Später fertig und noch teurerWie es um die Kölner Oper wirklich steht

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Der Zuschauerraum der Kölner Oper

Köln – Vor gut eineinhalb Jahren, am 25. Juni 2019, ist Bernd Streitberger recht optimistisch, es geht an diesem Tag mal wieder darum, wann die schief gelaufene Sanierung der Kölner Bühnen voraussichtlich abgeschlossen ist und wie teuer sie wird. Sanierungschef Streitberger nennt den Journalisten an jenem Tag eine Summe zwischen 554 und 571 Millionen Euro, je nachdem, wie viele Risiken tatsächlich noch bis zur Eröffnung eintreten. Und er sagt: „Ich gehe nicht davon aus, dass wir die 571 Millionen brauchen.“

Es ist ein Satz, den Streitberger am heutigen Dienstag nach Rundschau-Informationen korrigieren muss, demnach kostet das Großprojekt nach jetzigem Stand zwischen rund 615 und 645 Millionen Euro, war am Montag zu erfahren. Im Vergleich zum 25. Juni 2019 steigen die reinen Baukosten damit zwischen rund 60 und 75 Millionen Euro (also zwischen elf und 13 Prozent).

Die Sanierung

Worum geht es?

Die Stadt Köln lässt seit Juni 2012 Oper (1957) und Schauspielhaus (1962) am Offenbachplatz sanieren und baut Kleines Haus und Kinderoper neu. Ursprünglich sollte das Projekt 253 Millionen Euro kosten und am 7. November 2015 eröffnen. Im Juli 2015 teilte die Stadt mit: Das klappt nicht, das Projekt muss neu organisiert werden. Und: Es dauert länger und wird teurer.

Warum dauert es länger?

Weil vor allem die Haustechnik Probleme macht, damit sind Elektrotechnik, Lüftung, Feuerlöschanlagen, Kälte- und Wärmeversorgung gemeint. Die Stadt kündigte im November 2015 der Haustechnik-Firma Deerns, wirft ihr tausende Baufehler vor, unter anderem Kollisionen von Leitungen. Dagegen klagt Deerns vor Gericht.

Was ist so schwer an der Haustechnik?

In dem alten Opernhaus ist wenig Platz, teils braucht es neue Schächten. Ein Gutachter sagte: „Diese Aufgabenstellung ist gewissermaßen vergleichbar mit dem Einbau der Technik eines dem heutigen Stand der Technik entsprechenden Mercedes-S-Klasse-PKW in einen VW-Käfer Baujahr 1960.“

Wie ist der aktuelle Stand?

Deerns-Nachfolger Innius musste laut Bühnen in weiten Teilen komplett neu planen, hatte auch Probleme. Nun hat Innius die Pläne vorgelegt, zudem haben die Bühnen fünf Firmen gefunden, die die Pläne umsetzen. Es kann also bei der Haustechnik bald mal wieder wirklich gearbeitet werden. Doch die Firmen kosten statt 29 wohl 44 bis 45 Millionen Euro. (mhe)

Zur Erinnerung: 2012 betrugen die geschätzten Kosten 253 Millionen Euro (siehe Grafik). Es geht am Offenbachplatz um die Sanierung der Oper von 1957, des Schauspielhauses von 1962 sowie den Neubau von Kleinem Haus und Kinderoper (siehe Info-Kasten zur Chronik und warum alles schief lief).

Seit Baubeginn am 18. Juni 2012 sind mittlerweile acht Jahre und 223 Tage vergangen – und es werden bis zur Fertigstellung wohl noch rund drei Jahre folgen. Nach Rundschau-Informationen wird Streitberger am Dienstag eine Schlüsselübergabe zwischen Januar und März 2024 verkünden, zuletzt ging er im November von Juli bis September 2023 aus, vor anderthalb Jahren sogar von April bis Juni 2023. Diese Verzögerung dürfte einen Teil der Kostensteigerung ausmachen. Bis März 2024 wären also elf Jahre und neun Monate für die Sanierung nötig – eine fast unwirkliche Zahl, wenn man bedenkt, dass die Stadt einst von drei Jahren ausging.

Die große Frage bei Kölns Dauerbaustelle lautet ja: Wann eröffnen die Häuser? Denn Streitberger ist nur für die Sanierung zuständig, nicht für die Eröffnung und den späteren Betrieb. Streitberger spricht stets von Schlüsselübergabe an die Intendanten von Schauspiel und Oper, wann die vier Häuser öffnen, sei Sache der Stadt. Dort ist aber noch nichts geplant, sie teilte zuletzt mit: „Die Planungen zur Wiedereröffnung werden konkretisiert, wenn sie aus dem konkreten Termin zur Schlüsselübergabe abgeleitet werden können.“

Meint das den heutigen Dienstag? Oder folgen weitere Verkündungstermine? Mittlerweile handelt es sich um Streitbergers dritte große Pressekonferenz seit 2017, in der er neue Kosten und Termine nennt. Oder anders: In der er die nächsten schlechten Nachrichten präsentiert. Bleibt es tatsächlich bis 2024 dabei, weil nun die fehlerhafte Planung der Haustechnik wie Lüftung und Brandschutz korrigiert worden ist und die Arbeiten daran beginnen können? Rund drei Jahre bis zur geplanten Fertigstellung sind eine lange Zeit mit vielen Risiken.

Genug Puffer für Spielzeit 2024/25?

Und daran anknüpfend: Reicht tatsächlich der Puffer vom ersten Quartal 2024 bis zu einer möglichen Eröffnung zur neuen Spielzeit ab September 2024? Es handelt sich um sechs bis acht Monate. Das hört sich viel an, doch von Juni 2019 bis Januar 2021 verschob sich der geplante Termin zur Fertigstellung um neun bis elf Monate – zumal solch große Gebäuden nach der Fertigstellung nicht direkt für den Kunstbetrieb fertig sind. Zuletzt hatte der Berliner Architekt Professor Hans-Peter Achatzi gesagt: „Es braucht schon einige Monate, um ein solches Haus auf den Betrieb vorzubereiten.“ Zudem können man mögliche Mängel in der Zeit reparieren.

Die Bühnen-Verantwortlichen weisen darauf hin, dass zumindest die Bühne selbst schon zu mehr als 90 Prozent fertig ist, das spare Zeit und Risiken. Und diee Stadt teilte mit: „Es stehen nach der Schlüsselübergabe und vor der Wiedereröffnung der Umzug in das Ensemble am Offenbachplatz und der Probenbetrieb in den vier neuen Spielstätten an.“ Die Stadt will wohl an der Eröffnung zur Spielzeit 2024/2025 festhalten, aber nicht um jeden Preis wie 2015, als Oper und Schauspiel im November eröffnen sollten. Damals sorgten mehr Arbeiter und mehr Tempo für mehr Chaos – bis die Sanierung neu aufgestellt werden musste. Ein Wiederholung soll vermieden werden.

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Für die Interimsstätten von Oper (Staatenhaus) und Schauspiel (Depot) bedeutet eine mögliche Eröffnung im September 2024: Die Verträge müssen verlängert werden. Das kostet Geld, bislang sind für die Ausweichspielstätten 113,5 Millionen Euro bis Ende 2022 geplant. Dieser Zeitraum greift zu kurz, das Budget muss der Stadtrat wohl anheben. Nimmt man die Finanzierungskosten, also Kredite samt Zinsen, von aktuell 287 Millionen Euro dazu, kosten Sanierung, Finanzierung und Interim zwischen rund 1,018 und 1,044 Milliarden Euro. Kölns Bühnensanierung hat damit die Milliarden-Grenze geknackt.

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