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Bebauungsplan scheitertBeim Streit ums Belgische Viertel geht es von vorne los

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Bruesseler_Platz

Seit Jahren zieht der Brüsseler Platz Menschen an.

Köln – Eines der umstrittensten Themen dieses Jahres fällt dem Kölner Mehrheitsbündnis im Stadtrat nach sechs Monaten vor die Füße: der umstrittene Bebauungsplan für das Belgische Viertel rund um den Brüsseler Platz. Die Stadt hält die gewünschten Änderungen unter anderem von Grünen, CDU und Volt rechtlich für nicht umsetzbar, auch die SPD war dafür. Ab jetzt muss die Verwaltung dort Anträge für Umbauten, Abbrüche oder Umnutzungen genehmigen, etwa von einem Kiosk zu einer Bar. Die Fragen und Antworten dazu.

Worum geht es in dem Streit?

Schon im Januar 2016 hat die Kölner Politik einstimmig beschlossen, dass die Verwaltung einen Bebauungsplan für einen Teil des Belgischen Viertels erarbeiten soll (siehe Info-Grafik). Das Ziel: Das Viertel als Wohngebiet schützen und mit Hilfe des Plans ordnen, wo noch Kneipen und Geschäfte erlaubt sind und wo nicht. Die Verwaltung sprach von einem Kompromiss und betonte, die bestehenden Kneipen hätten Bestandsschutz trotz des neuen Plans. Seit Jahren beschweren sich Teile der Anwohner über den Lärm rund um den Brüsseler Platz. Ebenfalls seit Jahren prozessieren Anwohner gegen die Stadt, verlangen Nachtruhe. Gerichte urteilten, dass die Verwaltung die Gesundheit der Bürger schützen muss. Innenstadt-Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (Grüne) sagte für den Fall, dass der Plan nicht kommt: „Dann ist das Belgische Viertel in fünf Jahren eine abgerockte Partymeile.“

Was passierte in diesem Jahr?

Zuerst erhöhte sich der Zeitdruck. Die Stadt hatte zwei Mal eine temporäre Veränderungssperre verhängt, sie sollte die Zeit überbrücken, bis der Stadtrat den Plan tatsächlich mal beschließt. Doch diese Sperre darf nicht ewig gelten, sie endete im März. Ab diesem Zeitpunkt durfte die Stadt Anträge für beispielsweise neue Kneipen nicht mehr mit Verweis auf die Veränderungssperre ablehnen. Und zweitens wirbelte die Kommunalwahl 2020 die politischen Verhältnisse durcheinander, in der gewachsenen Grünen-Fraktion gab es Widerstände gegen den Plan, auch Neuling Volt hatte Probleme damit.

Wie ist die Lage im Belgischen Viertel?

Angespannt. Der Konflikt nahm vor der geplanten Abstimmung des Rates im März heftig zu. Auf der einen Seite gründete sich eine Interessengemeinschaft gegen den Bebauungsplan, sie fürchtete das Aus für das lebendige Ausgehviertel und sammelte tausende Stimmen gegen den Plan. Auf der anderen Seiten standen Teile der Anwohner, die endlich Ruhe wollten und „Trumpsche Methoden der Agitation“ der Gegner monierten.

Hier sollte das neue Regelwerk gelten

Wie reagierte die Politik?

Dem Mehrheitsbündnis wurde das Thema zu heiß, das Trio schob es in die Mai-Sitzung und verabschiedete eine mildere Variante unter anderem mit Stimmen der SPD. Der Schutz für das Wohnen fiel schwächer aus, die Rechte der Gastronomie stärker. Schon damals war klar, dass dieser nachträgliche Eingriff heikel sein könnte, denn der Bebauungsplan stand ja lange fest, die Öffentlichkeit war beteiligt worden, das offizielle Verfahren beendet. Das wussten die Fraktionen, schrieben deshalb einen Abfangjäger in den Antrag, die Änderungen sollen „nach rechtlicher Prüfung“ erfolgen.

Was ist jetzt das Ergebnis der Prüfung der Stadt?

Dass die Wünsche rechtlich nicht machbar sind und der Plan damit hinfällig ist. Auf die Frage der Rundschau, warum der Plan rechtlich so nicht geht, teilte die Stadt mit: „Die intendierte Begrenzung einer weiteren Entwicklung von Vergnügungsstätten, Gastronomiebetrieben, Kiosken und Trinkhallen zum Schutz der Wohnnutzung wird mit den Änderungen nicht mehr verfolgt.“ Im Klartext: Der Vorschlag der Politik ist laut Verwaltung kein Kompromiss, sondern hält die Gastronomie für wichtiger als die Anwohner. Eine bemerkenswert deutliche Aussage für eine Stadtverwaltung. Und: „Die Verwaltung sieht damit kein Planerfordernis mehr, da diese Entwicklung ohne Bebauungsplan erfolgen kann.“

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Wird es einen neuen Versuch geben?

Auf die Frage, ob es einen neuen Anlauf für einen Plan gibt, sagt die Stadt: „Sollte das bisherige Planungsziel nicht mehr verfolgt werden, erscheint ein Bebauungsplanverfahren nicht mehr sinnvoll.“ Ein klares Nein.

Und jetzt? Wie geht es weiter im Belgischen?

Die Stadt muss laut eigener Aussage Anträge für beispielsweise neue Gastronomie genehmigen, solange Paragraf 34 des Baugesetzbuches erfüllt ist. Die Veränderungssperre ist ja ausgelaufen, der neue Bebauungsplan abgelehnt, also zählt das Baugesetzbuch. Demnach sind Projekte grundsätzlich erlaubt, wenn sie sich in die „Eigenart der näheren Umgebung“ einfügen. Im März zählte die Verwaltung 36 Gastro-Betriebe in dem Gebiet. Bislang sind laut Stadt keine weiteren dazu gekommen – allerdings ist die Corona-Pandemie wohl kaum förderlich. Es bleibt also offen, wohin sich das Veedel entwickelt.

Was sagt die Politik dazu?

Am liebsten erstmal gar nichts. CDU und Grüne waren überrascht von der Rundschau-Anfrage und wollten erst eine offizielle Mitteilung der Stadt abwarten.

Kommentar zum Belgischen Viertel: Konflikte werden aufgeschoben

Sechs Jahre für Nichts: Vor allem das Bündnis aus Grünen, CDU und Volt wollte es im Dauer-Konflikt im Belgischen Viertel allen recht machen – und hat mit dieser Politik alles auf Null gesetzt. Aus lauter Mutlosigkeit passiert dort: erstmal nichts – obwohl sich die Politik vor sechs Jahren einstimmig einig war, dass die Anwohner besser geschützt werden müssen. Ja, es gab gut organisierte Gegner des Bebauungsplans mit viel Öffentlichkeit. Und ja, auch die Anwohner präsentierten sich verbal teils arg aggressiv.

Vor allem das Ratsbündnis hat sich aber um eine echte Lösung gedrückt, das Trio wollte das heikle Thema kurz nach Unterzeichnung des Bündnisvertrages aus den Füßen haben. Das hat nicht geklappt, denn Politik ist auch die Kunst, das Machbare zu gestalten. Die Mehrheit des Rates hat in diesem Streit der Seite nachgegeben, die lauter geschrien hat – obwohl klar war, dass es schwierig werden könnte. So werden Konflikte nur aufgeschoben. Das hat in Köln Tradition.

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