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Sehnsucht nach HeimatklängenWie aus der Beat-Gruppe Stowaways die Bläck Fööss wurden

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Wie in alten Zeiten: Anfang der 1970er Jahre standen Hartmut Priess und Bömmel Lückerath (hinten, v.l.) sowie Erry Stoklosa (u.r.) und Wolfgang Lypold als Mitglieder der Stowaways mit Schlagersänger Graham Bonney (u.l.) auf der Bühne und im Tonstudio.

Wie in alten Zeiten: Anfang der 1970er Jahre standen Hartmut Priess und Bömmel Lückerath (hinten, v.l.) sowie Erry Stoklosa (u.r.) und Wolfgang Lypold als Mitglieder der Stowaways mit Schlagersänger Graham Bonney (u.l.) auf der Bühne und im Tonstudio.

Köln – Die Begrüßung in den Deutzer Geschäftsräumen der Bläck Fööss fällt herzlich aus. Hände werden geschüttelt, Umarmungen ausgetauscht. Erry Stoklosa, Bömmel Lückerath und Hartmut Priess sehen sich hier regelmäßig, nun sitzen auch Schlagersänger Graham Bonney und Wolfgang Lypold am großen Konferenztisch. Lypold spielte einst Schlagzeug bei den Stowaways, der Vorgängerband der Bläck Fööss. Und Bonney motivierte die Fööss damals, doch bitte kölsch statt englisch zu singen.

Hartmut Priess geht es bei diesem Treffen nicht um rührselige Folklore oder den über die Jahrzehnte verklärten Blick auf die Gründungszeit seiner Bläck Fööss. Es geht ihm um die Phase der persönlichen und musikalischen Selbstfindung im Nachklang der 1968er-Revolte. Fünf Jahre lang existierten Stowaways und Bläck Fööss parallel, der kölsche Band-Name kam nur im Karneval zum Einsatz. „Wir wollten unseren guten Ruf nicht aufs Spiel setzen“, erinnert sich Erry Stoklosa. Auf der ersten Single mit den Liedern „Rievkooche Walzer“ und „Silverhuhzick“ war – für die damalige Zeit völlig untypisch – nicht etwa die Band abgebildet, sondern eine Karikatur nackter Füße.

Tätigkeit als Karnevals-Band war lukrativ

Die Betätigung als kölsche Gelegenheits-Band hatte vor allem finanzielle Gründe. Im Karneval wurde gut gezahlt. „Die Säle wirkten damals wie eine eisige schwarze Wand. Es wurde noch Anzug getragen, das war gruselig“, erinnert sich Wolfgang Lypold, später Manager der Gruppe. Und oben standen die Bläck Fööss und sangen Hits aus England. „Die Jugendlichen hatten die Schnauze voll von Ufftata im Karneval“, meint Lypold. Bis dahin prägten Lieder von Willi Ostermann und Karl Berbuer die Brauchtumsmusik. „Beim Literatenstammtisch, wo die Gruppen gebucht wurden, hieß es anfangs: Kauft euch was ordentliches zum Anziehen“, erinnert sich Bömmel Lückerath. Inzwischen gehörte auch Tommy Engel zu den Fööss, dessen Vater Richard als Mitglied der Gesangstruppe „De vier Botze“ auf den Kölner Bühnen bestens bekannt war.

Alles zum Thema Bläck Fööss

In jener Zeit hatten die Stowaways einen Auftritt in einer Studentenkneipe auf der Dürener Straße in Lindenthal. „Sie sangen Stücke vom Beatles-Album ,Sergeant Pepper’“, erinnert sich Graham Bonney, der damals zu den Zuschauern gehörte. Die Stowaways hatten es ihm angetan. „Der Gesang war sehr harmonisch“, sagt er. Bonney war damals bekannt durch den Schlager „Wähle 333“ und trat regelmäßig in Fernsehshows auf. „Ich hatte durch dieses Lied einen Stempel auf der Stirn“, meint er. So wurden die Stowaways seine Begleitband. „Ich habe sie ermuntert kölsch zu singen, denn die Beat-Zeit war vorbei und die englische Konkurrenz zu groß“, sagt er.

