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Wohnung gesucht!Zwei Experten – Braucht Köln einen Mietendeckel?

Lesezeit 5 Minuten
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Gestapelte Wohnungen: Der Vonovia-Wohnpark in Köln-Bayenthal.

  • Im vierten Teil unserer Serie „Wohnung gesucht!“ geht es um den Mietendeckel.
  • Prof. Dr. Christoph Butterwegge spricht sich für den Deckel aus.
  • Thomas Tewes dagegen sagt, mit einem Deckel sinke die Qualität der Wohnungen. Neubau werde verhindert.
  • Ein Pro und Contra.

Köln – Prof. Dr. Christoph Butterwegge,  68, Politikwissenschaftler Uni Köln,  Linken-Bundespräsidentschaftskandidat 2017

Pro

Durch den vom Berliner Senat beschlossenen „Mietendeckel“ sollen Vermieter für von fünf Jahren daran gehindert werden, die Wohnungsmiete über die allgemeine Preissteigerungsrate hinaus zu erhöhen. Ein solches Preismoratorium mit Inflationsausgleich für Vermieter ist gewiss kein Patentrezept, um das Problem der in sämtlichen Ballungsräumen sowie Groß- und Universitätsstädten der Bundesrepublik teilweise drastisch steigenden Mieten zu bewältigen.

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Kurzfristig kann es aber als Notlösung dienen und den politisch Verantwortlichen kostbare Zeit verschaffen, in der sie den kommunalen und sozialen Wohnungsbau ankurbeln müssten. Denn nur wenn der Staat seine Verantwortung für die öffentliche Daseinsvorsorge wahrnimmt, zu der auch die Wohnungsversorgung gehört, kann er eine weitere Spaltung der Gesellschaft sowie der Großstädte in Elends- und Luxusquartiere verhindern.

Markt ist unfähig Wohnraum fair zu regulieren

Da sich der Markt als unfähig erwiesen hat, eine adäquate Wohnungsversorgung für alle Bevölkerungsschichten sicherzustellen, muss sie vom Staat aus Gründen der sozialen Verantwortung für seine Bürger gewährleistet werden. Niemand darf wegen seines geringen Vermögens und seines zu niedrigen Einkommens auf der Strecke bleiben. Vorbild kann Österreich sein, wo die Hälfte aller Mietwohnungen öffentlich gebaut oder gefördert sind.

Die manchmal skandalösen Zustände auf dem Mietwohnungsmarkt sollten hierzulande Anlass sein, über eine Wende in der Wohnungspolitik nachzudenken. Mit einer halbherzigen „Mietpreisbremse“ für Teilwohnungsmärkte war das Problem des Wohnungsmangels für Einkommensschwache nicht zu lösen. Wohngelderhöhungen helfen letztlich weniger bedürftigen Familien als den Eigentümern jener Häuser, in denen sie zur Miete leben, und sind als „Subjektförderung“ daher eine staatliche Fehlsubvention.

Öffentlichen Wohnungsbau beleben

Dass sich die Bundesregierung von einer Erhöhung des Wohngeldes, einer Anhebung der Miethöchstgrenzen und der Freibeträge ab 1. Januar 2020 sowie seiner Dynamisierung zum 1. Januar 2022 eine spürbare Verringerung der Armut verspricht, dokumentiert ihre Unfähigkeit, das Problem an der Wurzel zu fassen, also seine strukturellen Ursachen zu bekämpfen.

Wirkungsvoller wäre die sog. Objektförderung: Der soziale Mietwohnungsbau, seit den 1980er-Jahren immer stärker eingeschränkt, müsste im großen Stil wieder aufgenommen und zügig vorangetrieben werden, um Geringverdienern, Alleinerziehenden und großen Familien eine angemessene Bleibe zu bieten.

