Stück HeimatkulturAlepposeife hergestellt in Marsdorf

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Mohamad Khiro packt Seifenstücke einzeln in die Kartons, die sein Gesicht zeigen.

  • Khiro hat sich mit seiner Familie zunächst von Syrien nach Beirut retten können, wo sein sechstes Kind zur Welt kam.
  • Er bekam zu spüren, wie schwer der Neustart in einem Land ist, dessen Sprache so völlig anders ist als die eigene.
  • Durch eine aufmerksame Mitarbeiterin im Jobcenter fanden der Seifenmeister aus Aleppo und ein Hygieneartikelhersteller aus Köln dann aber doch zusammen.

Köln – Wenn Mohamad Khiro im Labor der Firma Fair Squared aus Marsdorf Seife kocht, konserviert er ein Stück der Kultur seiner Heimat. Denn Khiro stammt aus der Seifenstadt Aleppo in Syrien, wo es seines Wissens nach durch den Krieg keinen einzigen Seifenmeister mehr gibt. Dabei ist Aleppo für dieses Handwerk weltbekannt gewesen.

Khiro hat sich mit seiner Familie zunächst nach Beirut retten können, wo sein sechstes Kind zur Welt kam. Ein Jahr und drei Monate später erhielt er als Kriegsflüchtling unter anderem wegen eines autistischen Sohnes ein Flugticket nach Deutschland. Das war im November 2013. „Das hat mir die Flucht zu Fuß erspart“, sagt Khiro. Aber er bekam zu spüren, wie schwer der Neustart in einem Land ist, dessen Sprache so völlig anders ist als die eigene.

Nur noch Erinnerungsfotos vom Wohlstand

„Ich verstehe die Formulare immer noch nicht“, sagt er auch nach sechs Jahren. Ohne nachweisbare Ausbildung eine Arbeit zu finden, schien aussichtslos. Arbeitsagentur und Jobcenter Köln machten ihm wenig Hoffnung, noch einmal als Seifenmeister zu arbeiten. Lediglich ein Kleingewerbe mit einem Stand auf dem Markt in Porz war drin.

In Aleppo stellte Mohamad Khiro, wie bereits sein Vater, in einer Fabrik eine Fülle von Reinigungsmitteln her, selbst Desinfektionsmittel für Schwimmbäder. Und Khiro war so wohlhabend gewesen, dass er sich ein eigenes Haus mit Schwimmbad und Platz für eine Fülle von Gästen leisten konnte, die jedes Wochenende zu Besuch kamen. Davon sind ihm nur Erinnerungsfotos geblieben.

Zufall im Jobcenter

Die Realität in Deutschland sah ganz anders aus. „Ich habe gesagt: ,Ich will arbeiten.‘ Aber für einen Seifenmeister gab es keine Arbeit. Ich hatte schon überlegt, eine Ausbildung zum Busfahrer zu machen, um meine Familie ernähren zu können“, sagt Khiro. Aber dann geschah etwas, das in Zeiten von Datenschutz und überpräzisen Suchkriterien in Datenbanken eigentlich gar nicht für möglich gehalten wird.

Juliane Schumacher vom Jobcenter Köln, die den Mann bei seiner erfolglosen Arbeitssuche betreut hatte und die inzwischen als Talentscout in einer anderen Abteilung des Jobcenters arbeitete, bekam die Suchanfrage der Firma Fair Squared nach einem Seifenmacher in die Finger. Sie erinnerte sich sofort an den Seifenmeister aus Aleppo und brachte die beiden zusammen. Ein Glücksfall für alle Beteiligten.

Vegan und Halal

Das noch recht junge Kölner Unternehmen hat sich auf Halal-Produkte spezialisiert, also Dinge, die auch von Muslimen benutzt werden können, die sich an Alkoholverbot halten und tierische Fette meiden. Zudem sind alle Produkte vegan, was für Inhaber Stephan Stavridis ein wichtiges Vermarktungskriterium ist.

Nun hatte er für sein Unternehmen zwar schon Produkte von Kopf bis Fuß im Programm, aber trotz des Trends zurück von der plastikverpackten Flüssig- zur Stückseife im Karton, fehlte es an einer handwerklich hergestellten, guten Seife. Bei der Arbeitsagentur, wo er die Stelle meldete, machte man ihm wenig Hoffnung.

Alternativ Kölschseife

Durch die aufmerksame Mitarbeiterin im Jobcenter fanden der Seifenmeister aus Aleppo und der Hygieneartikelhersteller aus Köln dann aber doch zusammen. Und sie machten sich gleich an die Konzeption neuer Seifen.

Parallel zur Aleppo-Seife nach Originalrezept werden verschiedene Bier-Seifen hergestellt, die zum Haarewaschen gedacht sind und darum in verschiedenen Ausführungen auf unterschiedliche Haartypen abgestimmt sind. Etwa die „Kölschseife för drüch Hoor“. „Kölsch heißt in dem Fall Bier“, sagt Stavridis: „Denn schon die Großeltern haben gewusst, dass Bier gut für die Haare ist.“

Nach Originalrezept

Ein Viertel der Seife ist Bio-Kölsch von der Brauerei Heller. Auf der Verpackung ist das Gesicht von Mohamad Khiro zu sehen, und bei Testverkäufen auf verschiedenen Kölner Weihnachtsmärkten, auch am Dom und im Stadtgarten, stand der Seifenmeister selbst am Stand und verkaufte seine Produkte.

„Die Arbeit macht mich zufrieden“, freut sich der Syrer und rührt dabei etwas in einem großen Kocher zusammen, während die Seifenmasse vom Vortag in einer Holzkiste unter einer Abdeckung ruht. Er ist immer aktiv und probiert Neues, wenn er nicht gerade Original-Aleppo-Seife herstellt. Deren Rezeptur ist traditionell festgelegt. Nur Olivenöl, Lauge und Lorbeer darf hinein. Ist sie fest geworden, kann sie geschnitten werden, was einiges an Kraft erfordert. Zur Verzierung können Stempel in die harte Seife geschlagen werden mit Aufschriften wie „Göttin des Glücks“. Nach sechs Monaten Lagerung kann man die Seife verwenden.

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Etwa 18 Angestellte hat das expandierende Unternehmen. Von den Tablettwagen werden die Seifen an einem kleinen Band in Schachteln verpackt. Der Absatz über das Internet macht Fortschritte. Im gleichen Haus arbeitet inzwischen auch Tochter Jalila. „Er kocht übrigens auch zu Hause sehr gut – nicht nur Seife.“

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