Syrische Familie in KölnVon Heimweh und deutschen Tugenden

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Seit zweieinhalb Jahren lebt Familie Hamkou aus Syrien in Köln. Die ehrenamtliche Helferin Barbara Skerath (l.) unterstützt sie bei Behördengängen und Alltagsproblemen.

Seit zweieinhalb Jahren lebt Familie Hamkou aus Syrien in Köln. Die ehrenamtliche Helferin Barbara Skerath (l.) unterstützt sie bei Behördengängen und Alltagsproblemen.

Köln – „Wir vermissen unsere Heimat. Unsere Familie. Meine Oma und meinen Opa. Und die Natur zu Hause. Aber wir fühlen uns auch hier in Köln sehr wohl.“ Rania Hamkou (13) spricht die Sätze in akzentfreiem Deutsch. Seit Juni 2015 lebt die junge Syrerin mit Mutter Fidaa (35), Vater Moustafa (43), ihren Schwestern Fatima (15) und Rouseel (9) und den Brüdern Mohammed (11) und Hussein (5) in Köln. Die siebenköpfige Familie ist vor Krieg und Terror aus der umkämpften nordsyrischen Stadt Aleppo geflohen, kam vor zweieinhalb Jahren mit der ersten großen Flüchtlingswelle über die Türkei nach Deutschland und landete auf Umwegen in Köln.

Vieles hat sich seither verändert. Während die Stadt Köln, unterstützt von zahllosen ehrenamtlichen Helfern, die Versorgung, Unterbringung und Integration tausender Geflüchteter organisieren musste – ein Kraftakt, dessen Bewältigung noch Jahre dauern wird –, hat Familie Hamkou begonnen, sich als anerkannte Asylbewerber in Köln ein neues Leben aufzubauen.

Das Paar engagiert sich in einer Second-Hand-Boutique

Vor allem den Kindern fällt das leicht. Die vier Älteren gehen auf Gymnasium, Realschule und Grundschule, glänzen mit guten Noten. Sie sprechen hervorragend Deutsch – neben ihren Muttersprachen Arabisch und Kurdisch – und lernen in der Schule Englisch und Französisch. Die Eltern tun sich deutlich schwerer mit der Verständigung. „Deutsch ist eine schwierige Sprache. Aber wir wollen lernen“, sagt Moustafa. Er und seine Frau Fidaa haben erfolgreich Integrations- und Deutschkurse absolviert. „Ich will arbeiten und dafür muss ich besser deutsch sprechen“, sagt der gelernte Schneider, der früher in Syrien ein Textilunternehmen mit 25 Mitarbeitern geleitet hat.

Mehrmals im Monat engagieren sich die beiden ehrenamtlich in einem Seniorenheim, wo sie in einer Second-Hand-Boutique aushelfen. „Da können wir Leute kennenlernen und unser Deutsch verbessern. Wir möchten auch gerne etwas zurückgeben. Wir sind sehr dankbar für die viele Hilfe und Unterstützung, die wir in Köln bekommen“, sagt Fidaa.

Ihr Dank gilt insbesondere Barbara Skerath (73). Die ehemalige Mitarbeiterin der Deutschen Welle ist eine von vielen Menschen in Köln, die sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich um Flüchtlinge kümmern, ihnen bei Behördengängen, Papierkram und Alltagsproblemen helfen. „Ich hatte früher mehrfach beruflich in Syrien zu tun und habe das Land geliebt. Jetzt will ich mithelfen, dass sich Geflüchtete in Köln besser zurechtfinden“, sagt Skerath.

Fünf Kinder teilen sich ein Zimmer

Neben den Hamkous betreut sie noch sieben weitere syrische Familien in Köln. Die Probleme seien meist die gleichen. „Mit Briefen in Amtsdeutsch können Geflüchtete nichts anfangen. Die brauchen jemanden, der ihnen erklärt, was sie machen müssen“. Oft gehe sie mit zum Jobcenter und anderen Ämtern. Problematisch sei auch, dass die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse bis zu acht Monate dauere. „Das verhindert, dass Geflüchtete in Arbeit und Ausbildung kommen.“

Überhaupt, der Papierkram. Typisch deutsch, findet Rania. „Zu Hause hatten wir kaum Papiere. Jetzt haben wir einen ganzen Schrank voll.“ Dem deutschen Hang zur Gründlichkeit kann die Familie aber auch viel Positives abgewinnen. „Hier ist alles so ordentlich und klar geregelt. Alles hat System. Das gefällt mir gut“, sagt Fidaa. Ein Blick in die blitzsaubere Wohnung bestätigt ihre „deutsche“ Einstellung. Akkurat gestapelt liegt das Obst in einer Schale auf dem Spitzendeckchen, an der Wand hängt ein Gemälde mit Alpenkulisse. Der Platznot begegnet die Familie mit Disziplin. Sieben Personen müssen sich 72 Quadratmeter teilen, obwohl sie laut Gesetz Anspruch auf mehr als 100 Quadratmeter hätten. Fünf Kinder teilen sich ein Zimmer, ihre Hausaufgaben machen sie auf dem Bett. „Eine größere Wohnung zu finden, wäre ein Traum für uns“, sagt Fidaa.

Wie sich die Kinder ihre Zukunft vorstellen? In Köln oder Syrien? Fatima will Architektin werden. „Wenn der Krieg vorbei ist, gehe ich zurück und helfe beim Wiederaufbau mit.“ Rania will Medizin studieren, dann ebenfalls zurück. Fidaa lächelt. „Das sagen sie heute. Aber ich glaube, meine Kinder werden am Ende in Deutschland bleiben, wo sie Freunde haben.“ In Syrien sei auf lange Zeit kein Frieden in Sicht.

Aktuelle Zahlen zu Flüchtlingen in Köln

9783 Geflüchtete bringt die Stadt derzeit unter. Sie ist dazu verpflichtet. Quoten regeln nach Einwohnerzahl die Zuweisung durch das Land. In der Spitze – 2016 – waren 13 842 Menschen in Köln zu beherbergen. In bis zu 24 Turnhallen wurden Geflüchtete notdürftig untergebracht. Das ist seit Sommer vorigen Jahres nicht mehr nötig, doch Hunderte zogen nur in andere Massenunterkünfte um, die kaum Privatsphäre bieten.

Sie sollen nun nach und nach durch Wohnungen ersetzt werden. 1014 Notunterkunftsplätze sind noch belegt, 309 Betten in Leichtbauhallen und 1299 in „mobilen Wohnanlagen“, also Containerbauten. Auch die 2260 Plätze in Pensionen und Hotels sollen abgebaut werden. Sie sind in der Regel zu teuer und nicht für ein Wohnen auf lange Zeit ausgelegt. Integration ist dort kaum möglich. Bei Arbeitsagentur und Jobcenter waren zuletzt 7499 Personen im Kontext von Fluchtmigration“ arbeitssuchend gemeldet, davon 2550 Menschen arbeitslos.

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