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Streit um den GrüngürtelAdenauer kritisiert Klientelpolitik, Wehrle pocht auf Ausbau

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Im Streit geht es um die Nutzung der Gleueler Wiese am Geißbockheim

  • Der geplante Ausbau des FC-Geländes im Kölner Grüngürtel erhitzt die Gemüter.
  • Jüngst hat ein Meinungsumschwung von OB Henriette Reker für Verwirrung auf Seiten des Bundesligisten gesorgt.
  • Im Streitgespräch diskutieren jetzt FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle und Konrad Adenauer über den Ausbau.

Köln – Der Streit um den Ausbau des FC-Geländes im Kölner Grüngürtel hat viele Parteien auf den Plan gerufen. Im Streitgespräch diskutieren nun Bundeskanzler-Enkel Konrad Adenauer, dessen Großvater den Grüngürtel einst gründete, und FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle.

Das sagt Konrad Adenauer

Der Grüngürtel war vor dem 1. FC Köln da und ist ein Gartendenkmal. Unser Bundesligist hat dort erst 1953 sein Quartier bezogen und hat große Teile des Grüngürtels bebaut und eingezäunt. Immer hieß es: „Jetzt haben wir genug!“ Das stimmte nie und wird auch nie stimmen. Die Raupe Nimmersatt wird eben niemals satt.

Die Schaffung des Grüngürtels gilt heute mehr denn je als größte und vorausschauendste Tat meines Großvaters als OB von Köln. Es sprach schon in seiner Schrift von 1920 (!) von einer Lebensfrage Kölns. Er wollte allen Kölnern, vor allen denjenigen, die nicht in Vereinen organisiert sind, den Kontakt mit dem Erdboden vermitteln. Er sah, dass viele Kölner sich nur auf versiegelten Flächen bewegten. Er wollte ihnen Licht, Luft und Bewegungsfreiheit verschaffen, ohne Zäune und natürlich ohne Kunstrasen und viele Gebäude.

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Dieses Bestreben ist seit langem bedroht, auch durch den FC. Nun gilt es, endlich einmal NEIN zu diesem Grünflächenverbrauch zu sagen. Denn nun sollen viele Hektar bebaut, eingezäunt, mit Kunststoffböden versehen und dem Gemeingebrauch entzogen werden. Der FC ist ein privater Verein, der Spieler unterhält, die Millionen verdienen und für zig Millionen verkauft werden. Das ist rein kommerzielles Handeln und hat mit Breitensport und Volksgesundheit nichts zu tun.

Grüne zeigen mutig Flagge

Köln und seine Bevölkerung sind nicht für den FC da. SPD, FDP und Teile der CDU betreiben nur Klientelpolitik, weil sie sich davon Wählerstimmen erhoffen. Einzig die Grünen zeigen mutig Flagge. Die Kritik an unserer OB wegen ihres Umdenkens ist falsch. Es gibt keinen Vertrag mit dem FC zwecks Überlassung weiterer Flächen. Unsere OB steht mit ihrem Schwenk in der Nachfolge meines Großvaters: Man muss alte Positionen räumen können, wenn man bessere Erkenntnisse hat („jeden Tag jet klüjer werden“). Das ist ein Kennzeichen großer Politiker.

Kunstrasen ist kein natürlicher Boden. Er führt nachts zu keiner Abgabe von Wärme. Sollte der FC mit seinen Plänen durchkommen, wäre das für das Klima im Kölner Südwesten fatal. Die Temperaturen würden an den Trainingsplätzen um drei Grad ansteigen. Es wäre verheerend für die dortige Flora und Fauna. Auch wenn man ihn mit Kork- statt Kunststoffgranulat pflegen will, ist das nicht gut. Die armen Korkeichen Portugals! Das Ganze hat mit dem Weltklima nichts zu tun, aber unmittelbar mit dem Kölner Klima.

