Sparprogramm in KölnWie Ford-Mitarbeiter mit ihren Abfindungen umgehen

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Ford in Köln

Das Ford-Logo am Kölner Werk

  • Ford will am Standort Köln im Rahmen eines Sparprogramms 3800 Stellen abbauen.
  • Der Konzern hat deswegen etlichen Mitarbeitern Abfindungsangebote gemacht.
  • Die ehemaligen Angestellten gehen damit ganz unterschiedlich um – und wählen ungewöhnliche Wege aus der Arbeitslosigkeit heraus.

Köln – „Der ist beim Ford“, das war in Köln ein geflügeltes Wort. Es zollte Anerkennung und stand für Sicherheit. Nun muss der kriselnde Autobauer umdenken. Ford hat Abfindungsangebote aufgelegt, viele haben sie angenommen. Wir stellen drei Mitarbeiter vor, die aus dem Unternehmen ausscheiden. Sie gehen unterschiedlich mit ihrem Schicksal um.

Maren de Fries: Design-Studium statt Auto-Marketing

Maren de Fries hat schon viel gesehen außerhalb der Ford-Welt. Ihre eigene Schreinerei in Marburg etwa, in der „ich immer alles so machen konnte, wie ich es wollte“. Das ist schon lange her. Im Jahr 2000 ist sie bei Ford eingestiegen, berufsbegleitend studierte sie Betriebswirtschaft und arbeitete im Marketing und Verkauf. Warum sie sich dem Kreativen ebenso wie den nüchternen Zahlen so verbunden fühlt, kann sie selbst nicht so genau sagen. „Ich konnte mich aber bei Ford immer verändern“, sagt sie, „das ist der Vorteil eines globalen Unternehmens“.

Damit ist nun Schluss. Seit Jahresbeginn gehört sie nicht mehr zur Ford-Familie. Sie hat ein Angebot mit über Jahre gestaffelter Abfindung angenommen. Natürlich hat sie die Dynamik in der Branche beobachtet und sich häufiger gefragt: „Wie wäre das für mich?“ Und ob es nicht mal wieder an der Zeit wäre, etwas Neues anzufangen. „Für mich ist klar, dass die gesamte Automobilindustrie vor gewaltigen Umbrüchen steht.“ Und ihrer kreativen Ader würde sie schon gerne mehr Ausdruck geben. Im Herbst beginnt sie ein Design-Studium. Sie möchte sich danach selbstständig machen, vielleicht mit einer Agentur und Start-ups beraten. „Es war plötzlich wieder dieses Gefühl: „Ich mache alles so, wie ich es will.“ Das ist mit 57 Jahren schon eine Ansage. Eine Familie versorgen muss sie nicht.

Die Abfindungen

3800 Stellen fallen bei Ford-Köln im Rahmen des Einsparprogramms weg. In Deutschland sind es 5400. Das Unternehmen hat Abfindungen angeboten und Mitarbeiter gezielt angesprochen. Nach Angaben des Unternehmens sind 60 Prozent des Ziels erreicht, das wären rund 3200 Kollegen, die Angebote angenommen haben.

Mitarbeitern unter 50 Jahren zahlt Ford ein Monatsentgelt pro Jahr Firmenzugehörigkeit. Mindestens werden fünf Gehälter gezahlt, maximal 18. Dazu kommt für jeden ein Sockelbetrag von 30 000 Euro. Ab 55 Lebensjahren sinkt das Monatsentgelt pro Betriebsjahr.

Die Stimmung in der Belegschaft hat sie in den vorigen Monaten unterschiedlich erlebt. „Es gibt einige, die sagen: ,Mensch, ich kann doch nur Ford.’“ Aber andere wüssten auch um ihre Chancen. Und dann sei es so, dass manche sich sehr eingekuschelt hätten in der Ford-Familie. „Man muss auch immer über den Tellerrand hinausschauen. Dann sieht man, dass es uns bei Ford immer gut gegangen ist.“ Auch die Abfindungsangebote findet sie sehr ordentlich. „Vergleichen Sie das mal mit der Kassiererin bei Schlecker.“ Am letzten Tag hat sie ihre Kollegen ins Betriebscafé „Henry’s“ eingeladen. Da hat sie den Zusammenhalt gespürt, etwas, das sie vermissen wird. Maren de Fries sagt: Die Arbeitswelt verändere sich gerade radikal. Sie sei da mittendrin.

Klaus Niederberger: 34 Jahre im Niehler Montagewerk

Beim Ford Eifel hat er selbst die Metallblenden ausgetauscht, und der Ford T? Klar, der fährt immer noch. Warum der Capri nicht wieder neu aufgelegt worden ist, hat er nie verstanden. „So ein schönes Auto.“ Klaus Niederberger steht in der nüchternen Werkshalle zwischen all den historischen Modellen der Classic-Car-Abteilung. Mitten in der Ford-Geschichte also, und die ist natürlich auch seine. Seit 1. Juli ist der 63-Jährige kein Ford-Mitarbeiter mehr. Das Abfindungsangebot kam drei Wochen vorher, es kam für ihn zur rechten Zeit. Gewünscht hätte er aber schon, dass es anders zu Ende geht. „Ich habe ganz schön zu knabbern.“

1985, vor 34 Jahren also, hat der große, stämmige Mann bei Ford angefangen. Er hatte zuvor bei Bosch gelernt, Kfz-Elektriker, einen Beruf, den es heute gar nicht mehr gibt. In der Oldtimer-Werkstatt, da wo Ford seine Automobilgeschichte pflegt, ist ihm das immer von Nutzen gewesen. Die jungen Kollegen wüssten ja kaum noch, wie ein Auto im Inneren funktioniert, alles nur noch fertige Elektro-Module.

