Schonungsloser Blick auf „Krautland“Neuer Bildband über Lee Miller erschienen

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Köln – Als der Kölner Greven Verlag vor fünf Jahren den Bildband „Lee Miller. Köln im März 1945“ herausgab, boten sich den Kölnern neue, spektakuläre Blicke auf die kriegszerstörte Domstadt. Die bis dato größtenteils unveröffentlichten Schwarz-Weiß-Bilder, die die amerikanische Fotografin Lee Miller (1907-1977) beim Vormarsch der US-Armee gemacht hatte, zeigen einzigartige Momentaufnahmen aus dem befreiten Köln: Den schwer beschädigten Dom, vor dem GIs posieren. Die eingestürzte Hohenzollernbrücke im Rhein. Aus den Klauen der Gestapo befreite Häftlinge, deren Leiden man nur erahnen kann. Aber auch wohlgenährte Frauen, die vor Ruinen am Kaiser-Wilhelm-Ring lächelnd auf einer Bank sitzen und rauchen.

Lee Miller – Model und Kriegsreporterin

Der neue Band mit Kriegsfotos von Lee Miller.

Der neue Band mit Kriegsfotos von Lee Miller.

Lee Miller stammt aus Poughkeepsie im US-Staat New York. Vom Verleger Condé Nast als Fotomodell entdeckt, begann sie sich für Fotografie zu interessieren und schuf gemeinsam mit dem Künstler Man Ray, ihrem zeitweiligen Geliebten, Ikonen der Fotogeschichte. 1944 und 1945 dokumentierte sie als Kriegsfotografin für das US-Magazin „Vogue“ die Befreiung Frankreichs und Deutschlands durch die US-Armee. Neben Köln besuchte sie Aachen, Bonn, Remagen, Frankfurt, Heidelberg, Ludwigshafen, Weimar, Leipzig, Nürnberg und München. (fu)

Jetzt hat der Greven Verlag einen weiteren Fotoband vorgelegt, der Lee Millers gesamte Deutschland-Tour im Frühjahr 1945 von Aachen über Köln und Bonn bis nach München abbildet. Erneut sind es zu einem großen Teil Bilder, die hier zum ersten Mal veröffentlicht werden – in hervorragender Qualität. Dafür wurden in Zusammenarbeit mit den Lee Miller Archives in England die Originalaufnahmen in hoher Auflösung gescannt.

Stärkste Fotografien von Miller

Der Band zeigt einige von Millers stärksten Fotografien aus Köln, aber auch Szenen aus dem Umland, die ausgebrannte Lastwagen und Panzer zeigen oder Frauen, die fröhlich einen Schützengraben zuschaufeln. Je weiter ihre Reise geht, desto stärker arbeitet Lee Miller heraus, was schon in ihren Kölner Bildern deutlich zu Tage tritt: Ihr Mitgefühl für die Opfer des nationalsozialistischen Größenwahns steht in starkem Kontrast zur Verachtung, die sie für die Deutschen empfindet. Wie der Historiker Prof. Dr. Richard Bessel in der Einleitung schildert, hatte Miller nach ihrem Aufenthalt in Köln die Dreistigkeit in „Krautland“ beklagt: Zweifellos hätten die Deutschen („Krauts“) über die Gräueltaten Bescheid gewusst und versuchten nun, sich als Unbeteiligte darzustellen. Die Menschen, denen sie begegnete, seien „abstoßend in ihrer Unterwürfigkeit und ihrer geheuchelten Liebenswürdigkeit“.

In präzisen Kompositionen dokumentiert Miller das Grauen in den KZs Dachau und Buchenwald, ebenso schonungslos zeigt sie tote Nazigrößen, die sich kurz vor Kriegsende das Leben genommen haben. In München fotografiert sie Plünderungen, aber auch Männer beim Bier im Hofbräuhaus, die den Krieg augenscheinlich unbeschadet überstanden haben. Ein Highlight sind die Fotos aus Adolf Hitlers Privatwohnung in München. Hier nahm Miller sogar ein Bad – ihr Kollege David Scherman hielt die Szene für die Nachwelt fest.

Richard Bessel: Lee Miller Deutschland 1945. 140 Seiten mit 159 Abbildungen. ISBN978-3-7743-0698-1. 25 Euro.

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