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Solidarität mit USAKöln setzt starkes Zeichen gegen Rassismus

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Demonstranten, so weit das Auge reicht: Bis weit hinter die Severinsbrücke reichte die Masse der Protestler am Samstag in Deutz.

Demonstranten, so weit das Auge reicht: Bis weit hinter die Severinsbrücke reichte die Masse der Protestler am Samstag in Deutz.

Köln – Dann wird es still an der Deutzer Werft. Das Brummen der vorbeituckernden Schiffe ist zu hören, von der anderen Flussseite dringt der normale Großstadtlärm hinüber. Doch am Rheinufer in Deutz verharren mehr als 10 000 Menschen und schweigen. Acht Minuten und 46 Sekunden dauert das Innehalten.

Exakt so lange hatte der Polizist Derek Chauvin am 25. Mai in Minneapolis sein Knie auf den Nacken des am Boden liegenden unbewaffneten George Floyd gedrückt und dabei sein Todesröcheln ignoriert. Es ist der bewegende Höhepunkt der Anti-Rassismus-Kundgebung am Samstag, zu der ursprünglich nur etwa 500 Teilnehmer erwartet worden waren.

Nora Althaus, Josef Koysang, Julia Sicke, Akim Silverback, Wandi Wrede: Das sind die Namen der Anmelder, die sichtlich überrascht waren von der enormen Teilnehmerzahl (siehe Interview). „Der brutale Tod von George Floyd hat das Fass von Wut, Schmerz und Trauer über Rassismus zum Überlaufen gebracht“, sagt Koysang, der mit seinen Mitstreitern spontan die private Initiative „America we see you“ gegründet hat.

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Die letzten Worte des durch Polizeigewalt gestorbenen Afroamerikaners haben inzwischen weltweite Bekanntheit erlangt. „I can’t breathe“ („Ich kann nicht atmen“) rief er dem Polizisten zu, der ihn zu Boden drückte. Etliche Demonstranten in Deutz tragen schwarze Masken mit dem weiß aufgedruckten Satz. Zahlreiche der überwiegend jungen Teilnehmer recken Pappschilder mit „BLM – Black lives matter“ („Schwarze Leben zählen“) in die Höhe. Oft zu sehen sind auch „Stoppt die Pandemie des Rassismus“, „Silence ist violence“ („Schweigen ist Gewalt“) und „My skin is no sin“ ( „Meine Haut ist keine Sünde“). Ein Teilnehmer hält ein Schild mit einer Botschaft von Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela auf Englisch hoch.

„Hass wird gelernt. Wenn man den Hass lernen kann, kann man auch lernen, zu lieben“, sagt er. Ein Demonstrant aus Ehrenfeld hat prominenten Besuch mitgebracht – er hat den Hass anfachenden Donald Trump als hölzernen Hampelmann angefertigt. Auf dem linken Arm das Symbol des Ku-Klux-Klan, auf dem rechten die NS-Binde mit dem Hakenkreuz. Immer wieder wird auf den alltäglichen Rassismus in Europa und auch in Köln hingewiesen. „Ich bin ein kölsches Mädchen und ich bin schwarz“ steht auf dem Schild von Mariam.

„Ich erlebe seit meiner Kindheit immer wieder mal schlimme rassistische Verletzungen. Von der Grundschule, wo man mir wegen der damals fehlenden Deutschkenntnisse nichts zugetraut hat, bis hin zu verbalen Attacken kürzlich in der Straßenbahn. Im Geschichtsunterricht habe ich nie etwas über die Sklaverei erfahren. Wir sind überhaupt nicht repräsentiert. Wir kommen gar nicht vor“, kritisierte die junge Frau aus Ehrenfeld.

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Irgendwann erstreckt sich Menge der Teilnehmer in Deutz bis hinter die Severinsbrücke. Der Corona-Sicherheitsabstand kann kaum eingehalten werden, doch viele Demonstranten tragen immerhin Mundschutz. Die Stimmung ist entspannt, die Polizei, die mit einigen Hundertschaften bereit steht, beobachtet das Geschehen besonnen und ist im Dauergespräch mit den Anmeldern.

Die in Kamerun geborene Joceline erzählt von den Erfahrungen ihres Großvaters mit den deutschen Kolonialherren. „Afrika wird von vielen Weißen noch immer nur als Kontinent der Ressourcen wahrgenommen“, klagt sie. Das westafrikanische Land war von 1884 bis 1916 Kolonie des Kaiserreiches. Yannick ist mit vielen Freunden auf die Deutzer Werft gekommen, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. „Ich habe schon in vielen deutschen Städten gelebt. In Köln geht es auf jeden Fall toleranter zu. Aber wir wollen auch Gleichheit. Rassismus gibt es überall auf der Welt“, stellt er fest.

Am Sonntag setzt sich der bundesweite Reigen der Kundgebungen auch in Köln fort. Etwa 5000 Menschen versammeln sich am Nachmittag auf dem Neumarkt, wo Musikgruppen spielen und kurze Reden gehalten werden. Auch hier ist die Stimmung friedlich, die Polizei kommt nur zum Zuschauen vorbei. Weitere Kundgebungen sollen in den kommenden Wochen folgen.

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