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Schattenseiten des BabyboomsWas auf Kölner Eltern schon vor der Geburt zukommt

Lesezeit 5 Minuten
Symbolbild Untersuchung Hebamme

Eine Hebamme hört die Herztöne eines Babys ab. (Symbolbild)

  • Die Suche nach einer Hebamme kann sich für werdende Eltern schwer gestallten
  • Geburtsvorbereitungskurse sind meist ausgebucht und besonders am Wochenende sind begehrt

Köln – Köln wächst: Die Geburtenzahlen steigen seit Jahren. Wie stellt sich eine Stadt auf so viele Neugeborene ein? Werdende Eltern werden schon vor und kurz nach der Geburt mit dem „Babyboom“ konfrontiert – nicht immer im positiven Sinne. Henriette Westphal hat aufgeschrieben, an welchen Stellen es hakt.

Die Suche nach einer Hebamme

Mit dem positiven Schwangerschaftstest ändert sich für werdende Eltern so einiges. Hebammen empfehlen, sich bereits zu diesem Zeitpunkt um eine Hebamme für Vor- und Nachsorge in der Schwangerschaft zu kümmern. „Das Hebammennetzwerk rechnet in 2018 mit insgesamt 8000 Anfragen von Frauen. Aber nur an rund 60 Prozent konnten wir eine Hebamme vermitteln“, sagt die Kreisvorsitzende des Hebammenverbandes Köln-Rhein-Erft, Barbara Freischütz. „Das bedeutet, dass viele Frauen im Wochenbett auf sich alleine gestellt sind – oft sind das aber gerade diejenigen, die dringend eine Unterstützung nach der Geburt brauchen.“

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70 bis 80 Frauen betreut eine freiberufliche Hebamme im Jahr, wenn sie besonders viele Betreuungen hat. „Die Stadt hat bereits erkannt, dass wir die Vermittlungsquoten der Hebammen steigern müssen“, sagt Freischütz. Doch die Arbeitsbedingungen in ihrem Beruf – vor allem für Freiberufliche – seien nicht einfach, viele Strukturen müssten vor allem auf der Bundesebene verändert werden.

Geburtsvorbereitende Kurse sind oft ausgebucht

Nur wer sich rechtzeitig kümmert, kommt zum Zug. Sei es der klassische Geburtsvorbereitungskurs, Schwangerschafts-Yoga oder Aquafitness für Schwangere – überall werden Wartelisten geführt. Geburtsvorbereitungskurse am Wochenende sind begehrt und zum Beispiel im Heilig-Geist-Krankenhaus bis ins Frühjahr ausgebucht, in der Elternschule des Severinsklösterchen müssen Paare bis Ostern warten.

Hochbetrieb in den Kreißsälen

Acht Kliniken mit einer Geburtsstation gibt es in Köln: im Rechtsrheinischen sind das Holweide, Kalk und Porz; im Linksrheinischen das Krankenhaus Weyertal, Severinsklösterchen, Heilig-Geist, Hohenlind und die Uniklinik – mit 2260 Geburten im Jahr 2017 Spitzenreiter. Die Geburtshilfe des St. Vinzenz-Hospitals in Nippes wurde Ende 2017 geschlossen, sowie in St. Augustin und in diesem Jahr in Frechen.

„Wir haben versucht, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen und haben die Zahl der Hebammenstellen um ein Viertel erhöht“, so Professor Dr. Peter Mallmann, Direktor der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Uniklinik Köln. Doch es sind immer noch zu wenige: „Wir waren daher in diesem Jahr wiederholt gezwungen, zum Teil sogar ein- bis zweimal täglich, werdende Mütter abzuweisen und sofern es keinen zwingenden Grund zur stationären Aufnahme gab, diese an benachbarte Kliniken zu überweisen.“

Auch im Severinsklösterchen sind die Geburtenzahlen im Jahr 2018 zum Vorjahr angestiegen. Mit über 1800 Geburten pro Jahr sind die dortigen Kreißsäle ausgelastet. Darauf wird nun reagiert: Bis zum Frühjahr 2019 wird ein komplett neuer Kreißsaal-Bereich gebaut – dieser soll mit sechs Kreißsälen sowie zwei integrierten Sectio-OPs für Kaiserschnitte der modernste Kreißsaal Kölns sein.

