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Serie „Expedition KVB-Endstation“Am Hermeskeiler Platz findet man echtes Dorfleben

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Zwei Mal in der Woche  ist Markt auf dem Hermeskeiler Platz. Für die  Bürger aus dem Veedel ein fester Termin.

  • In unser Serie „Expedition Endstation“ fahren wir die KVB-Straßenbahnlinien aus der City bis zum Ende.
  • Zum Auftakt fuhren Johanna Tüntsch und Nabil Hanano mit der Linie 9 zum Hermeskeiler Platz in Sülz.
  • Sie entdeckten ein Dorf im Veedel.

Köln – In unser Serie „Expedition Endstation“ fahren wir die KVB-Straßenbahnlinien aus der City bis zum Ende. um Auftakt fuhren Johanna Tüntsch und Nabil Hanano mit der Linie 9 zum Hermeskeiler Platz in Sülz. Sie entdeckten ein Dorf im Veedel.

Ein wenig verschlafen liegt er da, der Hermeskeiler Platz. Das war nicht immer so, erzählt Heribert Resch, der hier als Kind noch die Bombenangriffe erlebt hat: „Ich war fünf Jahre alt, bei einem Bekannten auf dem Arm und habe geschrien wie am Spieß.“ Später folgten bessere Zeiten: „Nach dem Krieg wurden Schienen verlegt, auf denen in Loren der Schutt der ausgebombten Häuser zum Beethovenpark gebracht wurde, so entstand der Pilzberg. Für uns Kinder war das natürlich spannend!“

Das Geschehen in der Siedlung konnte Resch von der elterlichen Metzgerei aus beobachten, die gleich am Platz lag. Später übernahm er den Betrieb zusammen mit seiner Frau Christa, ursprünglich aus der Eifel, die hier zu Hause ist, seitdem sie mit 14 Jahren bei Reschs in die Lehre ging. „Sie kannte von 400 Kunden die Namen und wusste oft schon, bevor sie den Laden betraten, was sie wollten“, sagt er. Sie lacht.

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Familiäre Stimmung rund um den Platz

Auch heute noch geht es in den kleinen Geschäften rund um den Platz familiär zu. „Ach, ich ziehe das jetzt schnell so über“, sagt angesichts der besetzten Umkleidekabine eine Kundin in Silvia Hoffleits Boutique „Bag it“, steigt kurzerhand gleich im Laden aus ihrem Kleid und probiert ein anderes an.

Heute laden rund um den Platz mehrere inhabergeführte Läden ein zum Stöbern und Schmökern. Geschenkartikel und Spielzeug gibt es bei Bärbel Hamblochs „L'Optimiste“, Mode und Handtaschen führt Silvia Hoffleit in ihrer Boutique „Bag it“ und Gert Hoffmann bietet mit Blechschildern, Möbeln, Dosen und Porzellan einen charmanten Mix aus echtem und nachgeahmtem Trödel an. Zum Einkehren stehen zwei Bäckereien zur Auswahl und das Café „im März“, in das auch die Nobel-Eisdiele „Keiserlich“ integriert ist. Michael und Katrin Ross wissen, was auf den Nachttischen der Anwohner liegt: Sie weiß von vielen Menschen, die rund um den Platz leben, was bei ihnen auf dem Nachttisch liegt. Er betreiben den Buchladen „Baskerville“. Dessen Gründung 2006 war eigentlich ein Zufall. Das Paar arbeitete für die Uni an einem filmwissenschaftlichen Projekt, suchte ein Büro und fand ein leerstehendes Ladenlokal am Hermeskeiler Platz.

Auflage des Vermieters: Hier solle ein Laden geführt werden. „Spontan sagte ich: Wir machen einen Buchladen auf“, erinnert sich Michael Ross (47). Anfangs habe es neben den Schreibtischen von ihm und seiner Frau nur zwei Regalmeter Bücher zum Verkauf gegeben. Unerwartet war dann aber die Nachfrage so groß, dass „Baskerville“ heute das Hauptstandbein der Familie ist. „Wir beschränken uns auf wenige Verlage, gehen in deren Programm dann aber mehr in die Tiefe, wo es ja auch empfehlenswerte Perlen gibt“, so Ross.

Seine Empfehlung für alle, die zum ersten Mal zum Hermeskeiler Platz kommen: „Zweimal hinsehen!“ Auf den ersten Blick war er nämlich selbst nicht sehr beeindruckt von der Gegend. Heute weiß er: „Es lohnt sich, und auch einmal in die kleinen Sträßchen zu gehen, vor allem, wenn man sich für Architektur interessiert.“

Ein separates Dorf im Veedel: Nur ein Restaurant fehlt

Gepflegte Reihenhäuser prägen das Bild. Die älteren wurden in den 1920er Jahren für führende Angestellte der Stadt gebaut, andere kamen in den 50er und 60er Jahren hinzu. Aus den blühenden Vorgärten strömt Rosenduft. „Das hier ist das alte Dorf Kriel. Wer hier wohnt, fühlt sich mit Sülz eigentlich nicht verbunden“, sagt Sebastian Welzel (47). Vor einigen Jahren zog er mit seiner Familie in eine der Seitenstraßen. Das Lebensgefühl ist entsprechend: „Die Kinder können auf der Straße spielen wie in einem 500-Einwohner-Dorf in der Eifel. Trotzdem sind wir in fünfzehn Minuten mit dem Fahrrad in der Stadt“, das gefällt ihm.

Nur 500 Meter entfernt steht auch eine echte Sehenswürdigkeit: Kölns zweitälteste Kirche, der Krieler Dom. Zu ihm führt vom Platz aus die Straße „Am Krieler Dom“. Das Kleinod, dessen älteste Mauern bis in das zehnte Jahrhundert zurückreichen sollen, ist wochentags meist geöffnet. Besucher können in den Vorraum eintreten und von dort durch ein Gitter in den Kirchsaal hineinsehen.

Was fehlt, ist ein Restaurant am Platz, in dem man den Tag gemütlich ausklingen lassen könnte. Anwohner Welzel findet das aber weniger schade als die Tatsache, dass die Stadt nicht mehr tut, um den Platz als solchen aufzuwerten. „Einer meiner Nachbarn ist Architekt. Er hat schon in den 70er Jahren ein Konzept eingereicht mit dem Ziel, zum Beispiel eine der Straßenachsen für den Autoverkehr zu sperren und dort Sitzgelegenheiten zu schaffen“, erzählt er. Leider habe es keine Reaktion gegeben. Deswegen parken hier, außer an den Markttagen, viele Autos.

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Trotzdem können sich Besucher Zeit lassen, bevor sie wieder in die Bahn steigen. Die Lage bietet sich an für einen Spaziergang im Grünen. Hat man die Parzellen der Kleingarten-Kolonien hinter sich gelassen, braucht man nur noch einmal den Militärring zu überqueren und ist im Stadtwald, gleich beim Decksteiner Weiher. Wochenmarkt ist auf dem Hermeskeiler Platz immer dienstags und freitags von 7 bis 13 Uhr.

Einkehren im Grünen mit Blick aufs Wasser kann man im Haus am See, etwa eine halbe Stunde Fußweg vom Hermeskeiler Platz entfernt. Dienstags bis sonntags, 11 bis 22 Uhr.

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