Doch erst ein Konzert auf dem Alter Markt im Jahr 1975 wirkte als Initialzündung für die Bläck Fööss. Wieder hatten sie halb englisch halb kölsch gesungen. „An unserem Band-Bus hing anschließend ein Zettel, auf dem stand: Warum spielt ihr nicht nur kölsche Lieder?“, erinnert sich Priess. Von da an habe sich die Band zu ihrem kölschen Namen und der kölschen Identität bekannt. Ein Jahr später erschien das Album „Lück wie ich un du“. Ein Bekenntnis zur Stadt.

Ein Zettel am Band-Bus war die Initialzündung

In beinah jedem ihrer Lieder singen die Bläck Fööss von Heimatgefühlen unterschiedlichster Ausprägung. „Durch den Krieg und die Propaganda der Nazis war das Thema Heimat stark belastet. Wir haben Geschichten erzählt und nachvollziehbare Lieder gesungen. Für viele Menschen war dies eine Art Reparatur des Heimatbegriffs“, erklärt Priess. Das hatte auch die rechtsextreme NPD bemerkt und angefragt, ob das Lied „In unserm Veedel“ bei einer Partei-Veranstaltung gespielt werden dürfe. „Da sind uns sämtliche Gesichtszüge entgleist“, sagt Stoklosa.

Schon 1973 hatten die Bläck Fööss die Nummer „Drink doch ene met“ erschaffen und die Geschichte vom „ahle Mann“ erzählt, der kein Geld für ein Kölsch hat und wie ein Fremdkörper vor einer Kneipe lungert. Was kaum jemand weiß: Das Stück war ursprünglich ein Kinderlied mit dem Titel „Mach doch bei uns mit“, gesungen von der Band „Sandwich“, zu der in den 1960er Jahren unter anderem die späteren Fööss Erry Stoklosa, Hartmut Priess, Peter Schütten und Tommy Engel gehörten. Im Text (siehe Kasten) ging es um Mobbing, wie es heute heißt. „Hänseln“ nennt es Lypold.

Damals waren die Stowaways fester Bestandteil des Kinderprogramms im WDR, Radiomoderator Georg Bossert hatte den Kontakt zu den Musikern hergestellt. Bei der Kult-Sendung „Bettys Beat-Box-Haus“ waren sie zu sehen. „Was wir da gelernt haben, ist Bestandteil der Bläck-Fööss-Musik der nächsten 30 Jahre geworden“, stellt Priess fest. Moderne Töne und ein neuer pädagogischer Ansatz seien das gewesen, was ihn an der Kindermusik gereizt haben.

Den eigenen Weg gehen. Auf eigene Talente vertrauen. Darauf kommt es Priess noch heute an. Die Bläck Fööss haben das geschafft.

Aus kinderlied wird „drink doch ene met“

Die Gruppe „Sandwich“ , zu der viele spätere Fööss-Musiker gehörten, sang einst „Mach doch bei uns mit“, die Melodie ist identisch mit „Drink doch ene met“. Hier ist der Text:

1. Ein Junge steht am Schulhof vor der Tür. Er ist klein und hat ein hässliches Gesicht. Die Anderen lachen über ihn, egal, was er spricht. – Ein Mädchen läuft an ihm vorbei. Und ein Lehrer schaut ihn an. Er wünscht sich, dass jemand zu ihm kommt, und ihn einfach fragt: Mach doch einfach mit, stell dich nicht so an. Du stehst sonst die ganze Zeit nur rum. Wenn die anderen lachen, nimm es nicht so schwer. Mach doch mit und kümmer dich nicht drum.

2. In einer Vorstadtstraße steht ein Kind, das neu hier ist und keinen kennt. Es weiß noch nicht, wo es spielen soll, ihm ist alles fremd. Ein großer Junge schenkt ihm ein Bonbon – und zeigt ihm den Spielplatz nebenan. Doch was nützt das alles für das Kind, solange keiner sagt: Mach doch einfach mit, stell dich nicht so an. Du stehst sonst die ganze Zeit nur rum. Wenn die anderen lachen, nimm es nicht so schwer. Mach doch mit und kümmer dich nicht drum. (tho)

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