SFB 1252Wissenschaftler untersuchen „Prominenz in Sprache“

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Weltweit erforschen Kölner Experten die „Prominenz, erläutert Prof. von Heusinger.

Weltweit erforschen Kölner Experten die „Prominenz, erläutert Prof. von Heusinger.

Köln – Auf diesem roten Teppich stehen keine Filmstars im Rampenlicht, sondern „Prominenz in Sprache“. Dabei handelt sich um ein einzigartiges Forschungsfeld: SFB 1252 nennt sich bescheiden dieser Sonderforschungsbereich der Kölner Universität. Das Team der über 70 Sprachwissenschaftler – von Afrikanisten und Germanisten bis Slawisten – nimmt sich die Promis, die „Celebrities im Blitzlichtgewitter der Sprache(n)“ vor. Dabei stehen hervorstechende Wörter, markante Satzstrukturen und ihr Organisationsprinzip im Fokus. Denn diese erfüllen einen ganz besonderen Zweck, wenn wir miteinander ins Gespräch kommen.

Was macht den Hörer worauf besonders aufmerksam? Wie vermitteln wir, was uns wichtig ist? Das sprachliche Prominenz-Prinzip spiele im Verarbeiten der täglichen Informationsflut eine zentrale Rolle, erläutert der Sprecher des Sonderforschungsbereichs, Professor Klaus von Heusinger. Und bei der Erzeugung von Prominenz greift auf einmal alles ineinander: Von der Lautstärke bis zum Satzbau, von der Betonung bis zur Grammatik.

Verlängerung erwünscht

Der Anfang 2017 gestartete SFB führt dabei viele Teilbereiche der Linguistik und Neurowissenschaft zusammen. Viele Sprachen kennen solche „prominenten“ Muster. Die Wissenschaftler wollen das bisher wenig Verstandene erstmals schrittweise ins Rampenlicht rücken. Dabei werden sie umfassend unterstützt: Der SFB 1252 erhält zunächst für vier Jahre, seit 2017 bis 2020, rund elf Millionen Euro Fördergeld von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Das Team arbeitet mit 19 Projekten fächerübergreifend an den Themen. Verlängerung erwünscht.

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„Unser Gebiet ist vielleicht nicht das telegenste, aber sehr faszinierend!“, meint von Heusinger. Jeder nutze das Promi-Prinzip intuitiv, wenn man spricht. Wie es genau funktioniert, wurde bis jetzt noch nicht analysiert. Prominenz – eine komplexe Wissenschaft für sich. „Man kann sich das auch als ein Fußballfeld denken, auf dem einer heraus sticht: Wie ein Kapitän – einer ist wichtiger, hat mehr Aufgaben, übernimmt die Führung. In der Sprache kann sich aber stets verändern, wer gerade Kapitän ist“, so von Heusinger. Mal ist ein Wort prominent, mal muss es für ein anderes das Feld räumen. Das hänge immer damit zusammen, mit wem ich spreche und was das gemeinsame Wissen ist. Ziel der Kölner Grundlagenforscher ist ein besseres Verständnis „von Sprache als System von Kognition und Kommunikation“.

Viele Teil-Phänomene werden untersucht

Viele Teil-Phänomene werden untersucht. Dabei arbeiten die Teams auch in drei Labors und betreiben Feldforschung in vielen Ländern. Auf einer Weltkarte im „House of Prominence“, dem SFB-Haus an der Luxemburger Straße, werden gerade die Gegenden markiert, wo Kölner Linguisten aktiv sind: Von Russland (Kasachisch) über Mexiko (Spanisch, Maya) bis zum Südsudan (Tima). Wie wird die Information in Sprache strukturiert, so dass das Wesentliche rüberkommt? Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum Beispiel durch die Betonung. „Gestern hat Peter Maria besucht.“ Klarer Fall, Maria ist der „Promi“. Oder mit der Wortstellung: „Maria bekommt Blumen von Peter“: Das Wichtigste steht vorne. Bei der Formulierung „Den Karl, den hab ich gestern gesehen“ wird durch den vorangestellten Satzteil die Person herausgestellt. Auch die Erwartungshaltung kann eine Rolle spielen: Auf einem Empfang zum Beispiel bleibt viel Gerede unbeachtet – fällt im Hintergrundgemurmel allerdings der eigene Name, wird man hellhörig. Ein individueller Wahrnehmungs-Filter.

Studien der Kölner Experten mit zweisprachig aufgewachsenen Kindern oder Autisten mit dem Asperger Syndrom befassen sich mit Besonderheiten des Prominenz-Musters: Autisten drücken sich nicht selten überdeutlich aus, wollen dem Gegenüber zu explizit Dinge erklären und haben weniger ausgeprägte Sensoren für Verständnis-Signale wie ein „Aha“.

Im „Socio Linguistic Lab“ zeichnen die Forscher alltägliche Konversation von Versuchsteilnehmern auf einer gemütlichen Couch auf und analysieren die natürliche Sprache. In einem anderen Labor werden Zungen von Probanden mit Sensoren verkabelt, um den Zungenschlag bei der Lauterzeugung zu analysieren. Prominente Worte könnten mit mehr Spannung ausgesprochen werden. Im psycho-neurolinguistischen Lab ergründen Studien von Blickbewegungen und EEG-Untersuchungen, wie das Gehirn auf Sprache reagiert. Die Analysen werden dann zusammengeführt. „Das ist toll mitzuerleben“, sagt von Heusinger zur Teamarbeit. Nach dem ersten SFB-Jahr mit Datenerhebungen, Feldforschung, Materialaufarbeitung und Grammatik-Analysen geht es nun verstärkt daran, erste Ergebnisse auszuwerten.

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