Das Problem ist nun mit der OB-Wahl in Köln verknüpft. Hier dürfen keine „Versprechen“ und Beziehungen eine Rolle spielen, erst recht nicht der Klüngel. Mein Großvater schrieb 1920: „Wenn je der Gedanke auftauchen sollte, dieses Werk nicht durch- und zu Ende zu führen, dann muss die gesamte Bürgerschaft … im Interesse unserer Nachfahren flammendsten Einspruch erheben.“ Grüngürtel für alle, vor allem in Zeiten des Klimanotstandes!

Das sagt Alexander Wehrle

Seit 1926 ist der Grüngürtel die Heimat des 1. FC Köln und seiner Vorgängervereine. Seit 1953 steht hier das Geißbockheim. Seitdem ist viel passiert, doch die Faszination eines für alle zugänglichen Bundesligaclubs mitten in der Stadt wurde bewahrt. Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, plant der FC nun eine maßvolle und landschaftsverträgliche Erweiterung seines in die Jahre gekommenen und viel zu kleinen Trainingsgeländes. Auf einem bestehenden Kunstrasenplatz soll ein Leistungszentrum gebaut werden, das Nachwuchs und Profis unter einem Dach vereint. Auf der nicht genutzten Gleueler Wiese neben der viel befahrenen Militärringstraße sollen drei Kunstrasenplätze für die 8- bis 16-Jährigen entstehen.

Dieses Projekt ist nach den Vorgaben der Verwaltung entstanden und hält sich an die Philosophie für den Grüngürtel: Erholungs- und Bewegungsmöglichkeiten für alle Bürger gehören seit jeher mit dem Landschaftsschutz zusammen. Tennis- und Fußballvereine sind hier zu Hause, es wird geritten und gejoggt, es gibt sogar einen Schießstand. In Köln fehlt es an Sportanlagen. Deshalb baut der 1. FC Köln die Plätze nicht für sich allein, sondern wird sie auch dem Breitensport zur Verfügung stellen.

Klimanotstand im Fokus

Seit vier Jahren befinden wir uns in einem Flächennutzungs- und Bebauungsplanverfahren. Diese Transparenz ist uns wichtig. Wir haben Kompromisse erarbeitet, im Rat eine Mehrheit für den Aufstellungsbeschluss und zuletzt die Zustimmung des Regionalrats erhalten. Warum sollte man wenige Monate vor Abschluss des Verfahrens davon abweichen? Seit unter anderem die heutige Oberbürgermeisterin Henriette Reker 2015 die Umweltverträglichkeit des Vorhabens öffentlich bestätigt hat, hat sich daran nichts zu Ungunsten der Umwelt verändert. Im Gegenteil. Die ökologischen Ausgleichsmaßnahmen werden das, was an Fläche versiegelt wird, übertreffen.

Doch während sich die Planungslage nicht verändert, tauchen von Seiten der Gegner neue Argumente auf, sobald die vorherigen widerlegt wurden. Der Klimanotstand ist die neueste Variante. Eine nachhaltige Verschlechterung des Klimas in Köln wird in dem zu den Planungsgutachten gehörenden, öffentlich einsehbaren Gutachten klar verneint. Ein „Nein“ zu unseren Plänen wegen des Klimaschutzes würde überdies bedeuten, dass in der selbst ernannten „Sportstadt“ Köln gar keine Fußballplätze mehr gebaut werden können. Denn versiegelt würde die Fläche auch an einem anderen Standort.

Als Alternative wird Marsdorf ins Spiel gebracht. Abgesehen davon, dass dieses Gelände geprüft wurde: Fußball spielende Kinder auf eine Brache an der Autobahn zu vertreiben – das wäre ein fatales Signal. Am Geißbockheim kann vom Schulkind bis zum Rentner jeder den FC-Profis beim Training zusehen, hier leben Jungs und Mädchen den Traum, mit dem Geißbock auf dem Trikot zu spielen. So ist Köln. So sollte es bleiben.

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