Personalmangel in der Stadtverwaltung

Zwölf Arbeitstage müssen Eltern laut der Leiterin des Standesamtes, Angelika Barg, warten, bis sie die Geburtsurkunde ihres Neugeborenen bekommen. In der Praxis kann das aber auch anders aussehen: Eltern berichten von Wartezeiten von bis zu fünf Wochen nach der Geburt. Das offizielle Dokument benötigen Eltern jedoch, um jegliche finanzielle Unterstützung und Leistungen zu beantragen: Elterngeld, Kindergeld, Krankenversicherung. Das Standesamt hat reagiert und kürzlich für die Bearbeitung von immer mehr Geburtsanzeigen zwei neue Mitarbeiter in Vollzeit eingestellt. „Die Bearbeitung einer Geburtsurkunde dauert zwischen 60 und 180 Minuten“, sagt Barg – im Einzelfall, wenn Rücksprachen mit den Eltern nötig seien, auch länger.

Stark ausgelastet ist auch die Elterngeldstelle: Seit der Einführung des Elterngeld- und Elternzeitgesetzes im Jahr 2007 sind die Antragszahlen von anfangs rund 12 000 auf 17 000 pro Jahr gestiegen, teilt die Stadt Köln mit. „Viele Paare entscheiden erst nach einer ausführlichen Beratung, wie sich beide Elternteile in die Erziehung einbringen, wie die Elternzeit gestaltet wird oder ob und wie Teilzeitmodelle für beide Partner in Frage kommen“, so eine Stadt-Sprecherin. Die Anzahl der persönlichen Beratungen, der Mails und Anrufe seien in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen: Zu den Sprechzeiten kommen pro Tag rund 60 Kunden zur Elterngeldstelle, um sich persönlich beraten zu lassen, auf der Servicehotline werden zwischen 60 und 100 Telefonate entgegengenommen. Hinzu kommen Dutzende E-Mails. Um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden, hat die Elterngeldstelle zusätzliche Stellen eingerichtet. Derzeit werde auch die telefonische Erreichbarkeit verbessert.

Kinderärzte sind heiß begehrt

Derzeit sind in Köln insgesamt rund 88 Kinderärzte niedergelassen. Rechnerisch ergibt dies einen guten Versorgungsgrad von knapp über 120 Prozent, teilt die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KNVO) mit. Stadtteilbezogen sei die Versorgung jedoch unterschiedlich: „Vereinzelt kann es sicher – insbesondere bei jahreszeitlichen Erkrankungswellen – zu Engpässen kommen, auch weil die Inanspruchnahme der Pädiater hoch ist und tendenziell zunimmt, vor allem durch Vorsorgeuntersuchungen und sozialpädiatrische Aufgaben“, so Christopher Schneider, Sprecher der KVNO. In der Regel können solche Engpässe aber oft durch andere Kollegen aufgefangen werden.

Kita-Plätze, Wohnraum, Vereine, Schulen...

Insgesamt gibt es in Köln 690 Kitas – viele empfehlen eine Anmeldung bereits vor der Geburt, denn die Plätze sind rar. Bis Mitte 2020 sollen, wie berichtet, 29 zusätzliche Kindertagesstätten eröffnet werden. Mittlerweile nutzen 226 städtische sowie 437 Kitas freier Träger die elektronische Plattform „Little Bird“: „Besonders die Möglichkeit, sich online für einen Kita-Platz vormerken zu lassen, wird von Eltern als eine enorme Erleichterung empfunden“, so eine Sprecherin der Stadt.

Weitere Probleme, die auf Familien mit Kindern zukommen: geeigneten Wohnraum zu finden, Anmeldung bei Baby- und Kinderkursen und später die Anmeldung bei Grund- und weiterführenden Schulen.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Nehmen Sie Kontakt zu uns auf per E-Mail an koeln@kr-redaktion.de

Frühe Hilfen

Die Stadt Köln bietet mit dem Netzwerk „Köln für Kinder“ für Eltern und Familien ab der Schwangerschaft und mit Kindern bis zu drei Jahren einfach zugängliche Informations-, Beratungs- und Hilfsangebote an. Dazu zählen unter anderem Schwangerschaftsberatung, Eltern-Kind-Gruppen und Hilfe bei der Erziehung. Die Beratung durch Gesundheitsexperten und Sozialarbeiter ist kostenlos und vertraulich. Weitere Infos gibt es online. (wes)

www.stadt-koeln.de

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