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Stillstand im KulturbetriebWas die Pandemie mit den Kölner Bands macht

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Köln – Manchmal ist Ironie eine angenehme Verpackung, um unangenehme Botschaften halbwegs erträglich zu überbringen. Dieser Tage erzählt der Musiker Peter Brings gerne folgende Anekdote: Als er und sein Bruder Stephan ihrem Vater vor langer Zeit anvertraut hatten, ihr Geld als Rockmusiker verdienen zu wollen, habe er die Nase gerümpft und befürchtet, seine Söhne könnten ihm ewig auf der Tasche liegen. Peter Brings vollendet die Erzählung augenzwinkernd mit dem Satz: „Nun ist es bald so weit.“

Vielleicht war es noch niemals so schwierig wie in diesem Jahr, mit Musik Geld zu verdienen – selbst für talentierte Künstler. Hunderte Konzerte und Auftritte sind den Hygienebestimmungen der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen. Gerade erst haben die „Räuber“ mitgeteilt, dass ihr Schlagzeuger Wolfgang Bachem künftig wieder als Handwerker sein Geld verdienen wird. Nach 30 Jahren im Showgeschäft.

Die „Höhner“, eine der kommerziell erfolgreichsten Kölner Bands, haben schon im Frühjahr ihren Band-Bus abgemeldet, um Geld zu sparen. „Ich habe mir abgewöhnt zu klagen“, sagt Höhner-Frontmann Henning Krautmacher. „Aber alles ist endlich. Wir werden noch etwas durchhalten, weil wir Sparmaßnahmen getroffen haben“, erzählt er. Zuletzt ist er im Büro wieder selbst ans Telefon gegangen und hat sich um die Auftrittsbuchungen gekümmert.

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Nicht nur Bands betroffen

An kaum einem anderen Ort der Republik ist die Dichte an Bands und Auftrittsmöglichkeiten so groß wie in Köln, vor allem durch den Karneval. Nun liegt die Veranstaltungsbranche brach. Noch härter als viele Bands trifft es deren freiberufliche Techniker. Einige, so erzählen es die Künstler, bezögen inzwischen Hartz IV und Wohngeld, andere freuen sich als Pizzalieferanten über jeden Euro Trinkgeld. Nun wird mit der Karnevalssession die Haupteinnahmequelle aller Bands wegbrechen. „Beängstigend ist, dass es auch für den kommenden Sommer keine Planungssicherheit gibt“, sagt Jochen Damm von den „Klüngelköpp“. Jeder Auftritt hängt an Inzidenzzahlen und ordnungsbehördlichen Entscheidungen. Allein diesen Sommer sind 93 Auftritte seiner Band ausgefallen.

Weil es mit der Musik so gut lief, hat Max Eumann, Bassist bei „Miljö“, vor einem Jahr seinen festen Job bei der „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ aufgegeben. „Momentan geht es finanziell noch, weil wir lange unsere Jobs und die Musik parallel bewerkstelligt haben“, erzählt Eumann, Vater von zwei kleinen Kindern.

Schlagzeugunterricht und Kellnerjobs

Schlagzeuger Simon Rösler gibt derzeit so viel Schlagzeugunterricht wie noch nie. Die Kollegen von der jungen Band „Lupo“ halten sich mit Aushilfsjobs über Wasser, sie kellnern oder schieben Nachtschichten im Hotel. „Es ist eine emotionale Achterbahnfahrt. Aber wir wollen unseren Lebenstraum nicht aufgeben“, sagt Gitarrist Pedro Schädel. Die fünf Künstler hatten sich gerade entschieden, voll auf die Musik zu setzen. „Wirtschaftlich werden wir das auf Dauer nicht durchhalten. Wenn man selbst scheitert, ist es einfacher zu verkraften, als durch ein Virus ausgebremst zu werden“, sagt er.

Wenigstens die Buchungskalender der Bands erwecken den Anschein von Normalität. Gerade erst haben die Karnevalsvereine die Session für das Jahr 2022 gebucht. „Da wurde so getan, als habe es nie eine Pandemie gegeben“, erzählt Henning Krautmacher. Die Absagen sind inzwischen Teil des Geschäfts. „Wir erleben für ein Konzert in Plaidt in der Eifel gerade die Verschiebung der Verschiebung des Verschiebungstermins“, sagt der Höhner-Sänger.

Auf dünnem Eis unterwegs

Die Bands machen das bislang anstandslos mit. Noch hat niemand seine Gage eingeklagt. „Aber was ist, wenn ein Konzert ansteht und dann einer von uns Musikern in Quarantäne muss oder sich infiziert? Müssen wir dann Schadenersatz für den Ausfall zahlen?“, fragt Krautmacher und macht deutlich, auf welch dünnem Eis die Branche gerade unterwegs ist.

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Dabei geht es den Höhnern noch vergleichsweise gut. Sie durften zwischendurch mal im Fernsehgarten und einer Fernsehshow von Carmen Nebel auftreten. Silvester sollen sie für eine ZDF-Sendung live am Brandenburger Tor spielen. „Falls es stattfindet“, meint Krautmacher.

Noch eine viel größere Unsicherheit treibt den Sänger um. Wie reagieren die Menschen auf die kulturlose Zeit? „Im Mai werden sie wieder nach Konzerten lechzen“, hofft Krautmacher. Dann werden die Zuschauer wohl wieder in Strandkörben, Plexiglasboxen oder Autos sitzen, um mit Abstand den Musikern bei der Arbeit zuzuschauen.

„Ich bin dankbar, ein Handwerk gelernt zu haben“

Daniel Müller ist derzeit besonders stolz auf seinen Beruf. Er ist Maler- und Lackierermeister mit eigenem Betrieb. Nebenbei ist er Frontmann bei „Fiasko“. „Ich bin dankbar, ein Handwerk gelernt zu haben“, sagt er. Schon mehrfach hätten sich die Musiker der Band entschieden, ihre Jobs zu behalten und nicht allein auf das Musikgeschäft zu setzen. „Trotzdem tun die Absagen weh. Auch bei uns und anderen Bands der zweiten oder dritten Liga fehlen am Ende zwischen 120 000 und 180 000 Euro Umsatz“, rechnet er vor.

Jubiläumsfeier muss warten

Die freie Zeit haben Müller und seine Musiker-Kollegen im Proberaum verbracht. „Wir waren noch nie so kreativ“, urteilt er, schon jetzt stehe das Sessionslied für 2021. Die Brassband „Querbeat“, die diesen Sommer für insgesamt 30 Festivals gebucht war, will dieses Jahr auch noch ein neues Album rausbringen.

Den Bläck Fööss hat die Pandemie gerade ihr Bandjubiläum verhagelt. Die Konzerte auf dem Roncalliplatz wurden auf kommendes Jahr verschoben. Auch die Jubiläums-CD lässt auf sich warten, denn was nützt ein neues Album, wenn die Konzerte fehlen, auf denen es eine Band vorstellen kann.

In zwei Jahren werden auch die Höhner 50. Über die Planungen mag Henning Krautmacher lieber nicht sprechen.

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