Nötig wären eine Wiederbelebung des öffentlichen Wohnungsbaus und eine Wiederherstellung der Wohnungsgemeinnützigkeit, womit die Aktivitäten genossenschaftlicher und kommunaler Wohnungsbaugesellschaften stimuliert würden. Letztlich müssen die Kommunen in die Lage versetzt werden, verstärkt selbst zu bauen, wie das mit den Wiener Gemeindebauten in der österreichischen Hauptstadt seit fast 100 Jahren geschieht.

Thomas Tewes, 50, Hauptgeschäftsführer des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins

Contra

Der Mietendeckel ist keine Erfindung der Berliner Linken. In Deutschland gibt es ihn schon seit 1936. Die Idee zeigte sich langlebiger, als es manchem recht war. Denn das Einfrieren von Mieten ist für Politiker die einfachste Methode, sich beliebt zu machen. Allerdings zeigt die Geschichte auch, dass Mietendeckel eine verheerende Wirkung auf den Wohnungsmarkt haben und eigentlich genau der Klientel schaden, für die er gedacht ist.

Die beschriebenen Folgen sind Fakten, die es in vielen Ländern zu beobachten gibt und wissenschaftlich erwiesen sind. Das Angebot an Mietwohnungen geht zurück. Je strenger der Mietenmarkt reguliert wird, umso größer wird die Anzahl an Personen, die im eigenen Heim wohnen. Deutschland hat eine sehr niedrige Eigentumsquote von unter 50 Prozent.

Mietendeckel drückt Qualität des Wohnraums

Diese liegt in Ländern mit Mietpreisregulierung wie Spanien oder Schweden erheblich höher. Mieter werden so aus dem Markt gedrängt und können sich nicht mehr ausreichend mit Wohnraum versorgen. Das kann zwei Gründe haben. Die Vermietung wird unrentabel. Die gedeckelten Mieten führen dazu, dass die Vermietung nicht mehr rentabel ist.

Steigende Kosten stehen einem fixen Einkommen gegenüber. Insofern entscheiden sich Eigentümer, Mietwohnungen in Eigentumswohnungen aufzuteilen und diese zu verkaufen. Zuvor jedoch versuchen Vermieter, die steigenden Kosten durch den Verzicht auf Modernisierung und Instandhaltung aufzufangen. Somit sinkt die Qualität des angebotenen Wohnraums erheblich.

Verhinderung von Neubau - Deckel ist unsozial

Es gibt eine Zweiteilung des Marktes. Mit der Mietpreisdeckelung wird der Markt zweigeteilt: in jene, die eine Wohnung haben und diese nicht mehr aufgeben wollen, und alle anderen, die verzweifelt eine Wohnung suchen und keine bekommen oder für die der nichtregulierte Teil zu teuer ist. Denn der Mietendeckel schafft keine einzige neue Wohnung, er verhindert Wohnungsneubau. Insofern erweist sich der Mietendeckel als äußerst unsozial für einen großen Teil der Bevölkerung.

Die Nachfrage nimmt aber zu. Die Höhe des Mietniveaus hat auch einen regulierenden Faktor. Seit geraumer Zeit erfreut sich das Umland von Köln wieder steigender Beliebtheit. Das ist für viele Kommunen eine Chance zur Aufwertung, die diese auch fleißig nutzen. Leider ist die öffentliche Hand lange Zeit sehr kurzsichtig unterwegs gewesen und hat dringende Investitionen in die Infrastruktur unterlassen.

Politiker sollen Ideologien beiseite lassen

Wird das Mietniveau in der Stadt künstlich niedrig gehalten, so steigt der Nachfragedruck wieder erheblich an. Darüber hinaus werden sich einkommensstärkere Haushalte mit mehr Wohnraum versorgen, denn dieser ist nun sehr günstig zu haben.

Der Mietendeckel bringt erhebliche negative Nebenwirkungen mit sich. Politiker wären also gut beraten, Ideologien beiseite zu lassen, sich an Fakten zu orientieren und eine ausgewogene Wohnungspolitik zu machen, in der sowohl Mieter als auch Vermieter nicht zu kurz kommen. Daher lehnt der Kölner Haus- und Grundbesitzerverein einen Mietdeckel ab.

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