In den 80er Jahren wurde in Niehl gerade die Produktion auf den Scorpio umgestellt. Er wurde schnell Kolonnenführer im Montagewerk. Mobilität, das hieß damals freie Fahrt für jeden. Und zwar im eigenen Auto. Es ging schnell aufwärts, auch in den Gehaltsgruppen. „Ich habe alles mitgenommen“, sagt Niederberger, aber dafür habe er auch 150 Prozent geben müssen. Es war trotzdem genug Zeit, um jeden Mitarbeiter mit Handschlag zu begrüßen. Damit war es irgendwann vorbei. Und mit der Sicherheit auch.

Neun Jahre hat Niederberger in der Classic-Abteilung gearbeitet. Im vergangenen Jahr sagte sein Arzt ihm, dass er Bauchspeicheldrüsenkrebs habe. Die Diagnose veränderte alles. Sehr früh, nach drei Monaten, konnte er an den Arbeitsplatz zurückkehren. Mit dabei waren Gedanken, welche Träume er sich noch im Leben erfüllen will. Mit seiner Frau im Wohnmobil (ein umgebauter Transit) nach Norwegen zum Beispiel, das ist so einer. Also nahm er das Abfindungsangebot an: 30 000 Euro Sockel-Betrag und dann die Zulage nach Alter. Er kam auf 56 000 Euro, plus die Ford-Betriebsrente, es passte. Der Mechaniker weiß, dass es für ihn relativ leicht ist. „Wer Anfang 50 ist, kann sich das nicht leisten.“ Drüben in der Montage, im Y-Werk, sagt er, da sollen sich viele Junge für die Abfindung entschieden haben. „Die haben draußen Chancen.“

Inzwischen war Niederberger beim Arbeitsamt. Kein schöner Weg. Er soll bis November „gesperrt“ werden, die Kündigung sei nicht rechtzeitig abgegeben. Er muss sich plötzlich um allerhand Papierkram kümmern. Auf dem Weg zur Verwaltung ruft eine Ex-Kollegin: „Da ist ja unser Rentner.“ So fühle er sich nicht an, sagt er, es sei alles so schnell gegangen.

Gerald Schmoldt: Mit 55 in die Selbstständigkeit

Motoren haben ihn immer fasziniert. Die Verbrennung, die Präzision, die notwendig ist, der Takt der Maschine, selbst die Abgase. Gerald Schmoldt wollte nach dem Studium zu einem Autobauer und ist bei Ford in Köln gelandet. Die Verbrennung und die Abgase zwingen die Branche heute zum Umdenken. Auch den 55-jährigen Schmoldt. Nach fast drei Jahrzehnten hat er Ford verlassen. Das Abfindungsangebot alleine war es nicht, sagt er, als er am Rheinufer seine Fordgeschichte erzählt. 28 Jahre lang war er im Unternehmen tätig, zuletzt als Projektleiter in der Produktentwicklung in Merkenich. Die Abfindung bedeutet für ihn „ein Jahresgehalt ohne Bonus“. Schön, aber nicht das, wofür man den Job aufgibt.

Der Abschied von Ford wurde für den dreifachen Familienvater schon 2018 das erste Mal konkret. Auch da gab es ein Abfindungsangebot, im Inneren wusste er schon, dass er nicht bis zur Rente im Unternehmen bleiben würde. Natürlich kennt er die Branche gut, und dass die Entwicklung zunehmend aus den USA gesteuert werden soll, ist ihm auch nicht verborgen geblieben. „Es ist Zeit für einen Umbruch im Unternehmen. Aber den müssen andere gestalten.“ Er meint: „Die, die 15 Jahre jünger sind als ich.“

„Papa, Du bist doch kein Rentner“, hat die elfjährige Tochter zu ihm gesagt. Und dass Menschen mit Mitte 50 nicht mehr gebraucht werden, hat Schmoldt schon immer für Quatsch gehalten. Also genießt er den Sommer und wird dann seine Selbstständigkeit vorbereiten. Eine Beratungstätigkeit schwebt ihm vor, er habe viele Erfahrungen sammeln dürfen, im Personalmanagement und in der Pflege von Firmenwerten.

Zum Termin ist er mit dem Fahrrad gekommen. Er wohnt mit der Familie in Nippes, in einer Stadt wie Köln sei das Rad das adäquate Verkehrsmittel. Er glaube auch nicht, dass die E-Mobilität den Verbrennungsmotor komplett ablösen könne. Wo all die Batterien herkommen und entsorgt werden sollen, das sei längst nicht durchdacht. Schmoldt wird sich anderen Fragen zuwenden. Und seiner Gitarre. Er spielt in zwei Bands. An seinem letzten Tag bei Ford trug er ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Ich habe keinen Rentenplan. Ich will Gitarre spielen.“ Es sollte ein schöner Scherz sein. Der Abschied sei ihm sehr schwer gefallen.

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