warm

Pro Person koste es in der Doppel-WG 228 Euro warm inklusive Strom, Heizung, Internet. Durch die geltende Mietminderung von zehn Prozent im Haus sind es jetzt nur 205 Euro.

„Das muss alles weg, wird gecleant“, sagt der Hausmeister und zeigt auf Böden, Putz an Decken und Wänden, Heizkörper, Möbel. Nur das Mini-Duschbad, 2011 saniert, das bleibt. Asbestbeseitigung, neue Brandschutztüren, Rauchmelder und Stromleitungen, die To-Do-Liste ist lang. Wegen der Schadstoff-Belastung etwa im Kleber und Putz sei bei der Sanierung Vorsicht geboten, „in gebundenen Zustand ist es nicht gefährlich“, so Tillmann. Einer der Gründe, nicht während des laufenden Betriebes zu sanieren. Geprüft wurde auch ein Abriss und Neubau, so Wilsberg. „Aber das wäre noch deutlich teurer geworden.“

Der Abschied fällt nicht nur Student Timo trotz allem schwer. „Ich wohne seit einem Jahr im Einzel-Apartment, zahle 315 statt 350 Euro im Monat mit Mietminderung. Bis wir raus müssen, halt ich´s hier noch gut aus. Auf dem freien Markt müsste ich bestimmt 150 Euro mehr zahlen.“ Die Asbestbelastung bereite ihm „ein wenig Kopfweh, deswegen erleichtert es mich etwas, dass nicht im bewohnten Zustand saniert wird“. Sportmedizin-Doktorandin Ceren (29) aus der Türkei ist „sehr dankbar, dass ich hier wohnen darf“. Besonders für internationale Studis sei es schwer, etwas Bezahlbares zu finden. Sie fühle sich wohl hier mit Nachbarn aus aller Welt. „Und der Hausmeister und Verwalter haben immer viel Verständnis und Geduld.“ Die werden alle weiter brauchen.

Neue Wohnheimplätze in Köln sind gefragt

Ein komplexes Sanierungsprojekt: Die Kosten für die umfassende Modernisierung und Schadstoffbeseitigung des maroden Wohnheims des Studierendenwerks an der Sporthochschule in Müngersdorf werden auf rund 20 Millionen Euro geschätzt, der Bauantrag ist gestellt.

Um den 77 Meter hohen Wohnturm komplett zu sanieren, müssen alle 357 Mieterinnen und Mieter ausziehen. Es gibt 26 bewohnte Stockwerke. Im Januar 2020 bröckelten Teile aus der Waschbetonfassade des Baus aus dem Jahr 1975. Er wurde erst mit blickdichteren Planen verhüllt, die für Proteste sorgten. Im Mai 2021 wurden sie durch transparentere Netze ersetzt. Erste Sanierungsarbeiten sind ab März 2022 geplant.

Die Bewohner, darunter viele Spoho-Studis, sollen Angebote in anderen Häusern des Werks erhalten. Die günstigen Wohnplätze sind begehrt: 9200 Anfragen im Jahr 2020 stehen 3000 frei werden Plätzen gegenüber, insgesamt gibt es 5000, 1000 weitere wären dringend nötig. (MW)

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