Serie „Jüdisches Leben“ in KölnSpektakulärer Torawimpel im Museum Schnütgen gefunden

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Mit plastischen Darstellungen warten die Mappot auf. 

  • Das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ endet mit diesem Monat.
  • Die Rundschau beendet ihre Serie zu jüdischem Leben in Köln mit einem Sensationsfund aus dem Museum Schnütgen.

Köln – Ein Zweig mit zarten grünen Blättern und roten Knospen umrankt zwei ausgebreitete Hände. Es sind die segnenden Priesterhände. Die folgenden Worte weisen Leib Oppenheim, den Vater des Gedalija Oppenheim, um den es eigentlich geht, ebenjenem Priestergeschlecht zu, das im Tempel in Jerusalem den Dienst am Altar versah. Sie sind Botschaft und Wunsch für den kleinen Gedalija. Die Darstellungen auf dem reichhaltig ausgeschmückten Torawimpel (Mappa) aus dem Jahr 1774 wirken außerordentlich plastisch. Gefunden wurden dieser und ein weiterer reich verzierter und mehrere Meter langer Torawimpel im Museum Schnütgen.

Dass diese Judaica sich in dem ausgewiesenen Museum für christliche Kunst befinden, ist nahezu eine Sensation. Zwar gehören die mit Text und Bild ausgestalteten Torawimpel schon sehr lange zum Fundus des „Museum Schnütgen – Kunst des Mittelalters“, dennoch war ihr Fund im Depot selbst für die Judaistin und Abteilungsleiterin des LVR-Museums MiQua (Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln) Christiane Twiehaus eine ebenso große Überraschung wie für die Museumsverantwortlichen selbst.

„Wir haben tatsächlich einen kleinen Bestand an jüdischen kunsthandwerklichen Gegenständen“, sagt Museumsmitarbeiterin Kim Mildebrath. Dass das Museum einige Judaica besitzt, war bis zu einem Aufruf der Stadt Köln gar nicht präsent. „In Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr 2021, in dem sich jüdisches Leben in Köln seit 1700 Jahren nachweisen lässt, haben wir uns auf Bitten der städtischen Verwaltung selbst auf die Suche nach Zeugnissen jüdischer Kunst begeben.“ Dabei seien neben einigen anderen Objekten die bestickten und bemalten Mappot entdeckt worden.

Eine besonders anrührende Darstellung zeigt ein Hochzeitspaar bei der Überreichung des Hochzeitsrings. Mann und Frau stehen dabei unter einem Baldachin (Chuppa). Über der lieblichen Darstellung des Paares ist ein gelber Stern in den Stoff des Baldachins eingewebt. In den Kartuschen rechts und links des Sterns sind in hebräischen Lettern fein säuberlich und akkurat eingearbeitet die Worte „Masal“ und „Tow“ zu lesen, wörtlich übersetzt „guter Stern“, in landläufigem Sinne der Wunsch: „Viel Glück!“ Akkurat, liebevoll und fein säuberlich gestaltet ist auch die rund dreieinhalb Meter lange Mappa „Schim’on Segal“ aus dem Jahr 1821. Die dargestellten Szenen und Botschaften wurden mit Farbe aufgetragen. Jeder Buchstabe ist reich verziert und verleiht der Botschaft Aus- und Nachdruck: „Schim’on, Sohn des ehrenwerten Herrn Schlomo Segal, geboren unter einem guten Stern 25. Cheschwan 582 nach der kleinen Zeitrechnung des Herrn.

Möge er heranwachsen zur Tora, zur Chuppa und zu guten Taten. Amen Sela.“ Der Rabbiner hält diese Textstelle mit weit ausgebreiteten Armen in die Höhe, so als wolle er nicht nur Schim’on Segal, sondern alle Betrachter auf die Bedeutung dieser Bibelstelle hinweisen.

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„Bei diesen beiden Torawimpeln handelt es sich um sehr sorgfältig, ja penibel gestaltete Wimpel von außerordentlicher Qualität“, sagt Christine Twiehaus. Torawimpel werden aus dem Beschneidungstuch zusammengesetzt. Darauf werden anschließend Segenssprüche künstlerisch angeordnet sowie die wichtigsten Stationen des jüdischen Lebens dargestellt.

„Die Torawimpel werden dann um die Tora gewickelt und symbolisieren so den Bund mit Gott.“ Die Objekte sind kaum erforscht. Die Namen der Neugeborenen und ihrer Väter sind anhand der Beschriftungen klar zu identifizieren, zudem einige Jahresangaben. Durch die bildlichen Darstellungen lassen sich auch wichtige Lebensstationen eines Juden anschaulich nachvollziehen.

Fragen zu den Stoffen bleiben offen

Dennoch bleiben Fragen offen: Aus welcher Stadt kommen die Mappot? Wo liegen ihr Ursprung, ihre Herkunft? Wer hat sie in welche Synagoge gebracht? Wie gelangten sie ausgerechnet in die Sammlung des Schnütgen? Eine weitere Herausforderung, bis Twiehaus: „Wie können wir die Mappot angemessen und den konservatorischen Erfordernissen entsprechend ausstellen?“

Eine dauerhafte Präsentation, wie beispielsweise im Rahmen des coronabedingt bis zum 23. Juni verlängerten Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ war aus konservatorischen Gründen nicht möglich. Vielleicht gelingt es in einigen Jahren am Kölner Rathaus? Dort entsteht gerade in Kooperation von Landschaftsverband Rheinland (LVR) und Stadt Köln über den Resten des mittelalterlichen jüdischen Stadtviertels das „MiQua – LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln“. Bei den Mappot handelt es sich unbestritten nicht nur handwerklich, sondern auch inhaltlich um Objekte von derart außerordentlicher Qualität, die jedes Museum zieren würde.

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